HR-Personalratschefin: „Es gibt hier niemanden, der Däumchen dreht“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Über die Kürzungen beim Hessischen Rundfunk (HR) und die damit verbundenen Konsequenzen für die Mitarbeiter sprach DIGITAL FERNSEHEN mit Elisabeth Treff, der Vorsitzenden des Gesamtpersonalrats beim HR.

Der Hessische Rundfunk setzt wegen sinkender Einnahmen den Rotstift an und streicht Sendungen. Weil bis 2012 etwa 64 Millionen Euro eingespart werden müssten, werden unter anderem das „Hessenjournal“ und „Koch was draus“ eingestellt. Zudem sollen in den nächsten beiden Jahren 24 Stellen beim HR nicht wiederbesetzt werden.

DIGITAL FERNSEHEN: Dem hessischen Rundfunk stehen bis Ende der Gebührenperiode 64 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Wie steht der hessische Rundfunk aus Sicht des Personalrats derzeit finanziell da?
 
Elisabeth Treff: Zunächst einmal muss ich mich ja auf das Zahlenmaterial verlassen können, was uns die Geschäftsleitung zur Kenntnis gibt. Und da auch ich Mitglied des Verwaltungsrates bin, kann ich das, glaube ich, relativ gut beurteilen. Ich kann das nachvollziehen, was uns in der finanziellen Situation dargestellt wird. Wenn man das als Haushalter betrachtet, dann muss man diese Summe in diesem Umfang auch sparen. Das sehe ich auch so.
 
DF: Nach Schätzung der GEZ wird sich im Sendegebiet des hessischen Rundfunks durch die Wirtschaftskrise eine erhöhte Anzahl von Hartz-IV-Empfängern einstellen. Dies soll niedrigere Summen bei den Gebühreneinnahmen zur Folge haben und auch mehr Ab- als Neuanmeldungen. Welche Konsequenzen sehen Sie als Personalrat auf den Hessischen Rundfunk zukommen?
 
Treff: Die Summe, die sich darauf bezieht, dass sind die auf den HR heruntergerechneten 24 Millionen Euro weniger an Gebühreneinnahmen. Ich bin ja nicht nur Personalrat, ich bin auch Gewerkschafterin. Selbstverständlich finde ich an der wirtschaftlichen Situation höchst kritikwürdig, dass sie diejenigen ausbaden, die sie immer ausbaden müssen. Der HR als Abhängiger von Gebühreneinnahmen kann das nicht ändern. Wir können das nur als Fakt entgegen nehmen. Wir müssen das mit Sicherheit auch in unseren eigenen Sendungen anprangern, kritisieren, aufbrechen, was auch immer. Aber erstmal ändern kann ich das nicht. Ich habe 24 Millionen Euro, die eingespart werden müssen. Das ist dann so.
 
Ich glaube, dass das eine recht zuverlässige Hochrechnung ist, die die GEZ dort macht, das ist eine Routinehochrechnung, die nicht neu ist. Ein oder zweimal im Jahr wird geprüft, wie sich die Gebühren entwickeln. Die Datenbasis, die die GEZ hat, nämlich die Gebührenzahler, kann feiner und detaillierter ja eigentlich nicht sein.
 
DF: Es ist ja bekannt geworden, dass auf jeden Fall das „Hessenjournal“ eingespart werden soll, sowie die Sendung „Koch was draus“ und beim Radioprogramm Kürzungen anstehen. Haben Sie Kenntnis darüber, ob weitere Programme gekürzt werden sollen?
 
Treff: Das ist eine programmliche Entscheidung, die Sie bei den Zuständigen abfragen müssen. Uns ist an dieser Stelle wichtig, was mit den Beschäftigten geschieht. Wir haben gerade heute sowohl mit dem Hörfunkdirektor als auch mit dem Fernsehdirektor verabredet, wie wir damit umgehen können, also mit welchen Verfahren und wie wir die Beschäftigungssicherung besonders der Freien Mitarbeiter, die es betrifft, hinkriegen. Da gibt es Überlegungen und erste Ansätze. Dem werden wir so nachgehen, und das werden wir auch vom Personalrat her begleiten.
 
