EU-Debatte: Private Rundfunkunternehmen fühlen sich bedroht

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Brüssel – In einer Anhörung vor dem Europäischen Parlament äußerten die in Europa agierenden privaten Rundfunkunternehmen ihre Furcht vor einer „unbeschränkten Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in die neuen Medien“.

Die unbeschränkte Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in die neuen Medien bedroht die Entwicklungsfähigkeit der privaten Rundfunkunternehmen in Europa. Aus Anlass der heutigen Anhörung im Europäischen Parlament über „die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ appellierten in Brüssel Vertreter der europäischen Medienindustrie an die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten, die Einhaltung der Prinzipen eines fairen Wettbewerbs durch transparente Leitlinien für die Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen.
 
Diesem Aufruf schlossen sich der europäische Verband für Privates Fernsehen (Association of Commercial Television in Europe, ACT), der Verband Europäischer Radios (Association of European Radios, AER), der Europäische Verlegerrat (European Publishers‘ Council, EPC), der Europäische Verband der Zeitungsverleger (European Newspaper Publishers‘ Association, ENPA) und der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) aus Deutschland an.
 
In der vom Kulturausschuss des Europäischen Parlaments organisierten Anhörung wurde auch die so genannte Rundfunkmitteilung diskutiert. Die Mitteilung ist aus dem Jahr 2001 und legt die Grundsätze fest, die seitens der EU-Kommission bei der Anwendung der Artikel 86 Absatz 2 und 87 EG-Vertrag für die staatliche Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelten. Diese Vorgaben werden derzeit durch die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission überarbeitet. Ein neuer Text, dessen Schwerpunkt auf den Aktivitäten der öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten im Bereich der neuen Medien liegt, soll zeitnah vorgelegt werden.
 
„Nach der Anhörung kritisierten eine Reihe von europäischen Medienvertretern eien Mangel an Objektivität und Ausgewogenheit in dieser Debatte. Die Positionen der Printmedien, der privaten Radiounternehmen und der Onlinepresse wurden – obwohl mehrfach angefragt – in der Veranstaltung nicht gehört. Vielmehr wurde die Diskussion von Vertretern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ihrer Angst, dass ihre Online-Aktivitäten durch jegliche Art von
Regulierung beeinflusst werden könnten, dominiert“, heißt es in einer Pressemitteilung.
 
Die Koalition der europäischen Medienvertreter haben den Redebeitrag von Viviane Reding, EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien begrüßt, als diese vor dem Ausschuss sprach und die Bedeutung eines gesunden Gleichgewichts zwischen Wettbewerbsrecht und Medienpolitik hervorhob.
 
Ross Biggam, Director General ACT, der als einziger Vertreter des privaten Sektors vom Ausschuss als Sprecher eingeladen worden war, kommentierte die Situation wie folgt: „Wir appellieren an die EU-Institutionen, unsere Bedenken zu berücksichtigen. Die europäischen Verbraucher – und folglich die europäischen Steuerzahler – haben das Recht auf eine Rundfunklandschaft, in der die Linie zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk eindeutig gezogen wird. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Elemente eines Ex-Ante-Tests, welcher ein perfektes Beispiel für die Anwendung des Subsisdiaritätsprinzips ist, sowie einer unabhängigen Kontrolle bieten den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Mitgliedstaaten die einmalige Chance, in der Zukunft einen wirklich funktionierenden Medienmarkt zu garantieren.“
 
Im Lichte der Finanzkrise sind die etablierten Geschäftsmodelle der privaten Medienanbieter zunehmend unter Druck. Daher ist es von immer größerer Bedeutung, dass eine effektive Anwendung der Beihilferegeln sichergestellt wird. Nur dadurch kann eine Wettbewerbsverzerrung im Medienmarkt vermieden werden. Die privaten Medienunternehmen sind dem derzeitigen wirtschaftlichen Klima im Gegensatz zu ihren durch Beihilfe finanzierten Wettbewerben sehr viel stärker ausgesetzt.
 
Vor diesem Hintergrund hat die in einer Vielzahl von EU-Staaten stattfindende Expansion des öffentlich-rechtlichenRundfunks in den Online-Bereich sehr viel stärkere Auswirkungen als bisher.
 
