Middleware – die gescheiterten Versuche in Deutschland

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Bild: © Victoria - Fotolia.com
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Leipzig – Von den drei in den vergangenen Tagen vorgestellten Middleware-Technologien MHP, Open TV und Mediahighway gelten die ersten beiden als in Deutschland gescheitert. Die DF-Redaktion schaut auf die Entwicklung der Technologien zurück.

Als sicher aussichtsreichste Middleware-Technologie galt der offene Standard Multimedia Home Platform MHP – und dennoch konnte sie sich nicht im Markt etablieren.
 
Erstmals wurde MHP 1999 auf der Internationalen Funkausstellung IFA der Öffentlichkeit vorgestellt. Da das System das einzige nicht-geschützte, also offene, System war, und die interaktiven Zusatzanwendungen für einen offenen Markt bestimmt waren, setzte fast die gesamte Fernsehbranche auf den Standard MHP. So trafen sich im September 2001 die öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Sender sowie die Landesmedienanstalten und besiegelten in der „Mainzer Erklärung“ die Entscheidung, MHP ab dem 1. Juli 2002 auf dem deutschen Markt anzubieten. Der erste Sender der MHP-Applikationen anbot war die ARD.

Bei einem weiteren Zusammentreffen im Februar 2004 einigten sich die großen TV-Sender mit den Herstellern auf weitere Schritte zur Etablierung von MHP, Pro Sieben Sat 1 kündigte kurz darauf die Einführung von MHP-Applikationen an. Als dann im Sommer 2004 in der Region Berlin-Brandenburg das digitale Antennenfernsehen DVB-T aufgeschalten wurde, boten vor allem die öffentlich-rechtlichen Kanäle MHP-Dienste in ihren Bouquets mit an. So kamen auch mehrere MHP-fähige DVB-T-Boxen auf den Markt.

Trotz dieser umfangreichen Bemühungen konnte sich MHP am Markt nicht durchsetzen und ist inzwischen fast vollständig von der Bildfläche verschwunden. Der Hauptgrund dafür ist die geringe Nachfrage nach den MHP-Boxen. Diese waren zwar im Handel verfügbar, allerdings aufgrund ihres Zusatznutzens teurer als die Standardreceiver. Da die Möglichkeiten der interaktiven Zusatzfunktionen den Kunden offenbar nicht ausreichend vermittelt werden konnten, waren nur wenige bereit, in die Technik zu investieren.
 
Somit stieg auch die Verbreitung der MHP-fähigen Set-Top-Boxen nur wenig an. Nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung liegt der Anteil MHP-fähiger Receiver unter 0,1 Prozent. Inzwischen sind keine solchen Geräte mehr erhältlich. Auch die lang geführte Diskussion darüber, welche der Technologien zum Standard für interaktives Fernsehen werden würde, verunsicherte den Verbraucher.

Infolgedessen fuhren die Inhalteanbieter, die zunächst vom Erfolg der Technik überzeugt waren, ihre Angebote zurück. Zunächst stellten die privaten Anbieter wie RTL (Begleitdienst zu „Wer wird Millionär“) und Pro Sieben Sat 1 ihr Anwendungen ein, inzwischen bieten auch ARD und ZDF keine Inhalte mehr an. Somit gilt der, im Ausland teilweise sehr erfolgreiche, Standard in Deutschland als gescheitert.
 
Ähnlich ging es dem proprietären Standard Open TV von Nagravision. Der in fast 100 Ländern eingesetzte Standard sollte als Konkurrenz zu MHP in Deutschland etabliert werden, sorgte aber lediglich für die bereits angesprochene Verunsicherung beim Verbraucher und schon 2003 wurden die Open-TV-Anwendungen zu Gunsten von MHP beendet. [mth]

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2 Kommentare im Forum

  1. AW: Middleware - die gescheiterten Versuche in Deutschland MHP-fähige DVB-T Box (Viola Plustext T1) wird derzeit bei einer großen Einzelhandelskette in Deutschland für unter 50€ angeboten. Für ORF/ öffentlich rechtliche deutsche Programme in Süddeutschland bestens geeignet.MHP ORF/ATV läuft auch sehr flüssig. mfg pekelo
  2. AW: Middleware - die gescheiterten Versuche in Deutschland Eigentlich haben nur ARD/ZDF halbwegs brauchbares bei MHP gebracht. RTL hatte nur sowas wie kleine Spielchen drin, keine kontextbezogenen Applikationen, und bei Sat1Pro7 hab ich außer der Ankündigung nie was von einer Applikation gesehen - vielleicht ging sie gar nicht auf Sendung. Premiere hat seine Zusage nicht eingehalten, d.h., da kam nie MHP auf Sendung, auch wenn es eine Betaversion für die dbox2 gab. Obendrein hat Premiere nicht mal MHP-Boxen zur Nutzung erlaubt, d.h., sie blockten da ab. Die Kabel-TV-Plattformanbieter haben von vornherein MHP boykottiert und keine einzige MHP-Box zugelassen. So waren die Rahmenbedingungen denn doch nicht so gut, zumal z.B. Leute, die evtl. für eine MHP-Box mehr Geld ausgegeben hätten, diese nicht für Premiere nutzen durften - und im Kabel-TV-Bereich es sowieso nicht ermöglicht wurde. Der Vorteil von MHP und auch von OpenTV war und ist, dass deren Nutzung nicht an (fiese) AGB gebunden ist, wie es z.B. beim unseligen Blucom verlangt wird und bei der Betty ebenfalls verlangt wurde. Letztere ist ja inzwischen vom Markt verschwunden. Eine Möglichkeit, ohne fiese AGB dennoch interaktives TV zu pushen, wäre in Verbindung mit Internet. Fortschrittliche Receiver-Betriebssysteme wie z.B. Neutrino ermöglichen da schon einiges. Aber auch hier blocken (bzw. erschweren) die Plattformanbieter mittels Ihrer Marktmacht die Nutzung. Das hat natürlich auch Einfluss auf die Verkaufszahlen, denn nicht jeder ist bereit, ein Empfangsgerät zu kaufen, ohne zu wissen, ob über ein Alphacrypt-Modul die Nutzung mittelfristig noch möglich ist... Insgesamt ist MHP ein schönes Beispiel, wie ein Markt auch (nicht nur) durch die Marktmacht vereinzelter, aber auch durch Verunsicherungen (wozu auch die Verschlüsselungen analog frei empfangbarer TV-Sender gehört) wegen unklarer, z.T. unfairer Rahmenbedingungen sich gar nicht erst entwickelt.... Insgesamt macht Digital-TV keinen Spaß mehr ...
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