DF: Was sind das für Überlegungen?
 
Treff: Im Detail, bei jeder einzelnen Person hinzuschauen, welche Qualifikationen es gibt, ob sie in einer anderen Redaktion oder in einer anderen Welle arbeiten kann. Wenn das nicht möglich ist: Gibt es Beschäftigungen, die sie zwar noch nicht erfüllen kann, wo es aber gegebenenfalls Qualifizierungsmaßnahmen gibt, die der HR anbieten kann. Also eine Art Qualifizierungskonzept um gegenzusteuern, dass irgendjemand vollkommen ohne Beschäftigung dasteht. Das ist unser Ziel.
 
DF: Heißt das, dass alle Mitarbeiter, die im Zweifelsfall bald ohne Beschäftigung dastehen, aus dem Programmbereich kommen, oder sind das auch Mitarbeiter aus der Verwaltung und aus anderen Bereichen?
 
Treff: In der Verwaltung haben wir fast keine freien Mitarbeiter. In der Produktion gibt es eine Reihe von freien Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Es ist ja auch zum Beispiel die Rede davon gewesen, täglich ein sogenanntes EB-Team weniger zu beschäftigen, das sind die Fernsehteams, in der Regel zwei Personen, die jeden Tag rausgeschickt werden für die Reportagen und Drehs. In der Regel sind täglich mehrere sogenannte freie EB-Teams mit an Bord. Und natürlich eine ganze Reihe von festangestellten EB-Teams, also Kamera- und Tonleute. Natürlich wird es das EB-Team einer Fremdfirma treffen, das dann nicht mehr hier weiterbeschäftigt wird. Das sind nicht immer die gleichen freien Mitarbeiter, das ist so eine Art Fremdfirmenvergabe.
 
Aber wenn ich aus Ihrer Frage heraushöre, dass immer im Programm und nie in der Verwaltung gekürzt wird, dann muss ich natürlich schon sagen: Irgendwo schlägt all das auch in der Verwaltung zu Buche. Wir haben keinen Overhead an Verwaltung. Ich bin der Auffassung, alle Menschen, die mit ihren unterschiedlichsten Berufen im HR sind, werden auch gebraucht.
 
Es gibt hier niemanden, der Däumchen dreht. Wenn eine Sendung wegfällt, dann heißt das natürlich in erster Linie, es sind die Freien, die als Autoren dieser Sendung zuarbeiten. Das sind auch die ersten Direktkosten. Trotzdem bin ich auch als Personalrat der Auffassung, dass wir uns auch diese Freien in Zukunft leisten können. Wir werden sicher nicht auf alle verzichten, die mit dieser Sendung befasst waren.
 
DF: Medienberichten zufolge gibt es 22 Fahrdienstmitarbeiter.
 
Treff: Es sind aber nur 11. Ich bin da ein bisschen bitter, muss ich ehrlich sagen. Weil ich gerade als Personalrat für eine gesamte Belegschaft einstehe. Dazu gehören die Leute vor und hinter der Kamera. Dazu gehören die Leute im Casino, und dazu gehört auch die Fahrbereitschaft, die Fernsehausstattung, die Produktionstechnik und das Archiv und die Onliner und wie wir alle hier sitzen. Ich halte überhaupt nichts davon, einen Teil der Belegschaft gegen eine andere auszuspielen unter der Überschrift, euch brauchen wir eigentlich nicht, Hauptsache wir machen das Programm.
 
DF: Wird denn Ihrer Meinung nach an der richtigen Stelle gekürzt?
 
Treff: Die programmliche Entscheidung ist nicht mein Job. Das ist originäre Aufgabe des Intendanten und der Programmdirektoren. Ich nehme mit Enttäuschung zur Kenntnis, dass wir wieder mal sparen. Sparen kann man nachhaltig nur, wenn man seine Produkte, die man erstellt, verringert. Nachhaltig können wir nur sparen, indem wir sagen, wir machen das oder jenes nicht mehr. Im Übrigen werden auch eine ganze Reihe von Veranstaltungen gekürzt, im Hörfunk wird ja auch die Mittelwelle eingestellt. Das ist mindestens genauso gravierend wie das Hessenjournal. Und an der Zahl der Sendestunden abgeleitet, was wir auf der Mittelwelle dann nicht mehr machen werden, ist noch viel mehr. Hinzu kommen Kürzungen bei Investitionen, IT-Projekten und den Pensionsrückstellungen.
 
