„Das französische Modell eignet sich nicht für Deutschland“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Sollte bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland die Werbung abgeschafft werden? Darüber sprach DIGITAL FERNSEHEN mit Christoph Waitz, dem medienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag.

Durch die Ankündigung von Präsident Nicolas Sarkozy, ab Januar schrittweise ein Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Frankreich einzuführen, wird auch in Deutschland die Frage laut, wie es in Sachen Rundfunkfinanzierung weitergehen könnte.

DIGITAL FERNSEHEN: Halten Sie Werbung bei den öffentlich-rechtlichen Sendern angesichts der Gebührensituation in Deutschland noch für gerechtfertigt?
 
Chistoph Waitz: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verfügt über Gebühreneinnahmen von mehr als sieben Milliarden Euro. Ab dem 1. Januar 2009 wird sich diese Summe wegen einer weiteren Gebührenerhöhung noch einmal deutlich erhöhen. Ob ARD und ZDF zusätzliche Einnahmen aus Werbung und Sponsoring benötigen, ist aus meiner Sicht aber nicht die entscheidende Frage. Entscheidend ist vielmehr, dass sich ARD und ZDF mit dem Verzicht auf Werbung und Sponsoring für die Sender die Möglichkeit bietet, verlorenes Vertrauen in die Berichterstattung und die Qualität der Sendungen zurück zu gewinnen.
 
Zum einen wurde insbesondere die ARD in der Vergangenheit immer wieder durch Werbeskandale belastet. Zum anderen bestimmt die Reichweite bestimmter Sendungen das Handeln der Programmmacher und die Einteilung der Sendeplätze. Für bestimmte Werbeaufträge muss ein Programmumfeld geschaffen und eine Quote garantiert werden.Das sind Kriterien, die mit der Erfüllung des Funktionsauftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, also insbesondere mit der Vermittlung von Kultur-, Informations- und Bildungsangeboten, nichts zu tun haben.
 
DF: Was halten Sie von dem Vorschlag, die entstehenden Einnahmeausfälle bei den Sendern – wie von Sarkozy vorgeschlagen – durch eine Steuer von ungefähr 0,9 Prozent auf die Umsätze der Festnetz-, Mobil- und Online-Anbieter zu ersetzen?
 
Chistoph Waitz: Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist in Deutschland anders organisiert als in Frankreich. Die Rundfunkfinanzierung erfolgt in Deutschland staatsfern. Das französische Modell eignet sich nicht für Deutschland. Es sollte aus meiner Sichtgeprüft werden, ob ARD und ZDF den Verlust der Werbemittel nicht durch Einsparungen und effizientere Mittelverwendung ausgleichen können. Wir leisten uns in Deutschland ein Luxusangebot von Spartensendern, die zum Teil überschneidende Angebote präsentieren.
 
Es ist Aufgabe der Politik diese Strukturen zu optimieren. Bei allem Interesse der Öffentlichkeit an Programmvielfalt und Qualitätsfernsehen – 22 öffentlich-rechtliche Vollprogramme sind des guten zu viel. Eine zusätzliche Steuer auf Telekommunikations- umsätze ist weder nötig noch sinnvoll.
 
DF: Präsident Nicolas Sarkozy sieht ja vor, die Werbung in Frankreich ab Dezember 2011 vollständig abzuschaffen. Wäre dies auch ein Modell für Deutschland? Wenn ja, wie sollten in Deutschland Ihrer Meinung nach die öffentlich-rechtlichen Sender finanziert werden?
 
Chistoph Waitz: Bevor wir über das „wann“ der Werbefreiheit reden, müssen wir zunächst über das „ob und wie“ Einigkeit erzielen. Dazu müssen die Staatskanzleien und die Parlamente der zuständigen Bundesländer gewonnen werden. Das wird nicht leicht.
 
