„Ich will, dass die Bearbeitung der Befreiungen vor Ort übernommen wird“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Wie die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) transparenter werden könnte, unter anderem darüber sprach DIGITAL FERNSEHEN mit dem Medienexperten der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Heiko Hilker.

Wie soll es weitergehen mit der GEZ? Es wird derzeit viel über einen Systemwechsel diskutiert. Soll die Rundfunkgebühr pro Haushalt oder pro Kopf berechnet werden? Und wäre eine Verteilung der Gebühren nach dem Bedarf der Anstalten oder anhand der Einnahmen im Sendegebiet sinnvoller?

DIGITAL FERNSEHEN: Es wird immer wieder die Forderung laut, die GEZ solle transparenter werden. Was genau sollte Ihrer Meinung nach transparenter werden?
 
Heiko Hilker: Die GEZ ist die größte Datensammelbehörde, faktisch ein „Zentrales Sozialdatenregister Deutschlands“. Ich will, dass die Bearbeitung der Befreiungen wieder von den Ämtern vor Ort übernommen wird. Durch einen Datenaustausch mit der GEZ, bei der diese nur die Namen der Befreiten erfährt, wird das Befreiungsverfahren vereinfacht. Auch der automatische Melderegisterabgleich und die Weiterleitung der Daten bei Umzug ist unnötig.
 
Zudem werden die Gebührenbeauftragten der Anstalt nicht mehr als Selbständige auf Provisionsbasis bezahlt, sondern bei den Sendern festangestellt und einem Kodex unterworfen. Dann braucht man gar nicht Schlichtungsstellen mit den Verbraucherzentralen einzurichten, für die der WDR und der NDR diesen wiederum Gebührenmittel zukommen lassen. Anstatt die eigene Arbeitspraxis zu verändern, werden hier weitere Strukturen geschaffen und aus Gebührenmitteln finanziert. Die Rundfunkgebühr ist dazu da, gutes Programm zu machen und nicht Fehlverhalten der Gebührenbeauftragten durch Dritte aufarbeiten zu lassen.
 
DF: Derzeit ist der Gebühreneinzug Sache der Länder. Was halten Sie von dem Vorschlag, ein System zu finden, welches in Hoheit des Bundes liegt?
 
Hilker: Die GEZ agiert doch faktisch wie eine Bundesbehörde. Sie zieht bundesweit von allen Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahlern die Rundfunkgebühren ein. Allerdings hat sie einen schlechteren Ruf als viele Bundesbehörden. Die Hoheit soll bei den Rundfunkanstalten bleiben, zeigen sie doch mit ihrem Umgang, wie wichtig ihnen der einzelne Gebührenzahler ist.
 
DF: Ein Teil der Zuschauer ist der Meinung, dass die Gebühren weniger in Fußball-Rechte und stattdessen mehr in eigene Filme und eigene Dokumentationen investiert werden sollten. Sind Sie auch dieser Meinung?
 
Hilker: Die Kommission zur Ermittlung der Finanzen hat festgestellt, dass Fußball, Premiumfilme und Unterhaltungsshows sechs- bis achtmal so teuer sind wie zum Beispiel Kultur oder Information. Durch eine Verschiebung der Relationen, also weniger Fußball und Unterhaltung, im Programm könnte man so Geld einsparen. Wenn so 100 Millionen Euro freigesetzt würden, könnte zum Beispiel der RBB sein Radio Multikulti fortführen.
 
DF: Es wird von Systemwechsel gesprochen. Was halten Sie von dem Vorschlag, eine Pauschalabgabe für die Rundfunkgebühr zu erheben, die sich pro Haushalt oder pro Kopf berechnet?
 
Hilker: Die jetzige Rundfunkgebühr ist einer Abgabe je Haushalt vergleichbar. Allerdings muss derjenige, der keinen Rundfunk empfängt, nichts zahlen. Dies sind immerhin eine Million Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Ich bin gegen eine pauschale Abgabe unabhängig von der Nutzung, die dann damit begründet wird, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die Demokratie notwendig ist. Vor 50 Jahren gab es gerade eine Million Fernseher in Deutschland. Viele sahen beim Nachbarn fern. Niemand wäre auf die Idee gekommen, auch von diesen eine Rundfunkgebühr zu verlangen. Einigen geht es darum, hier ein zusätzliches Gebührenpotential zu heben. Eine Million zusätzliche Gebührenzahler à 17,98 Euro im Monat machen 215,76 Millionen Euro im Jahr zusätzlich.
 
DF: Welches Gebührenmodell präferieren Sie – eine Verteilung der Gebühren am Bedarf der Anstalten oder an den Einnahmen im Sendegebiet?
 
Hilker: Bisher ist es so, dass, wenn alle ARD-Anstalten ein Projekt mit je zehn Millionen Euro anmelden und von der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, Anm. d. Red.) bewilligt bekommen, der WDR fast 20 Millionen Euro ausgezahlt bekommt, während z.B. der MDR bei acht Millionen Euro und der Saarländische Rundfunk bei einer Million Euro liegt.
 
