Harald Schmidt: „Ich dachte schon mehrfach, am Ziel zu sein“

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Stuttgart – TV-Entertainer Harald Schmidt (50) ist da, wo er angeblich immer hin wollte: Er inszeniert am Stuttgarter Staatstheater, wo er Schauspielschüler war. Ein Interview.

Seine Inszenierung ist ein Beitrag zum RAF-Projekt „Endstation Stammheim“. Betont unpolitisch habe er den Terror im „Deutschen Herbst“ als Schauspielschüler erlebt, sagt er. Der Titel seiner Show über jene Zeit ist folgerichtig ebenfalls unpolitisch: „Elvis lebt. Und Schmidt kann es beweisen“. Premiere ist am 12. Oktober.

Darf man über die RAF Witze machen?
 
Harald Schmidt: „Selbstverständlich. Aber das mache ich nicht. Wir setzen uns mit den medialen RAF-Festspielen auseinander, die in den letzten Monaten stattgefunden haben. Informativ war nicht allzuviel Neues dabei. Für uns geht es darum, inwieweit heute noch so ein „radical chic“ gepflegt wird. Wer sagt noch: Ich war so ein bisschen RAF – aber als ich dann gemerkt habe, huch, die werden ja gewalttätig, da bin ich natürlich sofort abgerückt.“
 
Sie inszenieren dort, wo sie zur RAF-Zeit als Schauspielschüler lernten. Hier am Staatstheater wollten Sie immer spielen. Sind sie am Ziel?
 
Schmidt: „Nein, das dachte ich schon mehrfach, dass ich am Ziel wäre. Und dann stellt sich heraus: Es gibt immer noch wieder neue Ziele und immer noch wieder neue Möglichkeiten.“
 
Eine Aussage ihres Stücks ist: Die Politik und die RAF waren mir damals im Grunde egal. Ging das überhaupt? Konnte sich der Schauspielschüler Schmidt vor allem für Elvis interessieren, während Schauspielchef Claus Peymann Geld für RAF-Häftlinge sammelte?
 
Schmidt: „Das war ja nicht eine permanente Diskussion. Wenn Sie gewisse Leute in der Mensa am Tisch sitzen sahen – da gingen Sie einfach nicht mit dazu. Das war viel unaufgeregter. Man hat da nicht permanent über Politik geredet. Es gehörte mit dazu: Man gab sich so ein bisschen politisch. Es hat mich aber nicht wirklich interessiert.“
 
Wie haben sie Peymanns Spenden-Sammelaktion für die RAF-Häftlinge damals bewertet? Und wie sehen Sie das heute?
 
Schmidt: „Damals fand ich das unglaublich mutig. Heute, würde ich sagen, ist es fast ein bisschen Klassenkämpfer-Romantik.“
 
Ist Ihnen das heute ein bisschen peinlich, dass Sie diese Phase damals eher unpolitisch erlebt haben? Nach dem Motto: Man lebt in Berlin und bekommt den Mauerfall nicht mit?
 
Schmidt: „Auf keinen Fall. Keine Sekunde. Man könnte auch sagen: Ich bin mir treu geblieben. Man ist ja nicht verpflichtet, den Mauerfall mitzukriegen. Die Frage ist, ob das nicht sogar eine erstrebenswerte Lebenshaltung ist, in Berlin zu wohnen und den Mauerfall nicht mitzubekommen. Das andere bekommt so eine Aufgeregtheit: Man muss über Gesundheitsreform, Erbschaftssteuer, Hartz 5 und Hartz 11 immer alles wissen. Warum eigentlich?“
 
Woher kommt dieses Desinteresse?
 
Schmidt: „Ich bin nicht aufgeregt über politische Vorkommnisse. Die Abstände werden ja immer kürzer, in denen neue mediale Wichtigkeiten verkündet werden. Wenn Sie sich angucken, welche Wahlergebnisse vor der letzten Bundestagswahl vorausgesagt wurden …, das ist ja lächerlich. Die politischen Kommentatoren hätten ja eigentlich komplett den Betrieb einstellen können. Das Internet hat diese mediale Nervosität nochmal verschärft.“
 
Zurück zur RAF. Würden Sie sagen, Sie sind nicht anfällig für Ideologien?
 
Schmidt: „Bis auf die katholische Kirche nicht. Man sollte doch von jeder Ideologie die Finger lassen. Da gibt es eine geniale Definition von Woody Allen: Um 16.00 Uhr treffen sich die Leute mit den blauen und den roten Mützen auf dem Marktplatz. Die mit den blauen schlagen denen mit den roten die Schädel ein, und hinterher haben alle die umgekehrte Farbe auf – und dann geht es weiter wie bisher.“
 
Der 11. September war Ihnen ähnlich egal wie die RAF?
 
Schmidt: „Die Auswirkung auf mein Leben ist, dass ich eine Stunde eher am Flughafen sein muss, wenn ich nach Amerika fliege.“
 
Das Gefühl der Unsicherheit haben Sie nie?
 
Schmidt: „Nein. Null. Da muss man schon eine diffuse Angst haben. Das lohnt nicht, sich darüber Gedanken zu machen.“
 
Interview: Roland Böhm und Henning Otte, dpa[fp]

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