„Der Staat muss ambitionierte Energiestandards und energiesparende Maßnah­men einführen“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Lediglich auf die Selbstverpflichtung der Industrie und Wirtschaft zu setzen, hält Lothar Bisky, medienpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Linken, für falsch. DIGITAL FERNSEHEN sprach mit ihm über politische Maßnahmen zum Energiesparen in der Unterhaltungselektronik.

Was muss die Politik noch für energiesparende und umweltschonende Produkte aus der Unterhaltungselektronik tun? Was müssen die Hersteller unternehmen, um möglichst umweltschonende Produkte auf den Markt zu bringen? Darum und was die Verbraucher tun können, ging es im folgenden Interview.

DIGITAL FERNSEHEN: Herr Bisky, es ist von EU-Seite eine sogenannte EuP-Richtlinie (Directive for energy using pro­ducts) erlassen worden, die Rahmenbedingungen für umweltschonende und energie­spa­rende Produkte installiert und ein sogenanntes „Eco-Design“ entworfen hat. Ist eine solche Richtlinie aus Ihrer Sicht sinnvoll?
 
Lothar Bisky: Grundsätzlich ist eine europaweit einheitliche Regelung zur Sicherstellung ökologi­scher Standards wie der EuP-Richtlinie (2005/32/EG) sinnvoll. Allerdings zeigt sich gerade bei dieser, wie wirkungslos eine solche sein kann. Demnach sollen mit dem Erlass von Durchführungsmaßnahmen produktspezifische Ökodesignanforderungen für den gesamten Lebenszyklus eines Produktes definiert werden, vom Einsatz der Rohstoffe über die Nutzungsphase bis zum Recycling oder der Beseitigung eines Gerätes. Zur Vorbereitung der Durchführungsmaßnahme für die Produktgruppe „PC und Computermonitore“ hat die Europäische Kommission eine Studie in Auftrag gegeben. Sie wurde Ende August 2007 abgeschlossen.
 
Eine entsprechende Durchführungsmaßnahme selbst ist allerdings nach dem jetzigen Stand der Dinge nicht vor 2010 oder noch später zu erwarten. So sinnvoll der Erlass einer solchen Richtlinie sein kann, wenn nicht darauf geachtet wird, dass die Staaten diese auch verpflichtend umsetzen müssen, ist sie das Papier nicht wert, auf dem sie steht. Ein verpflichtendes Energieeffizienzlabel kann diese Bestrebungen jedoch auf­greifen und zugleich erweitern: Aufgreifen, indem es die zu entwickelnden Nachhaltig­keitskriterien perspektivisch auch in Hinsicht auf Rohstoffeinsatz, Produktion, Transport und Entsorgung ausweitet und erweitern, indem es Anreize und Pflichten zur dynami­schen Weiterentwicklung der effizientesten Geräte schafft.
 
DF: Was muss die Politik noch für energiesparende und umweltschonende Produkte aus der Unterhaltungselektronik noch tun?
 
Bisky: Die Linke hat im Frühjahr 2008 einen Antrag mit dem Titel „Energieverbrauch von Com­putern senken“ in den Deutschen Bundestag eingebracht. Dort werden dezidiert nächste Schritte für politische Maßnahmen angesprochen und gefordert. Im Kern geht es uns dabei um die Durchsetzung hoher Energieeffizienz-Standards in der Computer-Industrie. Wir schlagen deswegen die Einführung eines Energielabels und einer ver­pflichtenden Kennzeichnung von Computern mit Angaben zum Energieverbrauch vor. Dies alleine schafft die notwendige Transparenz für die Verbraucherinnen und Ver­brau­cher. In Verbindung mit ambitionierten gesetzlichen Höchstverbrauchsgrenzen, die nach dem „Top-Runner“-Prinzip ermittelt werden, kann dies zu einer deutlichen Sen­kung des Stromverbrauchs und damit der Stromkosten bei gewerblichen und privaten Nutzerinnen und Nutzern führen. Die Branche würde dadurch zudem einen wirksamen Beitrag zum globalen Klimaschutz leisten.
 
