Anga Cable: Abschaltung von analogem Fernsehen in naher Zukunft unmöglich

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Es ist wie die Quadratur des Kreises: Die Abschaltung von analogem Fernsehen wird es auch in naher Zukunft nicht geben. Das ist das Ergebnis der diesjährigen Elefantenrunde auf der Anga Cable 2009.

In Köln kamen heute Vertreter der internationalen Kabel- und Satellitenbranche zur dreitägen Verbandsmesse Anga Cable 2009 zusammen. Im Mittelpunkt des begleitenden Kongresses standen bereits am ersten Tag die möglichen Folgen der globalen Wirtschaftskrise für die Branche – sowie die anhaltenden Probleme mit der Digitalisierung des Fernsehens in Deutschland.

„Noch sehen wir von der Krise nichts.“ Mit diesen Worten fasste Harald Rösch, CEO der Kabel Baden-Württemberg, die Situation der Kabelbranche auf dem Strategiegipfel der Anga Cable zusammen.
 
Die Geschäfte laufen gut. Und auch die Messe selbst kann gegen den allgemeinwirtschaftlichen Trend hervorragende Zahlen aufweisen. So hebt Verbandschef Thomas Braun gerne hervor, dass die Zahl der Aussteller mit über 380 gegenüber dem Rekordergebnis des Vorjahres noch einmal übertroffen werden konnte. Wo andere Messen mit Absagen zu kämpfen haben, ist die Anga Cable auf dem Kölner Messegelände, wie Braun sagt, „bis unter die Decke ausgebucht.“

Gründe dafür, dass es den Kabelnetzbetreibern im derzeitigen wirtschaftlichen Klima vergleichsweise gut geht, gibt es viele: Der große Nachholbedarf der Deutschen im Breitband, die langfristigen Finanzierungsmodelle der Branche, die weniger von den aktuellen Turbulenzen an den Finanzmärkten betroffen sind – und vor allem der Umstand, dass die Menschen trotz Krise weiter Fernsehen und Internet nutzen.
 
Oder wie es Parm Sandhu von Unitymedia auf die Spitze treibt: „Gerade in der Krise fehlt den meisten das Geld, um sich außer Haus im Kino oder im Restaurant zu amüsieren. Also erlangen Unterhaltungsmedien, die man daheim nutzen kann, größere Bedeutung.“
 
Ungemach droht der Branche allenfalls, sollte die Krise länger anhalten – und mit steigender Arbeitslosigkeit dann auch die Bereitschaft sinken, für dasKabelfernsehen Geld auszugeben.
 
Während man der Krise also vergleichsweise gelassen entgegensieht, beschäftigt die Branche, wie schon in den vergangenen Jahren, hauptsächlich ein Thema: Die nach wie vor schleppende Entwicklung bei der Digitalisierung des Fernsehens in Deutschland. Die Zahlen haben sich seit dem letzten Treffen vor einem Jahr kaum verändert: Während beim Satelliten die digitale Verbreitung mit nahezu 70 Prozent schon relativ weit vorangeschritten ist, hinkt das Kabel mit gerade einmal 30 Prozent digitalen Haushalten immer noch hinterher.
 
Bei der jetzigen Fortschrittsrate, so Astra-Chef Ferdinand Kayser, könne es noch locker bis 2016 oder 2017 dauern, bevor die Digitalisierung in Deutschland abgeschlossen sei.
 
Einer der größten Stolpersteine auf dem Weg zu einer schönen neuen digitalen Fernsehwelt wurde auf dem Panel mehr als deutlich: Die Gespaltenheit der Branche selbst. Denn nicht jeder Kabelnetzbetreiber hat die gleiche Interessenlage. Von der Elektronikindustrie und den TV-Sendern ganz zu schweigen. So saßen sich denn auch im Panel diejenigen gegenüber, denen die Digitalisierung nicht schnell genug gehen kann, und jene, die in der augenblicklichen Situation einer parallelen Ausstrahlung von digitalen und analogen Programmen keine Schwierigkeiten sehen.
 
