Esoteriksender Telemedial mit Datenleck

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Ludwigsburg – Peinliche Datenschutzpanne beim Call-in-Sender „Kanal Telemedial“: Am vergangenen Freitag soll für mehrere Stunden eine Datei mit umfangreichen Kundendaten auf der eigenen Seite frei zugänglich gewesen sein.

Pikantes Detail für Datenschützer: Die DIGITAL FERNSEHEN vorliegende SQL-Datenbank enthält unter anderem eine Liste mit 11 448 Namen samt Telefonnummern von Anrufern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Eine andere Liste enthält sogar einige Namen mit vollständiger Adresse. Die Kunden hatten sich wohl eine CD bei einem der Telemedial-Vorgänger bestellt.
 
Ähnlich schwerwiegend dürfte der Datenverlust der 53 Leute sein, die in einem weiteren Ordner mit vollständigem Namen, Online-Benutzernamen und Passwort in Klarschrift für jedermann lesbar aufgeführt sind. Kunden, die bei Kanal Telemedial, Fresh4U, B2C, BTV4U oder Primetime irgendwelche Logins und Benutzernahmen hinterlassen haben, sollten diese schleunigst ändern. Besonders gefährlich wird es, wenn Kunden auf allen Internetseiten denselben Nutzernamen und Login verwenden. Hier ist es dringend notwendig, die Zugänge auf allen Seiten zu ändern.
 
Zu welcher Telemedial-Vorgängerfirma die Daten gehören, kann aus den vorliegenden Informationen nicht einwandfrei rekonstruiert werden. Schenkt man den Datums-Einträgen Glauben, sind Telemedial-Kunden wohl nicht betroffen. Die Aufzeichnungen beginnen am 10. August 2005 und reichen bis zum 17. Mai 2006, Telemedial ist erst seit 2007 auf Sendung.
 
„Das ist natürlich eine Frechheit, das ist doch Datenschutz“, beschwerte sich eine schockierte ehemalige Anruferin aus Gummersbach gegenüber DF. Nach einer Operation Anfang 2006 stellten sich der Frau viele offene Fragen, deswegen hatte Sie die Hilfe der Telefonberatung gesucht. „Mir wurde jedoch schnell klar, dass es sich dabei nur um Betrug gehandelt hat, die wollten einem bloß das Geld aus der Tasche ziehen.“
 
Bis zur Veröffentlichung dieses Beitrag haben die Unternehmen Telemedial und Telekontor trotz mehrfacher Anfrage von DIGITAL FERNSEHEN keine Stellung zu den Vorwürfen bezogen.
 
Beschwerden im Call-Center
 
Besonders interessant sind zwei Listen, in denen Callcenter-Mitarbeiter die Beschwerden der Anrufer genau protokoliert haben. Meist mit Name und Telefonnummer aufgeführt wird hier nachvollziehbar, wie enttäuschte Anrufer ihrer Wut freien Raum gelassen haben. Häufiger Kritikpunkt ist, dass die Wartezeit in der teuren Warteschleife deutlich zu lang war, teilweise hätten Anrufer mehr als eine Stunde erfolglos auf die Durchstellung zu den Beratern gewartet.
 
Gehäuft traten auch Probleme mit dem Listing-Verfahren auf: Nachdem die Zuschauer angerufen und erklärt hatten, zu welchem Berater sie wollen, wurde ihr Name in einer am Bildschirm sichtbare Rangfolge eingereiht. Doch die vermeintliche Transparenz hatte ihre Lücken: Mehrfach beschwerten sich Anrufer, dass sie im Lauf der Sendung zurückgesetzt wurden, manchmal gingen die Berater auch nicht ans Telefon, obwohl im Programm sichtbar war, dass sie nicht in ein Telefongespräch verwickelt waren.
 
