„In Deutschland finden 90 Prozent der Urheberrechtsverletzungen im Internet statt“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Über illegale Raubkopien von Blu-rays und die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen sprach DIGITAL FERNSEHEN mit Christine Ehlers, Pressesprecherin bei der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU).

Für Raubkopierer ist die Gewinnspanne für illegale gefälschte Blu-ray-Discs erheblich, sagt Christine Ehlers. „Zwar kostet so eine Pseudo-Blu-Ray-Disc weniger als echte Blu-Rays. Dennoch ist der Preis für derartige Raubkopien im Vergleich zu deren Produktionskosten überdurchschnittlich hoch“, sagt sie. Da es immer günstiger werde, einen Server zu mieten und auf Hochleistungsrechner zuzugreifen, finde der Großteil der Urheberrechtsverletzungen im Internet statt.

DIGITAL FERNSEHEN: Derzeit mehren sich die Berichte über Blu-ray-Raubkopien aus China. Wie gehen die Filmpiraten technisch vor, wenn sie eine Raubkopie von einem Blu-ray-Film erstellen?
 
Christine Ehlers: Insbesondere in Asien bieten professionelle Raubkopierer zunehmend illegale Kinofilmkopien auf DVD an, die sie von Blu-Ray-Discs gerippt haben. Dazu konvertieren sie die Dateien in ein anderes, kleineres Format – beispielsweise AVCHD. Auf diese Weise kann der Film dann wiederum auf handelsübliche DVD-Rohlinge gebrannt oder gepresst werden. Auf den breiten Massenmarkt ausgerichtet, pressen solche professionellen Raubkopierer die Datenträger dann in großer Stückzahl und statten diese mit der typischen blauen Verpackung sowie möglichst originalgetreuem Booklet und Cover aus.
 
Den Filmschaffenden fügen solche illegalen Geschäfte erhebliche Verluste zu. Allein in Deutschland belaufen sich die Schäden auf mehrere hundert Millionen Euro jährlich. Dieses Geld fehlt dann für zukünftige Produktionen. Darunter leiden vor allem kleine ambitionierte Projekte, die sich eher an ein Spartenpublikum richten und regelmäßig durch die Einnahmen der großen Blockbuster mitfinanziert werden.
 
Für die Raubkopierer hingegen ist die Gewinnspanne bei diesem illegalen Geschäft erheblich. Zwar kostet so eine Pseudo-Blu-Ray-Disc weniger als echte Blu-Rays. Dennoch ist der Preis für derartige Raubkopien im Vergleich zu deren Produktionskosten überdurchschnittlich hoch.
 
DF: Mittlerweile sollen auch auf Ebay einzelne Kleinhändler auf die gefälschten Blu-ray-Discs aufmerksam machen. Steht der europäische Markt vor einer Schwemme von illegalen Blu-rays?
 
Ehlers: Der illegale Markt entwickelt sich immer parallel zum legalen Markt. Alles, was viele Besucher in die Kinos zieht oder in Geschäften reißenden Absatz findet, wird auch von Raubkopierern möglichst schnell illegal angeboten. Allerdings sind die Auswirkungen der in Asien produzierten Pseudo-Blu-Ray-Discs in den deutschsprachigen Ländern bislang kaum spürbar. Das liegt zunächst daran, dass hierzulande deutsch-synchronisierte Fassungen von internationalen Produktion den fremdsprachigen eindeutig vorgezogen werden, asiatischen Raubkopien hingegen regelmäßig die deutschsprachige Tonspur fehlt. Weltweit wird in den meisten Ländern jedoch in der Regel auf Englisch geschaut. Raubkopierer erreichen daher den größten Massenmarkt durch Filme mit englischsprachiger Tonspur.
 
Vor dem Hintergrund der stetig wachsenden Anzahl von Privathaushalten mit Breitband-Anbindung ans Internet hat sich das Raubkopienproblem hierzulande zudem eindeutig ins weltweite Netz verlagert. Immer niedrigere Mietkosten für Server und damit verbundene Zugriffsmöglichkeiten auf Hochleistungsrechner tragen zu dieser Entwicklung bei. Heute finden in Deutschland etwa 90 Prozent der Urheberrechtsverletzungen im Internet statt oder starten dort.
 
In anderen europäischen Ländern ist die Marktdurchdringung von Breitband-Anschlüssen noch vergleichsweise gering. Beispielsweise stellen in Spanien oder England Raubkopien auf Datenträgern eine signifikantere Größe dar.
 
DF: Gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen einer echten und einer gefälschten Blu-ray? Wenn ja, woran lässt sich der Qualitätsunterschied für den Verbraucher erkennen?
 
