„Ferkel oder Bürokrat?“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Pornographie wird nach einem Entscheid der Landesmedienanstalten als so genannter „Mediendienst“ auch hierzulande im Fernsehen möglich. DIGITAL FERNSEHEN sprach dazu mit Prof. Kurt-Ulrich Mayer, Präsident des Medienrates der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) und Mitglied der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM)

DF: Herr Prof. Mayer, könnte Erotic Media gerichtlich dagegen vorgehen, wenn die Unbedenklichkeitsbestätigung nicht erteilt wird?
 
Mayer: Es ist durchaus denkbar, dass Erotic Media im Falle der Nichterteilung einer Unbedenklichkeitsbestätigung, die Frage, ob ihr Angebot tatsächlich dem Rundfunkbegriff zuzuordnen ist, gerichtlich klären lässt. In diesem Falle wäre der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet, weil es sich um eine Rechtsstreitigkeit auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts handeln würde.
 
 
DF: Welche Kontrollen oder behördlichen Auflagen gelten für den Rundfunk, die bei Mediendiensten entfallen?
 
Mayer: Private Rundfunkveranstalter bedürfen einer Lizenz durch die zuständige Landesmedienanstalt (LMA). Mediendienste unterliegen hingegen keinem Lizenzierungsverfahren. Gleich wohl gilt: Auch Mediendienste sind nicht ohne Aufsicht, denn sie unterliegen dem „Jugend-Medienschutz-Staatsvertrag“. Eine Kontrolle erfolgt, zunächst einmal, durch zertifizierte Einrichtungen der Selbstkontrolle und daneben durch die „Kommissionfür Jugend- und Medienschutz“ (kurz KJM genannt), die als Organ der jeweils zuständigen LMA handelt. Das Ganze folgt dem Prinzip der so genannten „regulierten Selbstkontrolle“.
 
 
DF: Wie schätzten die LMAs den Antrag der Erotic Media ein?
 
Mayer: Eine deutliche Mehrheit war der Auffassung, dass das bisher vorliegende Angebot von Erotic Media, dem Rundfunkbegriff zuzuordnen ist. Etwa 2/3 der Mitglieder in der DLM war jedoch zugleich der Meinung, dass ein verändertes Angebot, etwa in der Weise, dass Filme im Video-On-Demand-Verfahren einzeln abgerufen und einzeln bezahlt werden, nicht mehr als Rundfunk sondern, als Mediendienst zu qualifizieren sind. Nach meiner Auffassung ist das eine rechtlich sehr schwierige Frage – egal, wie man sich entscheidet: Man hat quasi die Alternative als „Ferkel“ oder als „Bürokrat“ beschimpft zu werden.
 
 
DF: Öffnet der DLM-Beschluss nun „Tür und Tor“ für pornografische Angebote aus Deutschland?
 
Mayer: Ein eindeutiges „NEIN“. Denn auch für Mediendienste gilt, dass Pornografie nur innerhalb von geschlossenen Benutzergruppen verbreitet werden darf. Das heißt: Pornografie muss für Jugendliche und Heranwachsende unzugänglich sein. Und die Anforderungen für eine geschlossene Benutzergruppe sind sehr hoch. Diese werden durch die KJM festgelegt. Die KJM hat auch die Kontrolle darüber, ob eine geschlossene Benutzergruppe vorliegt. Die Mindestanforderungen an ein effektives Altersverifikationssystem sind, dass eine Face-to-Face-Kontrolle, beispielsweise nach dem Post-Ident-Verfahren, erfolgt und daneben bei jeder Bestellung ein persönlicher Code einzugeben ist.
 
 
DF: Sind die, von der Primacom AG beantragten und nun genehmigten, Kanäle (Erotik first) ebenfalls als „Mediendienst“ einzustufen, dürfen also pornografische Inhalte darüber ausgestrahlt werden?
 
Mayer: Primacom hat ja für ihre Programme einen Lizenzantrag an die LMA in Sachsen gestellt. Damit geht Primacom selbst davon aus, dass sie Rundfunk veranstalten will. Primacom hat versichert, in diesem Programmangebot nur Erotik zu verbreiten. Im Gegensatz zu Pornografie ist die Verbreitung von Erotik im Rundfunk zulässig. Dementsprechend wurde in der Sitzung des Medienrates der SLM das Primacom-Angebot am vergangenen Montag lizenziert.
 
 
DF: Was wäre aus Ihrer Sicht ein idealer Jugendschutz bei bedenklichen Inhalten? Welche Möglichkeiten haben die LMAs, um auf die Inhalte der Sendungen weiterhin Einfluss zu nehmen?
 
Mayer: Ich bin der Auffassung, dass der „Jugend-Medienschutz-Staatsvertrag“ ein richtiger Schritt gewesen ist, weil er in der Tat nun auch den gesamten Bereich der Tele-Medien einer wirksameren Aufsicht unterzieht. Wenn gerade im Bereich des Internets, das ja nur sehr schwer kontrollierbar ist, zumindest für Deutschland erreicht worden ist, dass hier Sicherheitsmechanismen, wie die geschlossene Benutzergruppe oder bei Jugend beeinträchtigenden Angeboten, Jugendschutzprogramme gefordert werden und dass diese auch entsprechend kontrolliert werden, dann ist das zunächst mal ein richtiger Schritt. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag hat auch Erprobungscharakter, d.h. seine Bestimmungen werden nach drei bzw. fünf Jahren dahingehend überprüft, ob sie sich in der Praxis bewährt haben. Dies ist zunächst erst einmal abzuwarten.
 
DF: Vielen Dank für das Gespräch.
 [sg]

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