IPTV – ein vierter Weg, um das Fernsehen der Zukunft zu empfangen

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Leipzig – IPTV wird in Deutschland bisher nur von rund 400 000 Haushalten genutzt – andere Länder sind da weiter. Mittlerweile beschäftigt sich auch die Deutsche TV-Plattform mit dem Thema.

Zugleich stellt die Deutsche TV-Plattform bei einem Workshop Mitte Februar ein so genanntes „White Paper“ als Grundsatzdokument zu IPTV vor. Jürgen Sewczyk, Leiter der Arbeitsgruppe IPTV der Deutsche TV-Plattform erläutert die Hintergründe.
 
Digitalfernsehen: Bislang hat sich die Deutsche TV-Plattform vor allem mit DVB-Standards beschäftigt. Warum jetzt IPTV?
 
Jürgen Sewczyk: IPTV wird auch in Deutschland immer attraktiver. Einerseits für Netzbetreiber, die zusammen mit Telefonie und schnellen Internetanschlüsse den Kunden so ein günstiges Dreifach-Angebot (Triple Play) offerieren. Andererseits öffnet sich für die Programmveranstalter und Sender ein weiterer Verbreitungsweg neben Kabel, Satellit sowie Terrestrik und die IP-Kodierung des Signals bietet die Möglichkeit, interessante Zusatzanwendungen ins eigene TV-Programm einzubinden. Analysten räumen IPTV sehr gute Marktchancen ein.
 
Allerdings wird das Wachstum dadurch gebremst, dass mehrere Technologien zum Einsatz kommen, die nicht alle miteinander kompatibel sind. All das ist für die Deutsche TV-Plattform Grund genug, sich intensiver mit der Thematik zu befassen, denn bei uns sind private und öffentlich-rechtliche Sender, Gerätehersteller, Netzbetreiber, Forschungsinstitutionen und Regulierungsbehörden Mitglied.

DF: Für Internetfernsehen gibt es ja verschiedene Begriffe wie IPTV, Web-TV etc. Was ist eigentlich IPTV?
 
Sewczyk: Genau diese Begriffsverwirrung war der Ausgangspunkt in unserer Arbeitsgruppe, weil eben nicht jede Verbreitung von Bewegtbildprogrammen über das weltweite Web auch IPTV ist. Der Begriff bedeutet, dass die Verbreitung mit Hilfe des Internet Protocol (IP) erfolgt, wobei der Transportweg nicht nur das Internet etwa über aufgerüstete Telefonleitungen mit entsprechender Bandbreite ist.
 
IPTV kann auf jedem beliebigen Weg, also über Kabel, Satellit und Terrestrik oder über ein Funknetz verbreitet werden. Grundsätzlich sind IPTV und Web-TV nicht nur technisch, sondern auch von ihrer Struktur und ihrem Angebot her zwei völlig verschiedene Systeme mit unterschiedlichen Geschäfts- und Marktmodellen, die sich zudem an unterschiedliche Zielgruppen richten.
 
DF: Was unterscheidet denn nun IPTV von anderen Bewegtbildprogrammen im Internet?
 
Sewczyk: IPTV bedeutet nach unserer Auffassung vor allem, dass digitale Fernsehprogramme in der gleichen Qualität wie über Kabel, Satellit und Antenne über breitbandige Netze angeboten und von den Zuschauern konsumiert werden können. Bei den traditionellenÜbertragungswegen gibt es eben dafür die verschiedenen DVB-Standards mit technischen Normen und definierter Bild-Ton-Qualität. Im noch jungen IPTV ist das noch nicht immer der Fall, auch wenn sich die Anbieter darum bemühen – verschiedene Firmen mit ähnlichen Ansätzen verwenden unterschiedliche Technologien und entwickeln zum Teil eigene Lösungen.
 
Web-TV funktioniert wiederum ganz anders: Da werden Programme unterschiedlichster Qualität auf nicht kontrollierbaren Wegen durch das Internet geschickt – ohne Garantien für Empfangsqualität für die Verbraucher. Das ist für jeden am onlinefähigen PC frei empfangbar und wer will, kann auch selber „senden“. Zwar nutzt IPTV auch das Internet als Transportweg, aber es kommt innerhalb des Webs über einen abgeschlossenen Teil zum Zuschauer in die Wohnung – nutzbar in garantierter Qualität am Fernsehbildschirm.
 
DF: Was schlägt die Arbeitsgruppe der Deutschen TV-Plattform konkret in ihrem „White Paper“ zu IPTV vor?
 