Im Brüsseler Kompromiss wurde festgelegt, dass es zu keiner Überkompensation einzelner Anstalten kommen darf. Über den Bedarf hinaus gezahlte Gebühren sind in der nächsten Periode entsprechend anzurechnen. Im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag ist ein Finanzausgleich zwischen den Anstalten aufzunehmen, der eine dem anerkannten Bedarf entsprechende Finanzierung garantiert – wenn die ARD-Anstalten dies nicht allein regeln können.
 
DF: Was halten Sie vom Vorschlag, Daten eines Käufers von Rundfunk-Empfangsgeräten (Fernseher, Computer, Handy) direkt an die GEZ übermitteln, um herauszufinden, ob der Nutzer bereits zahlt?
 
Hilker: Gar nichts, da die meisten Käufer sowieso schon die Rundfunkgebühr bezahlen. Was ist denn, wenn auch Kühlschränke und Dunstabzugshauben Empfangsgeräte beinhalten? Letztlich wird doch so bei der GEZ ein Konsumprofil erstellt. Keiner muss wissen, in welchen Geräten ich welche Empfangsgeräte habe.
 
DF: Sollte es eine GEZ-Steuer geben?
 
Hilker: Nein, ich möchte nicht, dass jeder und jede bezahlen müssen, obwohl sie keinen Rundfunk empfangen wollen. Früher reichte es aus, keinen Fernseher und kein Radio zu haben. Obwohl in den 50er Jahren fast alle Fernsehen gesehen haben, wenn auch beim Nachbarn, mussten sie nur bezahlen, wenn sie einen Fernseher in ihrer Wohnung hatten.
 
Nur deshalb, weil ich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk über alle möglichen Wege empfangen kann, muss ich doch nicht gleich dafür bezahlen. Es muss ja auch nicht jeder eine Zeitungssteuer bezahlen, obwohl er an jeder Ecke eine Zeitung kaufen oder gar in jedem Warteraum einer Arztpraxis einsehen kann.
 
Und man muss auch keine Steuer für die Berliner Zeitung, den Kölner Stadtanzeiger oder den Freitag abführen, obwohl diese ihr gesamtes Zeitungsangebot im Internet kostenlos zur Verfügung stellen. Wenn ARD und ZDF sich über alle möglichen Wege verbreiten, können sie sich aber nur die Nutzung bezahlen lassen. Sie müssen also die Verschlüsselung einführen.
 
Damit könnten sie sich auch ihre Zukunft sichern. Eine öffentlich-zugängliche Plattform mit einer entsprechenden Verschlüsselung, auf der alle hiesigen öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Unternehmen ihre frei empfangbaren Programme anbieten, würde Standards setzen – insbesondere beim Datenschutz. Zudem könnten ARD und ZDF Rechtekosten sparen.
 
DF: Herr Hilker, vielen Dank für das Interview. [ar]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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3 Kommentare im Forum

  1. AW: "Ich will, dass die Bearbeitung der Befreiungen vor Ort übernommen wird" Kodex der Eintreiber Schönes Ding. Gott Ehre Vaterland, oder so....
  2. Herr Hilker: Wissen Sie eigentlich, wovon Sie reden??? Sehr geehrter Herr Hilker, die GEZ ist keine "Behörde", sondern ein juristisch zweifelhafter Konstrukt, den ein Bürger so nie installieren könnte. Sie fordert Gebühren, weigert sich aber, einen Bescheid dafür auszustellen. Die GEZ ist eine sehr fragwürdige "Veranstaltung". Wenn Sie meinen, dass nur der zahlen soll, der auch fernsieht: Warum gelten Gesetze dann auch für die, die nicht wählen gehen? Warum muss ich Steuern für "den Osten" zahlen, obwohl ich da nicht wohne? ... Weil wir ein Volk, ein Team sind, das zusammensteht. Und "Ausgleich" funktioniert nun mal mit Geld. "Beim Nachbarn kucken kostet nix" - Herr Hilker: Wenn Sie ein Brötchen direkt beim Bäcker essen, ist es nicht kostenlos. Wer nur beim Nachbarn schaut, ist "Gebührenpreller" (und Nachbarschreck). Es braucht weder eine "Behörde", noch "Gebührenbeauftragte", damit der ÖR sein Geld bekommt. Wenn jeder Bürger, der Steuern zahlen muss (also über der Mindestgrenze liegt), 10 EUR/Monat bezahlt, (1) trifft es keine Schwachen, (2) ist das ein Beitrag zu den Leistungen des Sozialstaats, (3) kommt in etwa der gleiche Betrag wie jetzt zusammen. Dabei entfallen die entwürdigenden Prüfungen auf Befreiung (egal ob durch GEZ oder Behörde, beides ist peinlich!) und viele sinnlose Kosten, die dann wieder dem Programm zugute kommen. Und wenn das Finanzamt bei strikter Trennung von Kirche und Staat die Kirchensteuer einsammeln darf, frage ich mich, wo das Problem sein soll, das auch mit Rundfunkgebühren zu tun. Das ist eine Dienstleistung. Wer anderes behauptet, stellt das Grundgesetz, sowie die Integrität der Finanzämter und Bürgervertreter ("Politik") in Frage. Mfg Norbert Simon Mediensprecher RFGZ.de
  3. Herr Hilker: Wissen Sie eigentlich, wovon Sie reden??? Durch Browserfehler doppelt gepostet - das muss ja nicht sein. S.o.
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