Interview: ARD wird für Fußball-Bundesliga nicht jeden Preis zahlen können

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Leipzig – Am 30. August 1998 starteten die Fernseh- und Radioprogramme des aus dem Süddeutschen Rundfunk (SDR) und dem Südwestfunk (SWF) entstandenen Senders Südwestrundfunk (SWR).

DIGITAL FERNSEHEN sprach mit SWR-Intendant Peter Boudgoust über die Entwicklung des Senders und seine Pläne, die er als ARD-Vorsitzender umsetzen will.

Wie DIGITAL FERNSEHEN gestern berichtete zeigt der SWR zum zehnjährigen Jubiläum eine Programmwoche mit vielen Erinnerungen vom 1. bis 7. September. Im Gespräch mit DF verrät Peter Boudgoust nicht nur seine Einschätzung zum heutigen Stand des Senders, sondern gibt auch seine Meinung zur Fußball-Bundesliga-Debatte und zum Thema Internet-Präsenz der Öffentlich-Rechtlichen preis.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Boudgoust, vor zehn Jahren startete der SWR, der aus dem SWF und dem SDR hervorgegangen ist. Seit einem Jahr sind Sie der Intendant des Senders. Wie würden Sie die bisherige Entwicklung des SWR, von der Gründung bis heute, beschreiben?
 
Peter Boudgoust: Der SWR hat sozusagen eine „Idealgröße“ für einen Sender und produziert im Vergleich zu seinen Vorgängeranstalten deutlich synergetischer. Weil wir auf Übertragungswagen, Archive, Play Out Center etc. gemeinsam zugreifen, sparen wir eine Menge Geld, das dann ins Programm fließen kann.
 
Die Fusion hat aus zwei mittelgroßen Landesrundfunkanstalten den zweitgrößten Sender der ARD gemacht. Und diese Rolle nimmt der SWR auch wahr: Wir sind „der“ Dokumentationssender in der ARD; wir liefern jährlich sieben „Tatorte“ aus drei südwestdeutschen Städten; wir berichten aus unserem Studio in Kairo für die gesamte ARD über den arabischen Raum inklusive Irak. SWR 3 ist Deutschlands meistgehörtes Radioprogramm, und das zentrale Portal ARD.de wird vom SWR verantwortet. Auch für viele technische Themen wie zum Beispiel den sogenannten Video File Transfer ist der SWR Federführer in der ARD -mit großem Erfolg.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Wo sehen Sie unbedingt noch Nachholbedarf?
 
Peter Boudgoust: Wir können noch etwas frischer und wagemutiger werden, was unsere Programme angeht: Ein bisschen „Versuch und Irrtum“ kann nicht schaden, gerade wenn man als Sender auch das junge Publikum verstärkt ansprechen möchte. Programme wie „Dasding“ und die Fernsehsendungen „Kuttners Kleinanzeigen“ oder unser landespolitisches Magazin „Zur Sache Baden Württemberg!“ gehen da schon in die richtige Richtung.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Wurde und wird der öffentlich-rechtliche Auftrag vom SWR in vollem Maße erfüllt, was denken Sie?
 
Peter Boudgoust: Davon bin ich überzeugt! Unser Auftrag lautet, zu informieren, zu bilden und zu unterhalten: Die Informationssendungen unserer Hörfunkprogramme nutzen täglich mehr als 50 Prozent der Menschen im Südwesten. Unser Drittes Fernsehprogramm hat den höchsten Kulturanteil aller Dritten Programme. Und Ulrike Folkerts ist als Lena Odenthal die beliebteste „Tatort“-Ermittlerin. Man sieht: Der SWR ist in allen wesentlichen Programmsparten hoch erfolgreich.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Wie steht der SWR zum Thema HDTV?
 