Angela Mills Wade, Executive Director EPC, betonte: „Es sollte sichergestellt werden, dass der Markt der Online-Presse und somit auch die Leser von der Vielzahl von Angeboten profitieren können, ohne dass sie von einem dominanten durch Beihilfe finanzierten Wettbewerber beschränkt werden. Die Vorteile der Ex-Monopolisten durch Ausgaben, Inhalte und cross-mediale Nutzung sind so stark, dass sie selbst die besten Websites der Zeitungen verdrängen. Dies gefährdet Investitionen des privaten Sektors in einer Vielzahl von neuen Geschäftsbereichen.“
 
Valtteri Niiranen, Director of ENPA sagte: „Wir kritisieren die Tatsache, dass nicht klar ist, welche neuen Dienste der öffentlich-rechtliche Rundfunk anbieten darf. In einigen Ländern werden die Verleger erheblich von den kommerziellen Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beeinträchtigt. Als Konsequenz sahen sich die betroffenen Verleger gezwungen, die Fälle der
Wettbewerbsverzerrung vor die nationalen Regulierungsbehörden und in einem zweiten Schritt auf EU-Ebene vorzulegen. Derzeit besteht keine Klarheit darüber, was zum öffentlich-rechtlichen Auftrag gehört. Wir benötigen eineErmahnung von europäischer Seite an die Mitgliedstaaten, dass sie die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks klar definieren. Dies ist notwendig, um die bestehenden Unsicherheiten zu beseitigen“.
 
Tobias Schmid, VPRT-Vizepräsident und Bereichsleiter Medienpolitik von RTL in Deutschland fügte hinzu: „Eine Reihe von Mitgliedstaatenhaben ihre Bedenken bezüglich einer Überarbeitung der Rundfunkmitteilung zum Ausdruck gebracht. Diese Aufregung ist für uns nicht verständlich. Bei der derzeitigen Überarbeitung wird das Subsidiaritätsprinzip vollumfänglich beachtet. Eine europäische Harmonisierung der Regeln droht in keinster Weise. Unbedingt notwendig sind allerdings eine effektive Kontrolle und Transparenz.“
 
22 Milliarden Euro wurden dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Jahre 2007 von Regierungen in ganz Europa zur Verfügung gestellt. Der Fernsehmarkt ist somit der drittgrößte Empfänger von staatlichen Beihilfen in der EU. Gerechte Wettbewerbsbedingungen zwischen kommerziellen und staatlich-finanzierten Marktteilnehmern sind für Innovationen sowie die Qualität der Inhalte bei den privaten Medien essentiell.
 
Dies gilt für den privaten Rundfunk ebenso wie für die Print- und Onlinepresse. Die Europäische Kommission wird den neuen Entwurfstext zur Überarbeitung der Rundfunkmitteilung von 2001 zeitnah veröffentlichen. Dies wird zu einer Klärungder derzeitigen Probleme führen und einen Überblick über die Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Bereich der neuen Medien und mobilen Plattformen erlauben.
 
Frederik Stucki, Secretary General AER, sagte: „Wir plädieren für eine klare Trennung der öffentlich-rechtlichen und der kommerziellen Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkunternehmen. Erst ein transparentes System und eine saubere Kostenausweisung der kommerziellen Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Sektors werden gerechte Wettbewerbsbedingungen zwischen den Marktteilnehmern schaffen. Nur so werden die europäischen privaten Medienunternehmen im Bereich der neuen Medien bestehen und in der Lage sein, auch künftig Millionen von Menschen qualitative hochwertige Inhalte anbieten zu können.“[mg]

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11 Kommentare im Forum

  1. AW: EU-Debatte: Private Rundfunkunternehmen fühlen sich bedroht Es gibt immer wieder Menschen die der Meinung sind, das für alles das Solidariätsprinzip herhalten muss. Die Gegener werden gerne kiminalisiert. Die Vollkaskomentalität ist einfach zu verlockend. Da kann man nur den Kopf schütteln und sich zurücklehnen, warten bis ein Staat nach dem anderen in die Pleite geht und eine Gesellschaft nach der anderen unter den immer mehr werdenen Lasten zusammenbricht.
  2. AW: EU-Debatte: Private Rundfunkunternehmen fühlen sich bedroht in einer zeit, wo in osteuropa sogar ganze staatspleiten drohen, sollte es für die eu derzeit wichtigeres geben als sich mit privatem rundfunk zu befassen!
  3. AW: EU-Debatte: Private Rundfunkunternehmen fühlen sich bedroht Der Private Rundfunk befasst sich mit dem ÖRR. Und Staatspleiten in Osteuropa? Warum so weit gen Osten blicken wenn der Westen doch so nahe ist. Was ist mit Island, was ist (fast) mit Spanien und Italien. Und wie weit ist unsere eigene Pleite noch entfernt? Du glaubst doch nicht wirklich daran, dass die Bundesrepublik alle ihre Schulden inkl. Zinsen jemals zurückzahlen könnte, - für jedes Privatunternehmen gibt es da einen Ausdruck: INSOLVENZ.
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