Ehlers: Entscheidend bei den genannten asiatischen Produktionen ist, dass durch das verwendete Verfahren sowohl Bild- als auch Tonqualität reduziert werden. Zwar liegt diese immer noch höher als bei herkömmlichen DVDs, kommt aber an High Definition nicht heran. Dennoch liest ein Blu-Ray-Player die Datenträger problemlos. Die größten Qualitätsunterschiede beim Inhalt treten in den meisten Fällen in den Tonspuren auf.
 
Denn selbst bei auf Double Layer DVDs ist der Platz zu begrenzt, um mehrere Tonspuren in High-Definition Qualität zu speichern. Unterschiede in der Bildqualität sind hingegen auf alten Fernsehgeräten für die meisten Menschen nicht wahrnehmbar. Etwas anders sieht das bei hochwertigen neueren Modellen aus.
 
Auch rein äußerlich sind die illegalen Kopien von den Originalen häufig kaum zu unterscheiden. Die Raubkopierer versuchen grundsätzlich Produkte zu erstellen, die dem Original möglichst ähnlich sind. Anhaltspunkte liefert in erster Linie der meist auffällig niedrige Preis. Bei Raubkopien aus Asien können zudem Details, wie eine niedrige Papier- und Druckqualität des Inlays sowie Schreibfehler Indizien sein. In manchen Fällen kann erst eine Überprüfung durch technische Experten zweifelsfrei feststellen, ob es sich um ein Original oder eine illegale Kopie handelt.
 
DF: Was unternimmt die GVU, die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen, um gegen die illegalen Blu-ray-Kopien vorzugehen?
 
Ehlers: Mit Fokus auf die Verursacher der größten Schäden geht die GVU vor allem zielgerichtet gegen kriminelle Intensivtäter im Internet vor. Dies gilt auch für Fälle von illegalen High-Definition-Film-Kopien im Netz. Im Auftrag ihrer Mitglieder aus Film- und Entertainment-Software-Wirtschaft deckt die Organisation Urheberrechtsverstöße auf und stellt wegen dieser Verstöße Strafanträge gegenüber den Ermittlungsbehörden. Bei der Durchführung von Strafverfahren unterstützt die GVU die Dienststellen von Polizei, Zoll und Staatsanwaltschaft auch in rechtlicher und technischer Hinsicht.
 
Zusätzlich beobachtet die GVU im Rahmen des Projekts „ebay“ weiterhin Auktionen. Bei Verkäufern, die erstmalig mit urheberrechtsverletzendem, äußerst geringem oder einem Angebot von Raubkopien ausschließlich älterer Filme auffallen, lässt die Organisation die Auktionen im Rahmen des Verifizierten Rechteinhaberprogamms (VeRi) zunächst löschen. Tritt derselbe Verkäufer dann allerdings noch einmal mit Raubkopien in Erscheinung, initiiert die GVU ein Strafverfahren.
 
Die dritte Säule der Aktivitäten liegt in gezielten Aktionen gegen die organisierte Kriminalität auf Floh-, Trödel- und Grenzmärkten. Allerdings sind dort bislang noch keine Blu-Ray-Raubkopien aufgetaucht.
 
Darüber hinaus wird die GVU auch tätig, wenn Polizei, Zoll und Staatsanwaltschaften Verfahren gegen Urheberrechtsverletzer anstrengen und unsere Mitglieder geschädigt wurden. Dazu gehören neben vielen anderen Anlässen beispielsweise auch Zufallsfunde. Solche Verfahren können sich durchaus auch gegen Täter am Ende der illegalen Verwertungskette richten, die für sich genommen einen relativ kleinen Schaden verursacht haben.
 
DF: Frau Ehlers, vielen Dank für das Gespräch. [ar]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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35 Kommentare im Forum

  1. AW: "In Deutschland finden 90 Prozent der Urheberrechtsverletzungen im Internet statt Millionäre am jammern. Man kanns nicht mehr hören. Außerdem sind Pressesprecher keine qualifizierten Gesprächspartner.
  2. AW: "In Deutschland finden 90 Prozent der Urheberrechtsverletzungen im Internet statt Aber nur wenn man die Schulhöfe aussen vor lässt. Als nächstes lesen wir dann "GVU- 90% unserer schulpflichtigen Kinder gehören in den Knast" ...
  3. AW: "In Deutschland finden 90 Prozent der Urheberrechtsverletzungen im Internet statt So richtig begreife ich dass nicht. Kann man denn eine "BluRay-Struktur" auf eine DVD brennen?
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