Interview: „GEZ keine Institution die Beliebtheitswettbewerb gewinnen würde“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Die Meldung, dass Lebensmitteldiscounter nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Baden-Württemberg künftig keine Rundfunkgebühr für originalverpackte Radios und Fernseher zahlen müssen, hat nicht nur im DF-Forum hohe Wellen geschlagen.

Der SWR legte daraufhin Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein und verwies auf die theoretische Möglichkeit, dass Geräte ausgepackt und getestet werden könnten. Über die genauen Hintergründe der Klage, Gebührentatbestände und Image der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) unterhielt sich DIGITAL FERNSEHEN mit Jürgen Gruhler, dem Leiter der Abteilung Rundfunkgebühren beim SWR.

DIGITAL FERNSEHEN: Der SWR hat beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Revision (Az.: BVerwG 6 C 23.08) gegen das Urteil eingelegt, dass Lebensmitteldiscounter künftig keine Rundfunkgebühr für originalverpackte Radios und Fernseher mehr zahlen müssen (Az.: 2 S 700/07). Was stört Sie konkret an diesem Urteil?
 
Jürgen Gruhler: Abgesehen davon, dass die Revision derzeit lediglich zur Fristwahrung eingelegt wurde, es also noch nicht ganz klar ist, ob das Verfahren von unserer Seite überhaupt tatsächlich weiter betrieben wird, können wir die
Entscheidung an mehreren Stellen nicht ganz nachvollziehen:
 
Zum einen werden mit dem Urteil in einer Art Rundumschlag sämtliche originalverpackte Geräte, für die keine Möglichkeit zur Vorführung oder Prüfung besteht, von der Gebührenpflicht freigestellt. Dies geschieht unabhängig davon, ob sie wie im konkreten Fall von einem Discounter im Rahmen einer Sonderverkaufsaktion angeboten werden oder aber von einem anderen Unternehmen, gleich welcher Art, das mit der Herstellung, dem Verkauf, dem Einbau oder der Reparatur solcher Geräte befasst ist.Diese Entscheidung reicht also weit über den konkreten Fall hinaus, scheint aber nicht bis zum Ende durchgedacht zu sein, da z.B. Reparaturfirmen zur Ausführung ihrer Arbeit die Geräte nicht verpackt lassen können. Im Ergebnis könnte diese Rechtsprechung folglich dazu führen, dass große Elektroanbieter oder sonstige Discounter, die Geräte gezielt nur originalverpackt anbieten, nicht von der Gebührenpflicht erfasst sind, während kleine Elektrobetriebe, die Installationen und Reparaturarbeiten durchführen, zumindest zur Zahlung einer so genannten gesetzlichen Händlergebühr verpflichtet bleiben, bei der eine Gebühr für alle Geräte anfällt, die auf demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zu Prüf- oder Vorführzwecken zum Empfang bereit gehalten werden.
 
Zum anderen wird mit dem Urteil ein neues Tatbestandsmerkmal der Gebührenpflicht geschaffen, das sich nicht aus dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag ergibt. Nach Ansicht des Gerichtes werden nämlich solche Geräte nicht zum Empfang bereit gehalten und sind damit nicht gebührenpflichtig, die lediglich zum Verkauf angeboten werden, aber mangels Entfernung der Originalverpackung nicht zu Prüf- und Vorführzwecken genutzt werden sollen. Es geht also angeblich darum, in welcher Form die Discounter, Läden und Betriebe die Geräte nutzen und anbieten wollen. Damit wird ein rein subjektives Kriterium – die Nutzungsabsicht – konstruiert, obwohl es nach dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag für die Gebührenpflicht lediglich objektiv darauf ankommt, ob ein Gerät zum Empfang bereit gehalten wird.
 
DF: Die allgemeine Unzufriedenheit auf die GEZ wird durch solche Klagen noch verstärkt. Sind Sie sich dessen bewusst? Mit welchen Argumenten treten Sie
Ihren Kritikern entgegen?
 
