RTL-„TV Helden“ narren Presse mit falschem türkischen Karnevalsverein

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Köln – „Tabuloser und entlarvender kann Satire nicht sein“ – so zumindest sehen es die Macher eines neuen Comedy-Formats des privaten Fernsehsenders RTL, „TV Helden“, das an diesem Samstag (23.30 Uhr) startet.

Das Konzept: „Menschen oder Institutionen auf witzige Weise hinters Licht zu führen“. Halt gemacht werde dabei vor niemandem. Mehrere Dutzend Journalisten, Fotografen und Kameraleute in Köln haben mit den selbst ernannten „TV Helden“ noch vor der ersten Folge persönlich Bekanntschaft gemacht. Sie berichteten über eine Pressekonferenz, zu der der neu gegründete „Erste Türkische Karnevalsverein Deutschlands“ (TKVD) geladen hatte – eine Scherz- Veranstaltung, wie sich im Nachhinein herausstellte.
 
Die Nachricht von der Vereinsgründung ist zu diesem Zeitpunkt längst in der Welt. Noch hat niemand die türkischen Jecken zu Gesicht bekommen. Aber was die Pressesprecherin des TKVD am Telefon ausführt, klingt plausibel: „Die Idee ist, dass wir schon mitfeiern möchten, aber wir wollen das Ganze ein wenig mehr unserer Lebensweise anpassen.“ Karneval ja – aber keine Alkohol- und Sexexzesse, wie sie der Islam verbiete.
 
35 Mitglieder gebe es bereits. Schon hetzt die rechtsradikale Wählervereinigung Pro Köln im Internet gegen ein „Burka-Gebot für Karnevalistinnen“, der TKVD gibt sich „geschockt“, das Festkomitee des Kölner Karnevals nimmt Stellung.
 
Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Vereinsgründung kommen den Journalisten erst auf der Pressekonferenz. Denn nun fordert TKVD- Vorsitzender Davut Yilmaz alias Komiker Jan Böhmermann eine „Türkenquote“ beim Rosenmontagszug und will aus dem Drei- ein Viergestirn machen: „Prinz, Bauer, Jungfrau und Türke“.
 
Ungläubige Nachfragen kontert er in scharfem Ton: „Sie glauben wohl, dass Türken keinen Spaß verstehen können?“ Natürlich sei das alles ein wenig provokativ gemeint. Aber mit seinem grundsätzlichen Anliegen sei es dem TKVD durchaus ernst.
 
Nach der Pressekonferenz gibt Yilmaz Interview um Interview. Die Vereinssprecherin verteilt die offizielle Pressemitteilung: „Insbesondere für die orthodoxen Muslime, zu denen wir uns zählen, ist die Art und Weise, wie der Karneval in Köln zelebriert wird, mit Konflikten behaftet“, steht dort zu lesen. Erst am nächsten Tag enttarnt der Kölner „Express“ den angeblichen TKVD-Gründer als Komiker – ein Journalist hatte Böhmermann erkannt.
 
Bundesweit müssen Berichte korrigiert werden. Viele Berichterstatter reagieren empört. Medienexperte Professor Jo Groebel dagegen sieht das Image der Presse durch den Vorfall nicht beschädigt. Journalisten müssten zunächst einmal davon ausgehen können, dass ihre Ansprechpartner glaubwürdig seien. „Man kann der Presse nichts vorwerfen, wenn sie so eine Sache aufgreift und ernst nimmt“, sagt er. Obendrein hätten sich die journalistischen Sicherungsmechanismen als funktionstüchtig erwiesen – schließlich sei die Täuschung durch Recherche aufgedeckt worden.
 
Die RTL-Aktion ist in Groebels Augen „grenzwertig, aber medienethisch zulässig“. Er spricht sogar von einer „heilsamen Lektion“: „Kein Mensch ist davor gefeit, reingelegt zu werden.“
 
Bei RTL selbst bezeichnet man die Scherz-PK als „im Rahmen von Satire absolut legitim“. „Wir wollten einfach mal zeigen, wie Köln auf so eine Idee reagiert“, erläutert ein Sprecher. Und außerdem sei das Ganze ein sehr schöner Reklame-Erfolg für die neue Comedy-Serie.
 
Für die Pilotfolge haben die Darsteller laut Ankündigung nicht nur Pressesprecher gespielt, sondern auch „als seriöse Journalisten getarnt“ beim ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein (CSU) vorgesprochen. Die „Mission“ der drei „TV Helden“ Jan Böhmermann, Caroline Korneli und Pierre M. Krause laute: „die Menschen vor den Personen und Institutionen zu schützen, die ihnen Tag ein, Tag aus den Nerv rauben“. Wer aber ist das in diesem Fall? Die Journalisten? Die Türken? Die Jecken? Vielleicht bringt ja die erste Folge Aufklärung. [mg]

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