Wir Liberale haben ein schlüssiges und transparentes Modell der Rundfunkfinanzierung vorgelegt. Die von uns vorgeschlagene geräteunabhängige Medienabgabe würde 9-11 Euro kosten und müsste von jeder Person über 18 Jahren, die über ein steuerpflichtiges Einkommen verfügt, gezahlt werden. Den Einzug der Abgabe könnten die Finanzämter übernehmen. Die GEZ wäre damit überflüssig und könnte abgeschafft werden.
 
Daneben gibt es für uns keine Gesetzmäßigkeit regelmäßiger Gebührenerhöhungen. Eine klare Aufgabenbeschreibung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Reduzierung der öffentlich-rechtlichen Vollprogramme sollte in Zukunft auch dazu führen, Gebühren zu senken und ohne Werbe- und Sponsoringeinnahmen auszukommen. In Zeiten, in denen die Menschen in Deutschland reale Nettolohnverluste hinnehmen müssen, ist eine Gebührenerhöhung, die über der Rate der allgemeinen Lohnentwicklung liegt, abzulehnen.
 
DF: Würde mit einem Werbeverbot die Qualität der Sendungen beeinträchtigt?
 
Chistoph Waitz: Nein, im Gegenteil. Ich erhoffe mir durch die wegfallende Fokussierung auf die Ziele der Werbe- und Sponsoringkunden eine Rückbesinnung auf die Programminhalte und die Vorgaben des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Insbesondere wünsche ich mir die Rückkehr von Kulturprogrammen in die Hauptprogramme von ARD und ZDF. Diese Inhalte wurden als „Quotenkiller“ in die Spartenkanäle ausgelagert.
 
Wenn wir das politische Ziel „kulturelle Bildung“ für möglichst viele Zuschauer zu vermitteln ernst nehmen, dann müssen auch im Hauptprogramm von ARD und ZDF Konzerte, Opern und Theaterinszenierungen stattfinden können. Da gab es in der Vergangenheit neben dem Ohnsorg-Theater auch die Inszenierungen der Berliner Schaubühne und neben dem Eurovision Song Contest auch Tosca oder La Traviata zu sehen.
 
DF: Herr Waitz, vielen Dank für das Gespräch.
 
Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.
 [ar]

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8 Kommentare im Forum

  1. AW: "Das französische Modell eignet sich nicht für Deutschland" in Deutschland sollten die Rundfunk Gebühren ab geschafft werden. Solange ich mit meinen gebühren auch noch G.Netzer vor die Nase gesetzt bekomme ist das für mich auch eine bevormundung. Wenn schon dann nicht mit meiner Kohle.
  2. AW: "Das französische Modell eignet sich nicht für Deutschland" Christoph Waitz wer bezahlt den guten Mann > RTL SAT oder Premiere. Das Profitabele wird privatisiert und was kein Geld bringt bleibt beim Staat,der Steuerzahler wird nicht gefragt, er muß zahlen. In diesem Sinne :Wer die Politiker bezahlt > bestimmt wo`s lang geht.
  3. AW: "Das französische Modell eignet sich nicht für Deutschland" Hallo, wie schlau ausgedacht von der FDP. Die Kultur kehrt wieder zurück ins Hauptprogramm von ARD+ZDF. Vordergründig kann niemand etwas dagegen sagen. Nur, wenn geschehen würde was die FDP hier will, dann wäre es bald um ARD+ZDF geschehen. Denn dann würden die Einschaltquoten zur Prime Time derart sinken, dass schnell der Ruf aufkäme ARD+ZDF doch gleich ganz abzuschaffen, da keine breite Resonanz der Programme mehr besteht. Wer wäre der Nutznieser einer signifikanten Schwächung der Resonanz der ÖR in der Bevölkerung oder gar der Abschaffung von ARD+ZDF? - Die Privatsender. Ganz im Sinne der FDP. Nur sei auch der FDP ins Stammbuch geschrieben, dass auch sie, wie auch keine andere politische Partei, zu bestimmen haben, was die ÖR senden. Gruss robert1
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