Studie: Journalisten recherchieren immer mehr im Internet

0
50
Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

Berlin/Düsseldorf – Die Online-Recherche wird für Journalisten immer wichtiger, aber sie gehört auf den Prüfstand. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM).

Wie die LfM mitteilt, wird mit der Untersuchung erstmals großflächig das Thema Online-Recherche in deutschen Zeitungs-, Fernseh-, Hörfunk- und Internetredaktionen unter die Lupe genommen. Im Rahmen einer Tagung im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin forderten führende Journalisten aller Mediengattungen eine offensive Auseinandersetzung mit dem Thema.

„Die Recherche im Internet gewinnt für Journalisten zunehmend an Bedeutung“ – insbesondere die Schnelligkeit der Informationsbeschaffung und die Vielfalt der Informationen biete erhebliche Vorteile. Doch aus veränderten Rahmenbedingungen in Redaktionen würden auch Risiken und Qualitätsmängel erwachsen. Eine Überprüfung von Online-Quellen finde nur selten statt. „Journalisten greifen bei ihrer Recherche im Netz vornehmlich auf andere journalistische Erzeugnisse zurück anstatt auf Primärquellen wie etwa Websites von politischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Einrichtungen“, berichtet die LfM.
 
Man schreibe voneinander ab. Prof. Dr. Marcel Machill von der Universität Leipzig, der die Studie „Journalistische Recherche im Internet“ im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) geleitet hat, beobachtet in diesem Zusammenhang eine gesteigerte Selbstreferentialität im Journalismus: „Computergestützte Recherche macht es den Medienschaffenden noch einfacher, schnell nachzuschauen, was die Kollegen zu einem aktuellen Thema erarbeitet haben.“
 
Gemeinsam mit seinem Team vom Lehrstuhl für Journalistik 2 habe er insgesamt 34 Medienangebote (Tageszeitungen, öffentlich-rechtliche und private Hörfunk- und TV-Sender, redaktionelle Onlineangebote) untersucht. Über 600 Journalisten seien bundesweit schriftlich befragt und 235 Journalisten bei ihrer Arbeit beobachtet worden. Heute (23. Juni) seien die Studienergebnisse bei der LfM-Tagung im Haus der Bundespressekonferenz erstmals öffentlich präsentiert worden.
 
Das Telefon gilt nach wie vor das wichtigste Rechercheinstrument der Journalisten. Doch gerade bei der Ermittlung von Zusatzquellen – wenn Journalisten also das auf ihren Schreibtisch eingehende Material erweitern wollen – kommen die Suchmaschinen im Internet zum Einsatz. Hier dominiere auch bei den Medienschaffenden eindeutig Google den Markt. Wer bei Google beispielsweise zu einem aktuellen journalistischen Thema als Experte unter den ersten zehn Treffern gelistet werde, habe Chancen, wiederum von Journalisten interviewt zu werden. „Die Suchmaschine kanalisiert also auch bei den professionellen Kommunikatoren die Aufmerksamkeit“, heißt es in der Mitteilung der LfM.
 
Die befragten Redakteure indes würden die Dominanz des privaten Suchmaschinenanbieters Google überwiegend pragmatisch sehen: Sie seien sich möglicher Probleme bewusst, würden aber weiterhin auf die marktführenden Angebote zurückgreifen, statt alternativ in Eigeninitiative unabhängige Quellen zu recherchieren. Dafür werden laut der Studie hauptsächlich strukturelle Gründe (personelle Engpässe und Zeitmangel im Redaktionsalltag) verantwortlich gemacht.
 
Die LfM-Studie formuliert vor diesem Hintergrund spezielle Handlungsempfehlungen, z. B. das Berufsbild des Dokumentationsjournalisten zu fördern. Im anglo-amerikanischen Bereich sind die so genannten „fact-checkers“ in vielen Redaktionen Standard. Bei der journalistischen Aus- und Fortbildung, so eine weitere Empfehlung der Studie, müsse Recherchekompetenz verstärkt in den Fokus gerückt werden.
 
Auch die Überlegung einer genossenschaftlich finanzierten, verlässlichen und unparteiischen Suchmaschinentechnologie wurde auf der hochkarätig besetzten LfM-Medientagung in Berlin diskutiert. Zu den Panelteilnehmern zählten unter anderem Peter Kloeppel (Chefredakteur RTL), Jörg Sadrozinski (Redaktionsleiter tagesschau.de), Detlef Noormann (Geschäftsführer und Programmdirektor Berliner Rundfunk), Lorenz Maroldt (Chefredakteur „Der Tagesspiegel“), Thomas Leif (Vorsitzender Netzwerk Recherche), Volker Hummel (Initiative Qualität im Journalismus). [mw]

Bildquelle:

  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

0 Kommentare im Forum

Alle Kommentare 0 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum