Kein Patentrezept: Zweifel am amerikanischen „TV-Weltmuster“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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München – Die deutsche Fernsehserie steckt in der Krise, amerikanische Formate verbuchen dagegen weltweit Rekordquoten.

Das Erfolgsrezept hinter den global funktionierenden US-Produktionen vermutet der Psychologe Prof. Dr. Dirk Blothner im so genannten „Weltmuster“, das – so seine These – allen amerikanischen Serienrennern zugrunde liege. Auf einer Podiumsdiskussion während der Medientage München stellten die Teilnehmer Blothners Erkenntnisse jedoch in Frage.
 
„Desperate Housewives“, „Grey’s Anatomy“, „CSI: Miami“ und „Dr. House“ sind nur einige der amerikanischen Serien, die hierzulande regelmäßig Traumquoten erzielen und die deutsche Konkurrenz auf die Plätze verweisen. Kein Wunder, glaubt man den Erkenntnissen des Psychologen Prof. Dr. Dirk Blothner. Jede dieser weltweit erfolgreichen US-Serien folgt demnach nämlich einem „Weltmuster“, das seine Wirkung nicht verfehle.
 
Wenige Punkte reichen dem Wissenschaftler, um das Weltmuster festzumachen, das das Fernsehen deutlich aufgewertet habe: So wirkten die Serienprotagonisten wie „Figuren im Traum eines Gottes“, die Handlung folge „universalen thematischen Mustern“, die Wirkung auf den Zuschauer werde durch „die Modellierung von Grunderfahrungen“ erzielt.
 
Alles in allem bewege man sich in einer „unbewussten, harten Wirkungswelt“, in der die Hauptfiguren von Prozessen beeinflusst werden, die sie nicht steuern können. Möglicherweise zeige sich in dieser „apersonalen Erzählform“ die „moderne Sicht der Wirklichkeit“.
 
In der deutschen Konkurrenz bestimmten dagegen nach wie vor die Figuren die Handlung, Konflikte fänden interpersonell statt. Der Zuschauer habe die Möglichkeit zur Identifikation in einem offenen und nicht festgelegten Weltrahmen.
 
Deutsche Serienproduktionen hätten so stets eine „freundliche, heimelige Tönung“. Deutsche TV-Serien, so das Fazit Blothners, bevorzugten immer noch die personale Erzählform, hielten das Individuum höher als die amerikanischen Pendants. Die Thesen des Wissenschaftlers stießen bei den Podiumsteilnehmern aus der Praxis allerdings auf Skepsis.
 
„Dinge entstehen aus dem Bauch heraus. Man geht da nicht so synthetisch heran“, unterstrich etwa der Drehbuchautor Dr. Andreas Föhr. Und auch Produzent Uli Aselmann, Geschäftsführender Gesellschafter der d.i.e. film, sah eher praktische Fragen im Vordergrund: „Man muss möglichst nah an den Menschen sein, um ihnen erzählerisch etwas bieten zu können“, sagte Aselmann.
 
Dr. Sylvia Rothblum, Senior Vice President & Managing Director, German-Speaking Territories, Warner Bros. International Television Distribution, betonte die wachsende Relevanz der TV-Serie in den letzten Jahren. Während sich der Kinofilm in den USA zum „Popcorn-Kino für 12- bis 18- Jährige“ entwickelt habe, seien amerikanische Serien zunehmend anspruchsvoller und komplexer geworden.

US-Schauspieler wie -Regisseure würden sich inzwischen darum reißen, bei einer Serie mitwirken zu dürfen. Trotzdem sei man entgegen Blothners These auch bei Warner Bros. weit davon entfernt, Patent-Rezepte zu haben und wisse leider erst am Tag nach der Ausstrahlung, ob man einen Serienhit habe oder nicht.
 
Bettina Reitz, Programmbereichsleiterin Spiel-Film-Serie beim Bayerischen Rundfunk, unterstrich, dass sich die öffentlich-rechtlichen Sender zwar mit „innovativen und mutigen“ Formaten wie „Türkisch für Anfänger“ an die Ansprüche jüngerer Zuschauer annäherten, betonte aber gleichzeitig die Bedeutung des „Heimatbezuges“.
 
Alte wie junge Zuschauer „flüchteten“ offensichtlich gerne in die Geborgenheit von Serien wie die der erfolgreichen bayerischen Daily „Dahoam ist dahoam“, erklärte Reitz. Ein „TV-Weltmuster“ als Erfolgsgarant für amerikanische TV-Lizenzware gehörte unter den TV-Schaffenden also eher ins Reich der Spekulation. Uli Aselmann plädierte abschließend für Handfesteres: „Amerika hat einfach ein Gespür für Entertainment“, konstatierte der Produzent.
 
Entertainment, forderte Aselmann, sollte auch hierzulande zum Unterrichtsfach werden. „Das würde uns viel lockerer machen“. [mg]

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3 Kommentare im Forum

  1. AW: Kein Patentrezept: Zweifel am amerikanischen "TV-Weltmuster" Na, ich seh 2 Probleme: 1) Die meisten deutschen Serien sind geklaute US-Serien. Das erkennen die meisten Zuschauer und wollen keinen eingedeutsche Wiederholung 2) Die Schauspieler sind dermaßen flach, manche scheinen vom Prompter die Texte abzulesen. Mit einer unglaublichen Monotonie. Auch wirken Schauspieler, die gerade mal keinen Text haben wie abgeschaltete Puppen.
  2. AW: Kein Patentrezept: Zweifel am amerikanischen "TV-Weltmuster" genau. deshalb us serien im ot mit dt. untertiteln zeitnah(+24h) zur us ausstrahlung laufen lassen. zur zeit schafft man es sogar, teilweise hervorragende us serien durch eine extrem schlechte/flache synchro zu zerstören.
  3. AW: Kein Patentrezept: Zweifel am amerikanischen "TV-Weltmuster" Eher sind die Amerikaner mutiger und experimentierfreudiger. Man geht auch mal das Risiko ein einen Flop zu landen. Der wird dann abgesetzt oder zu einer nicht so attraktiven Sendezeit ausgestrahlt. Deshalb kann man die Analyse auch nur unter Vorbehalt betrachten. Immer funktioniert dieses "Patentrezept" nicht. Weder in den USA noch beim weltweiten Vermarkten. Man sieht es auch am Scheitern von in den USA erfolgreichen Serien, wenn sie bei den deutschen Privaten ausgestrahlt werden. Bei uns ist das Scheitern eines neuen Film oder Serienformates sofort ein Desaster für den Sender (egal ob ÖR oder Privat). An den "flachen Schauspielern", wie vom Vorposter geschrieben, kann es auch nur teilweise liegen. Denn es gibt durchaus auch international erfolgreiche Deutsche Produktionen. Und auch vermeindlich flache dt. Sendungen sind hier der Renner. Ein grösseres Problem sehe ich, national wie international, in der mittlerweile zur Verfügung stehenden Vielfalt an Sendern und einer gewissen Übersättigung der Zuschauer. Man vergleich heutige Sendungen immer noch mit den Strassenfegern der 60er, 70er oder 80er. Vergisst jedoch, dass es damal gerade mal 2 - 3 empfangbare Programme gab. Und bei einem vermeindlichen Strassenfeger konnte man davon ausgehen, dass man, sollte man jemand anderes telefonisch zu erreichen versuchen, dort sehr störend wirken würde, schaut dort doch auch fast die ganze Familie den Film oder die Show. Auch konnte man früher davon ausgehen, dass am Samstag aben nach 20:15 die Samstag abendshow überall angesehen wird. Und am Freitag abend der ZDF-Krimi bzw. XY. Heute nehmen viele Zuschauer die Sendung auf und schauen sie anstelle des Frühstücksfernsehen an. Quasi die Halbe Bundesrepublik gleichzeitig vor dem TV mit einem bestimmten eingeschalteten Programm gibt es nicht mehr. Jeder einzelne Zuschauer einer bestimmten Sendung ist bei vielen konkurrierenden Sender je ein verlorener Zuschauer. Dies gilt übrigens auch für die USA. Auch dort gibt es heute viel mehr Sender wie vor 30 Jahren. Pay und Sat-TV, Program on Demand tun ihr übriges. Übrigens, auch die Erfolgsserie mit Kaptain Kirk hätte es beinahe nie gegeben, der Pilot (noch ohne Kirk) war ein absoluter Flop und auch noch zur falschen Sendezeit ausgestrahlt.
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