Sewczyk: Wir haben ausgehend von unsere IPTV-Definition und unter Beachtung internationaler Standards Basisanforderungen gemeinsam formuliert, wobei Programmveranstalter, Gerätehersteller, Netzbetreiber und Regulierer beteiligt sind. Diese Anforderungen reichen von Signalqualität, Navigation und Netzarchitektur über Kopierschutz, Rechtemanagement und Jugendschutz bis zu interaktiven Anwendungen und Interoperabilität. Nicht zu vergessen die grundlegenden Anforderungen für drei Typen von Empfangsgeräten, die auch die Vernetzung mit anderen Geräten der Unterhaltungselektronik in den Haushalten ermöglichen soll.
 
Letztendlich profitieren davon nicht nur Netzbetreiber und Sender, sondern auch die Kunden. Ein offener und harmonisierter Markt bietet für alle bessere Chancen. Deshalb stellen wir unsere Ergebnisse in einem IPTV-Workshop am 12. Februar in Berlin vor, der sicher auch für Medienpolitik und Regulierer interessant ist. Zur Debatte steht natürlich auch das White Paper.

DF: Ist das dann der Durchbruch für einen IPTV-Standard in Deutschland, der den Markt boomen lässt, oder welche nächsten Schritte könnten folgen?
 
Sewczyk: Ja, die Art und Weise der konstruktiven Zusammenarbeit bei der Vielfalt unterschiedlicher Interessen war für uns ein Durchbruch. Wenngleich wir als TV-Plattform kein Standardisierungsgremium oder ein Gesetzgeber sind. Wir können Entwicklungen befördern, indem wir wie schon öfters und auch beim IPTV-„White Paper“ Basisanforderungen verschiedener Beteiligter gemeinsam formulieren und zur Diskussion stellen. Um eine harmonisierte Empfängerplattform in den Markt zu bringen, müssen nun die Marktpartner die Verabredungen aus dem White Paper im täglichen Geschäft umsetzten.
 
Als eines der ersten Ergebnisse des IPTV-Dokuments könnten zum Beispiel zur IFA 2009 Anfang September die Broadcaster einen Teil der Verabredungen aus unserem Papier nutzen und den digitalen und modernen Nachfolger des Teletextes vorstellen. Und in der TV-Plattform diskutieren wir, wie sich künftig eine entsprechende Arbeitsgruppe ähnlich dem IPTV-„White Paper“ mit der Beschreibung von Endgeräten im Heimnetz für den Satelliten-, Kabel- und terrestrischen Empfang befassen kann.

DF: Vielen Dank für das Gespräch!
 
Jürgen Sewczyk ist Ingenieur der Nachrichtentechnik, war jahrelang bei RTL und hat 2005 die JS Consult mit dem Fokus auf Technologie-Beratung gegründet. Als Gründungsmitglied der Deutschen TV-Plattform war er jahrelang Vorstandsvorsitzender.
 
www.tv-plattform.de [mg]

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25 Kommentare im Forum

  1. AW: IPTV - ein vierter Weg, um das Fernsehen der Zukunft zu empfangen Die haben die Hausaufgaben aber schlecht gemacht. Bei T-Home sind es mittlerweile 500.000 Kunden, bei Alice mehr als 20.000 Kunden, und bei Arcor ca. 2000 Kunden (soweit offiziell bestätigt). Sind ca. 25 Prozent mehr, als 400.000 Kunden insgesamt.
  2. AW: IPTV - ein vierter Weg, um das Fernsehen der Zukunft zu empfangen Wie sieht das denn aus, wenn mit HDTV eine höhere Bandbreite erforderlich wird? ARD/ZDF senden ja heute schon mit ca. 8 Mbit/s über Satellit, für ein gutes HDTV Signal würde ich unegfähr das doppelte erwarten. (Eine gute Bluray Disk kommt mit 30-40 Mbit daher, dann sollten für halbwegs brauchbares Fernsehen doch 15 Mbit ausreichen, oder?) So, angenommen ich habe zwei HD Fernseher und möchte auch unabhängig 2 HD Programme sehen, schnell bin ich bei 30 Mbit/s, für gute Bildqualität. 1.) Wie bitte soll IPTV das bringen? 2.) Wie sieht eigentlich die CO2 Bilanz aus? Zu Punkt 2, nehmen wir an ich möchte nur 1.000.000 Haushalte mit einem hochwertigen HD Signal versorgen. Wie sieht das dann aus mit Satellit (Produktion, Trägerrakete, Betrieb) gegen IPTV? Wenn schon diskutiert wird wieviel CO2 jede Suchanfrage bei Google verursacht, wieviel verbraucht dann eine 2stündige HD Sendung über IPTV? Ich kann mir vorstellen, dass es über Satellit deutlich preiswerter und CO2 sparender ist, eine große Menge von Haushalten mit einem HDTV Signal zu versorgen. Gruß emtewe
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