DF: Welche Anstrengungen müssen die Hersteller unternehmen, um umweltverträgliche Produkte auf den Markt zu bringen?
 
Bisky: Die bisherigen Bemühungen der Computerindustrie zur Senkung des Energieverbrauchs sind unzureichend. Es fehlen verbindliche und nachvollziehbare Angaben zum Energieverbrauch bei Computern. Abgesehen von wenigen Ausnahmen werden tech­nisch und ökonomisch erschließbare Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz nicht ausgeschöpft.
 
Kunden werden aber in Zukunft verstärkt darauf achten, dass ihre Geräte energiesparend und umweltfreundlich sind. Die Hersteller bekommen deswe­gen grundsätzlich einen stärkeren Anreiz, Öko-Geräte zu produzieren und anzubieten. Allerdings wird dies allein – wie im Übrigen auch Öko-Selbstverpflichtungserklärungen – nicht ausreichen. Dem enormen Konkurrenz- und Preisdruck in diesem Marktsegment müssen zwangsläufig gesetzlich verpflichtende Maßnahmen zur Einhaltung von Umweltstandards entgegengesetzt werden.
 
DF: Was wird die Politik tun, wenn die Hersteller nicht freiwillig den Weg des Energiesparens gehen wollen? Welche Sanktionsmöglichkeiten können Sie sich vorstellen?
 
Bisky: Der Staat muss ambitionierte Energiestandards und weitere energiesparende Maßnah­men einführen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass reine Selbstverpflichtungsmaß­nahmen der Industrie und Wirtschaft leider oftmals nicht den gewünschten Effekt hat­ten. Bei Verstößen oder Missachtung der Maßnahmen müssen gesetzliche Maßnah­men getroffen werden.
 
DF: Set-Top-Boxen, Fernseher und DVD-Player laufen bei Verbrauchern oft rund um die Uhr. Eine Studie der Deutschen Energie-Agentur hat ergeben, dass sich in Deutsch­land 140 Millionen Euro Elektroenergie einsparen lassen würden, wenn nur die Hälfte der 39 Millionen Haushalte in Deutschland während einer zweiwöchigen Urlaubsreise die unnötigen Geräte vom Netz nehmen würde. Wie können Verbraucher Ihrer Mei­nung nach den Energieverbrauch von solchen Elektrogeräten langfristig reduzieren?
 
Bisky: Verbraucherinnen und Verbraucher müssen in die Lage versetzt werden, überhaupt erst einmal zu erkennen, wie viel Energie das jeweilige Gerät verbraucht. Durch die Einführung von Maßnahmen die zu mehr Transparenz führen, wie beispielsweise durch Einführung eines Energielabels, wird genau dies erreicht. Sowohl aus ökologi­schen Aspekten als auch aus Kostengründen wird es dadurch eine spürbare Verringe­rung des Energieverbrauches geben. Mehr Aufklärungskampagnen durch Staat oder Industrie sind nur sinnvoll, wenn es nicht nur um Image-Verbesserung sondern tat­säch­­lich um eine Reduzierung des Verbrauches geht.
 
Lassen wir die Verbraucherinnen und Verbraucher doch entscheiden. Hierzu müssen wir sie aber erst in die Lage ver­setzen, überhaupt eine Entscheidung treffen zu können. Eine einfach umzusetzende Regelung wäre zudem, eine verbindliche gesetzliche Regelung zu schaffen, dass Com­puter im ausgeschalteten Zustand (sowohl im Soft-Off-, als auch im Suspend-to-Disk-Modus) zukünftig keinerlei Strom mehr aus dem Netz entnehmen dürfen. Dies würde zu einer massiven Verringerung des Energieverbrauches führen. [ar]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

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