Gruhler: Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass die GEZ keine Institution ist, die einen Beliebtheitswettbewerb gewinnen würde. Das liegt vor allem daran, dass die GEZ (potentielle) Rundfunkteilnehmerinnen und -teilnehmer
auf ihre Verpflichtung zur Anmeldung ihrer Geräte und die daraus resultierende Gebührenpflicht aufmerksam macht.Die GEZ hat also in vielen Fällen die undankbare Aufgabe, auf Verpflichtungen hinzuweisen und diese im Zweifel auch durchzusetzen. Für die meisten Menschen ist dies noch nicht einmal ein Problem, denn im privaten Bereich kommen neun von zehn Personen der gesetzlichen Gebührenpflicht völlig problemlos nach. Allerdings schimpfen erfahrungsgemäß die Personen besonders laut auf die GEZ, die z.B. als so genannte „Schwarzseher“ identifiziert werden und für den entsprechenden Zeitraum nachträglich Rundfunkgebühren zahlen müssen. Diese Reaktion hat häufig mehr mit dem Gefühl zu tun, „erwischt“ worden zu sein, als mit berechtigter Kritik. Das mag menschlich nachvollziehbar sein, ändert aber nichts an der gesetzlich bestehenden Gebührenpflicht.
 
Darüber hinaus wird die GEZ auch deshalb häufig negativ bewertet, weil die von dort kommenden schriftlichen Äußerungen sehr unpersönlich wirken oder die Telefon-Hotline häufig besetzt ist. Dies hat seinen einfachen Grund darin, dass die GEZ als Rechenzentrum der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland die Aufgabe hat, ca. 42 Millionen Teilnehmerkonten zu verwalten und zu betreuen. So fielen z.B. im Jahr 2006 täglich ca. 93 000 Geschäftsvorgänge an, auf die schriftlich, telefonisch oder über elektronische Kommunikationsmittel zu reagieren war. An diesen Zahlen hat sich bisher nicht viel geändert. So kam esz.B. im Jahr 2007 zu durchschnittlich 375 000 Telefonaten im Monat. Insgesamt ist damit klar, dass die Arbeit der GEZ in vielen Teilen ein Massengeschäft darstellt.
 
Selbstverständlich sind alle Beteiligten bemüht, den Ablauf reibungslos zu gestalten und auf Anfragen möglichst persönlich einzugehen, aber in Anbetracht des Arbeitsaufkommens kann dies nicht immer geleistet werden oder ist eben manchmal mit Wartezeiten verbunden, was bei den betroffenen Teilnehmern verständlicherweise zu Frust führen kann. Gerade im letzten Jahr konnte der vor allem durch Änderungen der gesetzlichen Grundlagen und des Befreiungswesens angelaufene Rückstand in der Sachbearbeitung aber deutlich abgebaut werden, so dass die eingehende Kundenpost in der Regel nunmehr innerhalb von etwa zehn Tagen bearbeitet werden kann. Die Kommunikation mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird zudem ständig weiter optimiert, indem z.B. nach und nach verbesserte Internetformulare abrufbar sind und die Telefonerreichbarkeit der GEZ durch neue Technik erhöht wird.
 
Zu gerichtlichen Verfahren kommt es im übrigen nicht immer, weil die Rundfunkanstalten so gerne streiten, sondern in vielen Fällen sind wir selbst lediglich die Beklagten. Auch im konkreten Fall haben nicht wir die erst- und zweitinstanzliche Entscheidung angefordert, sondern sind verklagt worden.
 
DF: Wenn bereits verpackte Geräte, die nicht zur Vorführung vorgesehen sind, Rundfunk-Gebühren kosten sollen, wie weit gehen Ihrer Meinung nach zukünftige Forderungen noch?
 