Peter Boudgoust: Die Linie der öffentlich-rechtlichen Sender ist ja bekannt: ARD und ZDF werden mit den Olympischen Winterspielen 2010 – parallel zur SDTV-Verbreitung – in den Regelbetrieb der HDTV-Verbreitung einsteigen. Bis dahin führen unsere Experten sogenannte Showcases wie jetzt gerade während der IFA durch, mit denen sie auch testen, wie HDTV-Angebote beim Publikum ankommen. Wir prüfen außerdem die erforderliche Technik und rüsten unsere Produktionskette sukzessive um. Ein weiterer Wegstein wird die Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 in Berlin. Sie wird von ARD und ZDF auch im HDTV-Format ausgestrahlt.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Ab 2009 werden Sie für zwei Jahre den ARD-Vorsitz übernehmen. Was haben Sie in Ihrer Amtszeit vor, welches Projekt möchten Sie als erstes angehen?
 
Peter Boudgoust: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich mich dazu erst nach der Übergabe des Vorsitzes im Detail äußern möchte. Klar ist, dass ich von meinem Vorgänger in diesem Amt, dem SR-Intendanten Fritz Raff, ein hervorragend bestelltes Feld übernehme – und das in einer schwierigen Zeit: Die ARD ist im Moment einer massiven, interessengeleiteten Kampagne von Seiten der Verleger ausgesetzt. Hier werde ich mich wie Fritz Raff für mehr Dialog und weniger Polemik einsetzen.
 
Denn nur gemeinsam wird es Verlegern, Privatsendern und öffentlich-rechtlichen Medien gelingen, die Zukunft unseres qualitativ hervorragenden deutschen Mediensystems zu sichern. Wir alle können kein Interesse daran haben, dass internationale Investoren die deutsche Medienlandschaft zur Spielwiese ihrer Renditephantasien machen.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Was möchten Sie unbedingt am ARD-Programm ändern?
 
Peter Boudgoust: Das Erste ist eines der erfolgreichsten Fernsehprogramme in Deutschland und war im ersten Halbjahr 2008 wieder einmal Marktführer. Es gibt aber auch hier ein paar Dinge, die wir noch verbessern können. Zum Beispiel brauchen die „Tagesthemen“ eine verlässliche Anfangszeit. Darüber sind wir uns auch im Intendantenkreis einig und suchen nun nach einer Lösung, mit der alle Sender leben können.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Die öffentlich-rechtliche Präsenz im Internet soll per Gesetz beschränkt werden. Wie stehen Sie dazu?
 
Peter Boudgoust: Die derzeit vorliegende Entwurfsfassung des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags sieht Einschränkungen im Bereich der digitalen Verbreitung unserer Programme vor, die inhaltlich nicht begründet sind und die wir als Sender unseren Gebührenzahlern nicht vermitteln können. Warum soll ich einen Filmbeitrag über den Landtagswahlkampf in Bayern noch sieben Tage im Internet abrufen dürfen, am achten Tag aber nur noch Schwarzbild sehen? Das konterkariert die Bestrebungen der Politik, Deutschland fit zu machen für die Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Ich weiß aber, dass viele Politiker das genauso sehen wie wir und hoffe, dass sich die Besonnenen am Ende durchsetzen.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Was denken Sie, wird die ARD die Bundesliga behalten? Was sind Sie bereit zu zahlen?
 
Peter Boudgoust: Das hängt von der Deutschen Fußball-Liga ab. Wir sind natürlich interessiert an diesen hochattraktiven Programminhalten, werden aber nicht jeden Preis zahlen können.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Es ist zu lesen, dass Sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf das Portal Youtube holen möchten. Warum planen Sie diese Aktion, was versprechen Sie sich davon?
 
Peter Boudgoust: Unsere Inhalte sind ja längst auf Youtube zu finden. Ganz offenbar sucht uns also unser Publikum auf solchen Plattformen. Da wäre es arrogant, diesen Wunsch nach unseren Inhalten zu ignorieren. Wenn das Umfeld stimmt – die Inhalte müssen zum Beispiel auch langfristig kosten- und werbefrei sein -, habe ich deshalb nichts gegen einen ARD-Channel.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Boudgoust, vielen Dank für das Interview. [mw]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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