Skepsis ob der Geschäftspraktiken ist zumindest angebracht, denn hinter den Angeboten steht Thomas Hornauer, selbsternannter TV-Guru, der seine mit Sex-Hotlines verdienten Millionen seit einigen Jahren medienwirksam mehren will. Der immer wieder mit einer Sekte in Zusammenhang gebrachte Hornauer hat sich in der Medienlandschaft in kurzer Zeit einen dubiosen Ruf erarbeitet.
 
Bereits 2004 wurde ihm für sein TV-Sender BTV4U die Lizenz entzogen. Zuvor hatte der gelernte Gießer mit seinem Geld aus Sex-Hotlines und Porno-Produktionen den defizitären Regionalsender BTV aufgekauft und Stück für Stück zu einem esoterischen Call-In-Sender mit Beratung, Horoskopen und Kartenlesen umgewandelt. Nach dem Entzug seiner Lizenz schaffte es Hornauer über ein Schlupfloch, sein Programm weiter verbreiten zu können. Unter dem Namen Primetime startete er einen so genannten Mediendienst, der in Deutschland nicht lizenzpflichtig ist.
 
Darüber hinaus hat er seit 2007 eine Lizenz bei der österreichischen Lizenzierungsbehörde Komm Austria. Sein Programm Kanal Telemedial läuft ab 21 Uhr ausgerechnet auf der analogen Sat-Frequenz vom Kinderkanal. Mittlerweile wurde er auch von den Österreichern abgemahnt, weil ein Telemedial-Moderator für die Heilung von Verdauungsproblemen einer Anruferin „Engelenergien“ angerufen hatte. Dabei wurde der Anschein erweckt, dass die telefonische Beratung eine ärztliche Behandlung ersetzen kann. Neben den 1,99 Euro pro Minute werden die Zuschauer aufgefordert, einen „materiell-spirituellen Energieausgleich“ zu leisten. Dafür soll entweder Geld überwiesen oder aber eine kostenpflichtige Nummer angerufen werden. Derzeit werden hier zehn Euro pro Anruf fällig, im vergangenen Jahr war es noch das Dreifache.
 
Besonders empört über das Vorgehen von Telemedial ist der Vorsitzende der Gemeinsamen Stelle Programm, Werbung und Medienkompetenz der Landesmedienanstalten Norbert Schneider. „Geld dafür zu nehmen, dass Energien über den Bildschirm übertragen werden, stellt alles in den Schatten, was es bisher gegeben hat“, beschwerte Schneider sich öffentlich. „Der Eindruck drängt sich auf, dass Zuschauer hier für dubiose Angebote regelrecht ausgenommen werden.“
 
Die Datenpanne am vergangenen Freitag ist also nur ein kleiner Teil einer langen Kette von Auffälligkeiten. Irgendwann muss das Datenleck auch den Telemedial-Technikern aufgefallen sein – ungefähr 11:30 Uhr melden verschiedene Quellen, dass die Online-Seite abgeschaltet wurde. Kurz danach waren auch die Webauftritte von Fresh4U, Primetime und B2C nicht mehr zu erreichen. Derzeit erscheint auf den Seiten ein Link zum Livestream von Kanal Telemedial. [lf]

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  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

25 Kommentare im Forum

  1. AW: Esoteriksender Telemedial mit Datenleck Wieso gibt es diesen "Banditen-Sender" überhaupt immer noch?!
  2. AW: Esoteriksender Telemedial mit Datenleck Ähm.. weil die pünktlich ihre Mieter zahlen und ihnen in Österreich bislang die Lizenz nicht entzogen wurde, vielleicht?
  3. AW: Esoteriksender Telemedial mit Datenleck Genau das frage ich mich ja. Warum wird bei solch dubiosen, eigentlich schon kriminellen Machenschaften nicht die Lizenz entzogen, denn einige Empfehlungen (Täuschungen bzw. Verar***ungen) sind nicht nur teuer sondern nahezu lebensbedrohlich.
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