Gerichtsshows in der Kritik – wenig mit Realität zu tun

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Gerichtsshows haben zwar nicht viel mit der Realität zu tun und nehmen keinen Einfluss auf Gerichte und Verfahrensbeteiligte, verändern jedoch gerade dadurch die Erwartungshaltung der Bürger an reale Strafprozesse.

Zu diesem Schluss sind Medienvertreter und Juristen beim Medientreffpunkt Mitteldeutschland gekommen. Die Shows seien nicht geeignet, über das deutsche Justizsystem aufzuklären, auch wegen der Verdichtung auf 45 Sendeminuten.

Sachsen-Anhalts Justizministerin Angela Kolb verwies außerdem darauf, dass es sich bei der Masse der Verfahren an deutschen Gerichten um Diebstähle, Beleidigungen und andere Fälle kleinerer und mittlerer Kriminalität handle. In den Gerichtsshows überwiege hingegen eindeutig Gewaltkriminalität. „Mich stört, dass hier das Spektakuläre in den Vordergrund gestellt wird“, sagte Kolb dazu. Zudem werde laut Kolb kaum erklärt, wie der Richter zu Wahrheitsfindung und Urteil gekommen sei.
 
Dass die Realität vollkommen anders aussehe, sagte auch Christoph Frank, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds: „Im Gegensatz zu Gerichtsshows gibt es im Gerichtssaal keine überraschenden Wendungen.“ Die Wahrheitsfindung sei wesentlich schwieriger, als in den Shows gezeigt werde. Frank beklagte außerdem, dass die Rolle der Staatsanwaltschaft meist negativ dargestellt werde. Sie übersehe demnach Hinweise oder befrage Zeugen nicht richtig. Gleichwohl arbeite der TV-Richter Hold auch in juristischer Hinsicht sehr professionell.

Darauf legt Alexander Hold, Richter in der gleichnamigen Sat.1-Gerichtsshow, auch besonderen Wert. Er habe seine richterliche Unabhängigkeit vertraglich vereinbart und er verhandle nach der Strafprozessordnung, sagte Hold. Auch Urteil und Begründung schreibe er selbst. „Ich sehe in der Gerichtsshow die Möglichkeit, den Menschen das Justizsystem und das deutsche Recht nahezubringen“, so Alexander Hold zu seiner Motivation. Allerdings wolle er damit auch kein Bildungsfernsehen machen. Spektakuläre Fälle, eine Verdichtung der Handlung und zugespitzte Charaktere seien für ein erfolgreiches Fernsehformat unabdingbar.
 
Die Spiegel-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen beklagte, dass die Gerichtsshows bei den einfachen Leuten ein falsches Bild der Justiz geprägt hätten. Was hier in einer halben Stunde abgehandelt werde, dauere in Wirklichkeit ein halbes Jahr oder länger. Friedrichsen weiter: „Die Fälle sind oft an den Haaren herbeigezogen und teils unter der Gürtellinie. Das ist pure Unterhaltung, was man auch an der Werbung sieht, die um die Sendung platziert ist.“ Friedrichsen musste allerdings einräumen, dass weniger spektakuläre Fälle, zum Beispiel auch bei Zeitungslesern, selten auf großes Interesse stießen. Auch sie selbst bediene mit ihren Gerichtsreportagen ein Unterhaltungsbedürfnis. „Vielleicht machen wir ja doch das Gleiche“, so ihr verblüffendes Fazit. [cg]

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23 Kommentare im Forum

  1. AW: Gerichtsshows in der Kritik - wenig mit Realität zu tun Beim Gericht läuft es ganz anders ab. Aber die Macher sind zu doof um richtige Gerichtsshows zu produzieren.
  2. AW: Gerichtsshows in der Kritik - wenig mit Realität zu tun Würde es ablaufen wie in der Realität, würde es niemand gucken da es zu langweilig wäre. Ich kann da aus Erfahrung sprechen. War schon 2 mal vor Gericht aber nie als Angeklagter.
  3. AW: Gerichtsshows in der Kritik - wenig mit Realität zu tun Was soll das Ganze, im Krimi spielt der Kommisar auch nicht wie in der Realität. Die Krimis spiegeln auch nicht reale Fälle, sind frei erfunden. Auch das wäre tot langweilig. Warum solle es da anders sein. Es ist doch eine Gerichtshow und keine Gerichtsverhandlung als Doku.
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