RBB: „Es fehlen Millionenbeträge von Bürgern, die Gebühren zahlen müssten.“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Der RBB befindet sich derzeit in einer bedenklichen finanziellen Krise. Nun musste der Sender bei stärkeren ARD-Häusern um Hilfe bitten.

DIGITAL FERNSEHEN sprach mit Claudia Korte-Hempel, Pressesprecherin beim Rundfunk Berlin-Brandenburg, über die Ursache für die leeren Taschen, Konsequenzen für das Programm und Lösungsansätze.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Wie konnte es zu der finanziellen Krise beim RBB kommen?

Claudia Korte-Hempel: Der RBB muss sich in der kommenden Gebührenperiode (2009 bis 2012) auf ein Minus von 54 Millionen Euro einstellen, weil in Berlin und Brandenburg überdurchschnittlich viele Menschen von den Rundfunkgebühren befreit sind – Hartz IV-Empfänger zum Beispiel. 14,5 Prozent der Haushalte sind in unserer Region von Fernsehrundfunkgebühren befreit – deutlich mehr als im ARD-Durchschnitt, der bei 8,9 Prozent liegt. Außerdem fehlen dem RBB Millionenbeträge von Bürgern, die Gebühren zahlen müssten, es aber nicht tun. Wir sind unverschuldet in diese Situation geraten und arbeiten hart daran, die Finanzprobleme aus eigener Kraft zu lösen.
 
Seit seiner Gründung im Mai 2003 hat der RBB rund 100 Millionen Euro eingespart, bis zum 1. Januar 2009 werden 320 Planstellen abgebaut – ohne betriebsbedingte Kündigungen. Obwohl diese Kürzungen spürbar sind, haben wir lange Zeit Einschnitte ins Programm vermeiden können. Doch ein Gebührendefizit wie es sich jetzt abzeichnet, können wir nicht allein kompensieren.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Sie haben bei den wirtschaftlich stärkeren ARD-Häusern um finanzielle Unterstützung gebeten. Worum genau haben Sie gebeten? Und gibt es eine Bestimmung, die andere ARD-Sender zur Hilfe verpflichtet und dies regelt?
 
Claudia Korte-Hempel: Nein, es gibt keine solche Bestimmung. Der RBB hat seine Partner in der ARD um Hilfe gebeten. Die Gemeinschaft war bereit, den sogenannten Fernsehvertragsschlüssel von 6,85 auf 6,6 Prozent zu reduzieren. Das heißt, der RBB spart ab 2009 jährlich rund zwei Millionen Euro ein, weil er sich in geringerem Maß am Gemeinschaftsprogramm Das Erste, an Kosten für ARD-Gemeinschaftseinrichtungen usw. beteiligt. Es geht uns aber vor allem um eine gerechtere Gebührenverteilung innerhalb der ARD. Die Ministerpräsidenten aller Länder haben die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) beauftragt, bis Anfang Oktober 2008 konkrete Lösungsvorschläge für die Fragen der Gebührenzuordnung vorzulegen.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Um das Finanzloch zu schließen, hat der RBB die Absetzung von Radiomultikulti und der Sendung „Polylux“ angekündigt. Warum wollen Sie gerade „Polylux“ einstellen? War das Fernsehmagazin nicht eigentlich sehr beliebt? Und warum haben Sie sich gegen ein Radioprogramm entschieden, das gerade in der Region Berlin als Integrationshilfe von Wichtigkeit ist?
 
Claudia Korte-Hempel: Den Abschied von „Polylux“ bedauern wir ebenso wie den Verzicht auf eines unserer Radioprogramme. Doch dem RBB bleibt keine andere Wahl. Radiomultikulti ist das einzige Programm des RBB, das wir durch eine qualitativ hochwertige öffentlich-rechtliche Alternative ersetzen können: Der WDR gibt uns die Möglichkeit, auf der Frequenz von Radiomultikulti ab Januar das multilinguale „Funkhaus Europa“ auszustrahlen. Beiträge in 17 Sprachen behandeln alle Themen von Migration, Dialog der Kulturen und Integration ebenso wie Radiomultikulti. Für das WDR-Angebot werden freie Mitarbeiter von Radiomultikulti Beiträge in den Sprachen Polnisch, Russisch und Arabisch produzieren, außerdem wird das nächtliche Weltmusik-Angebot ins „Funkhaus Europa“ übernommen. Migration, Integration und Dialog der Kulturen sind für alle RBB-Programme wichtige Themen. Auch Veranstaltungen wie den jährlichen „Völkerball“ führt der RBB weiter.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Werden weitere Umstrukturierungen erfolgen?
 
Claudia Korte-Hempel: Leider ist das nicht auszuschließen. Das jetzige Sparpaket, zu dem neben der Einstellung von „Polylux“ und Radiomultikulti noch weitere interne Maßnahmen gehören, deckt 30 bis 35 Millionen Euro ab. Wenn der RBB in der nächsten Gebührenperiode keine Hilfe bekommt, müssen wir weitere 20 bis 25 Millionen Euro kürzen.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Wie ist Ihr genauer Plan, wie wollen Sie die Krise bewältigen?
 
Claudia Korte-Hempel: Das werden RBB-Intendantin Dagmar Reim und ihre Geschäftsleitung zum gegebenen Zeitpunkt mit den Gremien des Senders beraten.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Da sich in der Tendenz die Gebühreneinnahmen des RBB nicht erhöhen werden, welche Vorstellung gibt es Ihrerseits, die Grundversorgung zu sichern?
 
Claudia Korte-Hempel: Die elektronischen Medien wachsen zusammen, das birgt Synergien. Als einen Schritt in Richtung digitale Zukunft arbeitet der RBB daran, ab 2009 die klassische Trennung zwischen Fernseh- und Hörfunkdirektion aufzuheben. Kompetenzen werden künftig enger vernetzt und bimedial genutzt. So sollen journalistische Freiräume für mehr kreatives Programm aus und für Berlin und Brandenburg entstehen.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Frau Korte-Hempel, vielen Dank für das Interview. [mw]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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78 Kommentare im Forum

  1. AW: RBB: "Es fehlen Millionenbeträge von Bürgern, die Gebühren zahlen müssten." wie schon zuvor erwähnt, gürtel enger schnallen lieber rbb. habe überhaupt kein verständnis für das rumgeheule dieser frau.
  2. AW: RBB: "Es fehlen Millionenbeträge von Bürgern, die Gebühren zahlen müssten." Berlin ist in 20 Jahren ganz in türkischer Hand, wer braucht da deutsches Fernsehen???
  3. AW: RBB: "Es fehlen Millionenbeträge von Bürgern, die Gebühren zahlen müssten." finde ich jetzt mehr als Peinlich von dir
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