Die Argumente sind schnell skizziert: Während die Sender auf eine schnelle Digitalisierung drängen, um möglichst rasch die bis dato anfallenden analogen Einspeisegebühren zu sparen (auf die Anbieter wie Kabel Deutschland natürlich nur ungerne verzichten wollen), sehen Anbieter wie Net Cologne vor allem die Wünsche ihrer Stammkundschaft und – nicht zu vernachlässigen – der Wohnungswirtschaft, in deren Mittelpunkt weniger HDTV und High-Speed- Internet, sondern vielmehr Kontinuität und Einfachheit stehen.
 
Auf der anderen Seite befinden sich Anbieter wie Tele Columbus, die weniger von Einspeisegebühren profitieren – und deshalb vor allem die negative Seite der nur langsam voranschreitenden Digitalisierung sehen: Eine Entwicklung, die im internationalen Vergleich wie die „Steinzeit“ (Tele-Columbus-Chef Markus Schmid) anmutet, und vor allem: kein Platz für die neuen HDTV-Kanäle, die sowohl von Seiten des öffentlich-rechtlichen wie des privaten Fernsehens in Deutschland angekündigt sind.
 
So erklärte ZDF-Justitiar Professor Dr. Eberle, dass sein Haus im Anschluss an einige Showcases im Laufe der nächsten Monate nach den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver den HDTV-Regelbetrieb beginnen will. Nur wo soll HDTV stattfinden, wenn das Kabel noch mit analogen Kanälen belegt ist? Ein weiteres „Herumeiern“, so Markus Schmid, in den nächsten fünf Jahren dürfe es nicht geben. Stattdessen müsse besser früher als später ein klar definiertes analoges Abschaltdatum kommen.
 
Welche Rolle die Politik dabei spielen kann, wurde von den Teilnehmern der Diskussion unterschiedlich bewertet. Während Parm Sandhu die Notwendigkeit einer einheitlichen Medienwirtschaftspolitik hervorhob, zeigte sich Ferdinand Kayser dagegen eher pessimistisch: Abseits von Standorterwägungen seien Politiker – gerade in der heutigen Zeit – kaum für medienpolitische Fragestellungen zu interessieren.
 
Dass eine Wende hin zur Digitalisierung des Fernsehens vollzogen werden soll, darüber waren sich alle Teilnehmer einig. Unklar ist jedoch in welchem Zeitrahmen sich diese vollziehen soll, mit oder ohne festen Abschalttermin für das analoge Fernsehen. Während Werner Hanf, Chef der Kölner Net Cologne, ausdrücklich vor einer „Vergewaltigung“ der Kunden warnte, erklärte Markus Englert, der Digitalvorstand von Pro Sieben Sat 1, dass es ohne eine „kick-in-the-butt“-Strategie, zu Deutsch: ein „In-den-Arschtreten der Zuschauer“ nicht gehen werde.
 
Allerdings: Ohne verbindliche technische Standards und attraktive Angebote, die sich von dem unterscheiden müssen, was der Zuschauer auch kostenlos im werbe- bzw. gebührenfinanzierten Fernsehen haben kann, wird eine erfolgreiche Marktdurchsetzung des digitalen Fernsehens nicht zu erreichen sein. [cg]

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16 Kommentare im Forum

  1. AW: Anga Cable: Abschaltung von analogem Fernsehen in naher Zukunft unmöglich Der ProSieben Chef hat recht! "Kick in the butt" ist genau das Stichwort. Die Abschaltung der analogen Terrestrik ging doch auch fast von heute auf morgen. Warum also nicht beim analogen Sat TV? Was vergleichbares wie im bürokratischen Deutschland gibt es auf der ganzen Welt nicht.
  2. AW: Anga Cable: Abschaltung von analogem Fernsehen in naher Zukunft unmöglich Weil es immernoch viele Kabelnetze gibt die ihre Sender von analog Sat einspeisen. Bei Kabel kann man noch nicht analog abschalten da dann die Privaten Insovenz anmelden müssten. (Die Leute haben keinen Bock auf Pay-TV mit Werbesender)
  3. AW: Anga Cable: Abschaltung von analogem Fernsehen in naher Zukunft unmöglich Einfach abschalten sonst kommen wir bei HDTV an wenn alles so langsam abläuft.
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