Bisky: „Privatsender wollen die Grundverschlüsselung schon lange“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Am 9. Februar 2009 wies die Landesanstalt für KommunikationBaden-Württemberg (LfK) der Mediengruppe RTL Deutschland die Kanäle für die DVB-T-Verbreitung ihrer Programme zu.

Diese Programme sollen in der Region Stuttgart ab dem 3. Quartal dieses Jahres im Kompressionsstandard MPEG4 ausgestrahlt werden. Die RTL Programme werden in Conax verschlüsselt. Neben den grundverschlüsselten Empfang der RTL Hauptprogramme werden dem DVB-T Zuschauer in Stuttgart noch die zwei PayTV Programme – RTL Crime und Passion – angeboten. Der Empfang beider Kanäle soll den Nutzer nach einer Übergangszeit 2,90 Euro monatlich kosten (DIGITAL FERNSEHEN berichtete) .
 
Im Interview mit DF nimmt Lothar Bisky, medienpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, zum Thema Grundverschlüsselung Stellung.

DIGITAL FERNSEHEN: Herr Bisky, vor zwei Jahren versuchte der Satellitenbetreiber SES Astra mit der Plattform Entavio eine Grundverschlüsselung der über Satellit verbreiten Programme zu etablieren, mit heftigem Gegenwind seitens der Medienpolitik und der Endkunden. Nunmehr vermarktet der Satellitenbetreiber Eutelsat die in Conax verschlüsselten und über DVB-T verbreiteten Programme der RTL-Gruppe. Wie erklärt sich der offensichtliche Paradigmenwechsel? Sehen Sie zwischen beiden Modellen einen Unterschied? Worin liegt dieser?
 
Lothar Bisky: Die Privatsender wollen die Grundverschlüsselung schon lange. Sie erhoffen sich davon mehr Kontrolle über ihre Ausstrahlungen und neue Geschäftsmodelle, insbesondere über den Aufbau von Endkundenbeziehungen. Das war offenbar der Grund, weshalb sie bislang von der Übertragungstechnik DVB-T großflächig und bundesweit keinen Gebrauch machten. Die baden-württembergische Landesmedienanstalt hat nun im Falle der RTL-Gruppe den Wirtschaftsinteressen der Privaten nachgegeben. Zwei Jahre zuvor war der Einstieg in die Signalkodierung über den Satellitenbetreiber SES Astra und die Plattform Entavio noch gescheitert, nachdem das Bundeskartellamt ein Verfahren gegen die Beteiligten wegen verbotener Kartellabsprache angekündigt hatte. Jetzt wurde also ein anderer Weg gefunden. Wie ich höre, soll im Unterschied zu den damaligen Plänen nun keine zusätzliche monatliche Empfangsgebühr erhoben werden, sondern eine im Receiverpreis enthaltene technische Pauschale. Auch das allerdings bedeutet nichts anderes als ein zusätzliches Entgelt zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher.
 
DF: Nachdem mit der LfK eine Landesmedienanstalt die MPEG4-Kompression sanktioniert hat, ist es wahrscheinlich, dass bereits on-air befindliche öffentlich-rechtliche DVB-T-Programme auf MPEG4 migriert werden. Wird dabei eine Grundverschlüsselung zu umgehen sein?
 
Lothar Bisky: Der Druck auf die Öffentlich-Rechtlichen nimmt zu. Offiziell kämpfen ARD und ZDF weiterhin gegen die Grundverschlüsselung. Intern allerdings wird sicherlich längst auch über Alternativszenarien nachgedacht. Den Programmverantwortlichen dürfte nicht verborgen geblieben sein, dass im Digitalzeitalter die Konkurrenzsituation zu den Privaten und zu neu in den Markt eintretenden Akteuren weiter zunimmt. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, anzunehmen, die Öffentlich-Rechtlichen unterschätzten den daraus resultierenden Druck auf die von Standortinteressen geprägten Ministerpräsidenten der Länder.
 
DF: Stellt die Entscheidung der LfK, die Verbreitung von verschlüsselten Programmen über DVB-T zuzulassen, nicht den Einstieg in die generelle Grundverschlüsselung der TV-Programme dar?
 
Lothar Bisky: Das ist zu befürchten. Die Fachleute sagen uns, dass die Adressierung aus wirtschaftlichen Gründen unausweichlich sein wird. Da die globale Krise auch den Mediensektor nicht verschont, dürften Forderungen nach einer generellen Grundverschlüsselung jetzt wieder stärker akzentuiert werden. Doch kann darauf nicht mit Alleingängen reagiert werden. Es besteht länderübergreifender Regulierungsbedarf. Einflussnahmen auf die öffentliche Meinung durch die elektronische Konditionierung des Nutzungsverhaltens mit individuell zugeschnittener Werbung, der Bündelung und Verwertung von Inhalten in vordefinierten Programmpaketen, durch elektronische Programmführer und durch einseitig dominierte Empfangsgeräte und Set-Top-Boxen müssen ausgeschlossen werden.
 