DF: Haben Sie als Personalrat ein eigenes Konzept, wo man sparen könnte?
 
Treff: Ich kann es konzeptionell nur so sagen. Erstens Mal wir sind ein Hessischer Rundfunk, wir sind eine Belegschaft. Wir haben natürlich in unseren internen Diskussionsprozessen eine ganze Reihe von Kriterien, die wir auch anlegen, wo wir auch nachfragen.
 
Das ist der sechste Konsolidierungsplan. Ich habe als Personalrat schon zwei intensiv betreut, nämlich die Nummer vier und die Nummer fünf. Das waren 140 Millionen, die wir insgesamt aus dem Haushalt und aus der Finanzvorschau herausplanen mussten. Und vor allen Dingen der fünfte griff in einen laufenden Haushalt. Das haben wir jetzt gar nicht. Der laufende Haushalt des Jahres 2009 ist von den Gremien genehmigt, und der läuft auch genauso durch. Was wir jetzt machen, richtet sich alles auf 2010 bis 2012.
 
Ich denke, wir sind leider und das nicht zum ersten Mal in der Situation, dass wir für die Sparmaßnahmen, die einfach da sind, im Personalrat den Reparaturbetrieb machen. Wir schauen, dass wir die Beschäftigten gut betreuen. Planstellenstreichungen hatten wir reichlich, es waren ja schon 66, es kommen jetzt 24 wieder dazu. 1996 waren es rund 2100 Festangestellte, wir sind heute bei 1750.
 
DF: Denken Sie, dass sich die Entwicklung weiter nach unten bewegen wird, was die Mitarbeiter angeht?
 
Treff: Ich bin kein Hellseher. Wir haben im Moment eine Planungssicherheit, das heißt bis Ende 2012. Keiner weiß, was ab 2013 passiert. Vielleicht haben wir da ein ganz anderes Rundfunkgebührenmodell. Wer weiß, in welcher wirtschaftlichen Situation diese Gesellschaft dann ist. Das kann ich nicht sagen, ob wir da am Ende angekommen sind.
 
DF: Frau Treff, vielen Dank für das Gespräch. [ar]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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4 Kommentare im Forum

  1. AW: HR-Personalratschefin: "Es gibt hier niemanden, der Däumchen dreht" für 490 Millionen im Jahr produziert man das hessen fernsehen. lasst euch diese zahl nur mal auf der zunge zergehen. und dann schaut euch an, was damit gemacht wird.
  2. AW: HR-Personalratschefin: "Es gibt hier niemanden, der Däumchen dreht" Die ÖR sind riesige Geldvernichtungsapparate. Ich wette, daß dort jede Menge Däumchendreher ihre Sessel plattsitzen. Man könnte vermutlich problemlos 1/3 des Personals einsparen. Wenn die ÖR richtige Wirtschaftsunternehmen mit richtigem Wettbewerb wären, dann hätte man dort deutlich weniger Personal und unsinnige Kosten. Nur zwei Beispiele für sinnlose Kosten: - Kürzlich eine Sendung zur Abwrackprämie. Als Studiodeko waren gepresste Schrottautos aufgebaut. Schön anzusehen, aber wiviele Hunderter hat das wohl gekostet? - Analogverbreitung auf Astra. Jeder Müllsender der ÖR analog
  3. AW: HR-Personalratschefin: "Es gibt hier niemanden, der Däumchen dreht" Ja klar, die Mitarbeiter befassen sich mit solche wichtigen Umfragen wie "Wer ist Hessens beliebtester Schauspieler?" Günter Strack ist Hessens beliebtester Schauspieler | Der hr | hr ..der hr ist der wichtigste Sender, den Deutschland je gesehen hat - ohne ihn, würde Deutschland glatt untergehen,
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