Gruhler: Die Frage nach zukünftigen Tatbeständen, mit denen die Gebührenpflicht ausgelöst wird, können wir als Rundfunkanstalten nicht wirklich
beantworten, da dies in die ausschließliche Zuständigkeit und Verantwortung der Landesgesetzgeber fällt. Der Rundfunkstaatsvertrag wird von den Landtagen der Bundesländern ratifiziert und danach von uns in der täglichen Arbeit angewendet. Unbestimmte Rechtsbegriffe finden ihre Ausfüllung häufig durch Gerichtsentscheidungen, an die wir im Zweifel ebenfalls gebunden sind.
 
Wir sind als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten zwar immer wieder mit den Rundfunkreferenten der Länder im Gespräch und weisen dabei auf unsere
Praxiserfahrungen bzw. gehäuft auftretende Problemfälle, unserer Meinung nach unzureichende oder fehlende gesetzliche Regelungen und auch Ungerechtigkeiten im Rahmen der derzeitigen Rechts- und Gesetzeslage hin, können den Rundfunkgebührenstaatsvertrag aber natürlich nicht abändern oder um neue Tatbestände erweitern.
 
DF: Auf der diesjährigen IFA werden auch Kühlschränke mit integriertem Fernseher vorgestellt. Sind diese zwingend rundfunkgebührenpflichtig?
 
Gruhler: Nach der derzeitigen Gesetzeslage sind Rundfunkempfangsgeräte alle Geräte, mit denen Rundfunkprogramme unabhängig vom Empfangsweg empfangen oder aufgezeichnet werden können. Dazu gehören neben herkömmlichen Radios und Fernsehgeräten auch neuartige Rundfunkgeräte, wie z.B. Rechner, mit denen Rundfunkprogramme über das Internet wiedergegeben werden könne oder Mobiltelefone mit UMTS-Anbindung.
 
Ob ein Rundfunkgerät an ein weiteres technisches Gerät wie einen Kühlschrank, eine Waschmaschine oder einen Backofen gekoppelt ist, spielt für die Frage der Gebührenpflicht keine Rolle. Sobald mit Hilfe der gesamten technischen Einrichtung neben weiteren Funktionen zumindest auch Rundfunkdarbietungen empfangen oder aufgezeichnet werden können, besteht die Anmelde- und Gebührenpflicht. Allerdings hat die Frage nach Kühlschränken oder sonstigen Geräten, mit denen auch Rundfunkdarbietungen empfangen werden können, in der Praxis keine große Relevanz. Statistisch gesehen verfügt bereits jeder private Haushalt in Deutschland über ein herkömmliches oder neuartiges Rundfunkgerät, so dass weitere Geräte sowieso unter die Zweitgerätefreiheit fallen würden. Folglich wären Aussagen wie „Jetzt sind auch Kühlschränke gebührenpflichtig“ nicht ohne weiteres zutreffend.
 
DF: Herr Gruhler, wir danken Ihnen für dieses Interview. [cg]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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32 Kommentare im Forum

  1. AW: Interview: "GEZ keine Institution die Beliebtheitswettbewerb gewinnen würde" Die Frage ist wirklich wichtig zu stellen, die Antwort ist ein Witz. Am liebsten wäre diesen Leuten bestimmt wenn eine beliebige Auswahl Elektronikkomponenten, aus denen ein "Empfangsgerät" gebastelt werden kann, ebenfalls abgabepflichtig wird. Es wird wirklich Zeit diesem Wahn ein Ende zu setzen. Nein, ich meine nicht zwingend GEZ abschaffen. Aber diesem Verein müssen Grenzen gesetzt werden. Verurteilung vor der Tat (Abgaben für originalverpackte Teile)...echt unfassbar. Das als Abzocke zu bezeichnen ist ja noch freundlich.
  2. AW: Interview: "GEZ keine Institution die Beliebtheitswettbewerb gewinnen würde" einfach die fernsehgebühren als steuer einziehen und gut ist !
  3. AW: Interview: "GEZ keine Institution die Beliebtheitswettbewerb gewinnen würde" Genau !!! Und dann kann sich keiner mehr davor drücken !!! Und die sinnlosen Diskussionen gehören der Vergangenheit an. Gruss aus Neustadt
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