An die LfK ist die Frage zu richten, ob in Baden-Württemberg nun das Ende der freien Receiverwahl und das Ende eines freien Endgerätemarktes gekommen ist? Und ob nun jedes Bundesland nach einem anderen Verfahren verschlüsseln solle?
 
DF: Wie wird Ihre Fraktion mit dem Thema „Grundverschlüsselung“ umgehen, nachdem in Stuttgart ja Tatsachen für zumindest einen Verbreitungsweg geschaffen worden sind?
 
Lothar Bisky: Meines Erachtens bestehen zwei Möglichkeiten des Umgangs: Entweder man stellt sich aus grundsätzlichen Erwägungen gegen die Grundverschlüsselung oder man versucht diese regulativ zu Gunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher zu gestalten. Im ersten Falle könnte sich aus den genannten Gründen bald zeigen, dass es sich um einen Kampf gegen Windmühlen handelt. Im zweiten Fall, dessen Diskussion ich befürworte, könnte über eine einheitliche Digitalplattform für alle Programmanbieter die Bedingungen für eine diskriminierungsfreie Signalkodierung gesetzt werden.
 
Über eine solch technologisch regulierte Plattform wären dann alle öffentlich-rechtlichen und privaten frei empfangbaren Sender aufzufinden. Eine zusätzliche Freischaltgebühr wäre ausgeschlossen. Eingespeist würden auch die Programme von Lokal- und Regional-TV-Anbietern sowie der Offenen Kanäle. Ebenso müssten Pay-TV-Anbieter ihre Angebote auf dieser Plattform aufsetzen, wenngleich ihnen weitergehende Adressierungsfunktionen zugestanden würden. Auf diese Weise könnte der diskriminierungsfreie Zugang aller Anbieter und die Auffindbarkeit aller Programme garantiert, einheitliche technologische Standards gesetzt sowie Interessen des Verbraucher- und Datenschutzes gewährleistet werden. Dieses Modell hätte durchaus Charme, bedarf aber noch weiterer Diskussions- und Überzeugungsarbeit.
 
DF: Herr Bisky, vielen Dank für das Gespräch. [cg]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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52 Kommentare im Forum

  1. AW: Bisky: "Privatsender wollen die Grundverschlüsselung schon lange" sicher! darum sind sie ja auch schon seit 5 jahren verschlüsselt, weil sie das ja sooo unbedingt wollen. und wer glaubt, dass das rtl-dvt-b-modell aus stupidgart ein erfolgsmodell wird, ist ein ziemlicher träumer! das wird genau so floppen wie entavio!
  2. AW: Bisky: "Privatsender wollen die Grundverschlüsselung schon lange" Das sind sauber abgesteckte Rahmenbedingungen. In Anbetracht bestehender Standards, bestehender und seit Jahren gekaufter Endgeräte sowie der EU-Regelung bzgl. der Vorschrift von CI-Schnittstellen bei TV-Geräten bedeutet dies logischerweise die Nutzung des bestehenden DVB-CI-Standards. Wenn es RTL und Co. wirklich wie kommuniziert um Verschlüsselung geht, dann ist genau dies der Weg. Wenn es aber um anderes geht, z.B. durch Marktabschottung den Gerätemarkt zu dominieren, dadurch zusätzliche Einnahmequellen zu schaffen etc., dann werden RTL und Co. diesen Weg nicht mitgehen. Daran werden sie sich messen lassen müssen.
  3. AW: Bisky: "Privatsender wollen die Grundverschlüsselung schon lange" würde es rtl um verschlüsselung gehen, würden sie es doch schon längst gemacht haben! und außerdem, wieso gerade stuttgart?? ich bin 100% davon überzeugt, dass da kabel bw seine finger im spiel hat! ich möchte nicht wissen, wie viel kabel bw an rtl zahlt, damit die diesen schritt gehen! die rtl-gruppe würde sich niemals freiwillig, einfach so, schlechter stellen als ihre hauptkonkurrenten pro7/sat.1 gruppe, die ja bekanntlich auch in stuttgart, free senden wollen. und eine verschlüsselung ist eine verschlechterung! man braucht ja nur mal gucken, wie "gut" es den verschlüsselten sendern in deutschland geht.
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