„Werbung gehört nicht zur Grundversorgung“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Sollte bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland die Werbung abgeschafft werden? Darüber sprach DIGITAL FERNSEHEN mit Lothar Bisky, dem medienpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke.

Durch die Ankündigung von Präsident Nicolas Sarkozy, ab Januar schrittweise ein Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Frankreich einzuführen, wird auch in Deutschland die Frage laut, wie es in Sachen Rundfunkfinanzierung weitergehen könnte.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Halten Sie Werbung bei den öffentlich-rechtlichen Sendern angesichts der Gebührensituation in Deutschland noch für gerechtfertigt?

Bisky: Das Bundesverfassungsgericht war immer der Meinung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Beitrag zur Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung liefern soll. Sicher, Werbung informiert und unterhält, prägt sogar die Kultur. Doch Werbung gehört – unabhängig von der Höhe der Rundfunkgebühr – nicht zur Grundversorgung. Wer Werbung ausstrahlt, baut um die Werbung ein Programm, dass die Werbung der Zielgruppe der Werbetreibenden zuführt. Somit unterwerfen sich ARD und ZDF dem Kommerz und sind nicht mehr unabhängig. Wer eine Magd des Marktes ist, kann nicht frei sein.
 
DF: Was halten Sie von dem Vorschlag, die entstehenden Einnahmeausfälle bei den Sendern – wie von Sarkozy vorgeschlagen – durch eine Steuer von ungefähr 0,9 Prozent auf die Umsätze der Festnetz-, Mobil- und Online-Anbieter zu ersetzen?

Bisky: Die Deutsche Telekom, Arcor, Vodafone Deutschland, O2-Germany sowie E-Plus machten in diesem Bereich im Jahr 2007 einen Umsatz von ungefähr 40 Milliarden Euro. Somit würden bei einer Umlage von 0,9 Prozent 360 Millionen Euro zusammenkommen. Allerdings ist man bei einer solchen Kopplung von konjunkturellen Schwankungen abhängig. Sinkende Umsätze könnten dann Programmkürzungen zur Folge haben.
 
Meiner Meinung nach sollten Telekommunikationsunternehmen, aber auch Plattformbetreiber sowie auch die werbetreibende Industrie eine Abgabe auf ihren Umsatz zahlen, der in eine Medienstiftung geht, die innovative sowie besondere Formate bzw. Medien, die öffentlich-rechtlichen Ansprüchen genügen und einen Public Value liefern, unterstützt.
 
DF: Präsident Nicolas Sarkozy sieht ja vor, die Werbung in Frankreich ab Dezember 2011 vollständig abzuschaffen. Wäre dies auch ein Modell für Deutschland? Wenn ja, wie sollten in Deutschland Ihrer Meinung nach die öffentlich-rechtlichen Sender finanziert werden?
 
Bisky: Dies könnte man in Deutschland schon bis zum Jahresende 2008 umsetzen, wenn es die Ministerpräsidenten denn wollen. Allerdings haben diese vor, diese Entscheidung bis zum Jahre 2012 zu verschieben. Zum einen sehen wir innerhalb von ARD und ZDF enorme Sparpotentiale, so durch einen gemeinsamen Einkauf, durch die Reduzierung der Spitzenhonorare für Moderatoren und Moderatorinnen bzw. die Reduzierung der Doppelberichterstattung. Zudem könnte eine Verschlüsselung der Satellitenausstrahlung, wie sie SRG (Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG, Anm. d. Red.) und ORF praktizieren, die Kosten für Rechte reduzieren.
 
Außerdem schlagen wir vor, dass die Einnahmeausfälle durch Befreiungen von den befreienden Stellen übernommen werden. Dies würde über 1,60 Euro je Gebührenzahlendem und Monat ausmachen und würde den angeblichen Einnahmeausfall durch Werbung von 1,42 Euro je Gebührenzahlendem und Monat mehr als ausgeglichen werden. Allerdings sind ARD und ZDF bis heute den Beweis schuldig geblieben, dass die Werbeeinnahmen im Vorabendprogramm die zusätzlichen Ausgaben für dieses Werberahmenprogramm überhaupt decken.
 
DF: Würde mit einem Werbeverbot die Qualität der Sendungen beeinträchtigt?
 
Bisky: Mit einem Werbeverbot würde sich die Qualität der Sendungen erst einmal nicht ändern. Die Redaktionen müssten jedoch umschalten: Weg von der Quoten- und Zielgruppenorientierung. Mit einem Werbeverbot würden wir dann in Zukunft vor solch teuren Reinfällen wie der Styling-Show mit Bruce Darnell verschont bleiben. Eine neue Qualität würden Werbung und Programm allerdings dann bieten, wenn die Hersteller den Sendern erlaubten, die Produkte kritisch zu überprüfen und auf diesen Tests aufbauend Werbespots zu produzieren und somit die redaktionelle Hoheit für die Spots an die Sender abzutreten.
 
DF: Herr Bisky, vielen Dank für das Gespräch.
 
Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen. [ar]

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61 Kommentare im Forum

  1. AW: "Werbung gehört nicht zur Grundversorgung" Na ja, ob man nun einen Aufschlag auf die GEZ-Gebühr oder die Werbung über die Produkte die man kauft bezahlt, bleibt letztlich das gleiche.
  2. AW: "Werbung gehört nicht zur Grundversorgung" Nicht ganz. Ich bestimme, was ich einkaufe und die Ausgaben liegen in meinem Kontrollbereich. Bei einer Zwangsbebühr trifft davon nichts mehr zu, es entzieht sich völlig meiner Kontrolle. Gebühr mit Werbung als Einnahmequelle gleichzusetzen ist definitiv falsch.
  3. AW: "Werbung gehört nicht zur Grundversorgung" Ausserdem würde es ja dann keine Mainzelmännchen mehr geben, das beste am Werbefernsehen.
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