Deutschland droht Flickenteppich bei Radioübertragung

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Radio UKW Bild: © jakkapan - Fotolia.com
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Halle/Saale – Die Uneinigkeit über die Zukunft des digitalen Radios ist groß. Einige Bundesländer setzen für die Zukunft des Radios auf digitale Übertragung, andere wollen weiter in UKW senden.

2015: Eine Familie aus Sachsen-Anhalt fährt mit dem Auto auf die schleswig-holsteinische Insel Föhr in die Ferien. In Sachsen-Anhalt bietet das Radio beste Unterhaltung auf der Fahrt durch eine sommerliche Landschaft.
 
Unterwegs ist jedoch plötzlich der Empfang weg. Der Grund: Ein anderes Bundesland überträgt seine Radioprogramme nicht über den digitalen Radiostandard DAB plus, sondern über UKW. Dann fährt die Familie erneut über eine Landesgrenze und muss nun wieder auf DAB plus umgeschalten.

Am Ziel auf Föhr angekommen werden die Programme wieder über UKW gesendet. Denn vor sechs Jahren, am 5. Juni 2009, hatte die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH) eine Übertragungskapazität für den Standort Föhr/Oevenum für die Dauer von zehn Jahren ausgeschrieben. Dieses Szenario dürfte nach dem derzeitigen technischen Stand der Radioübertragung durch aus keine Fiktion sein.
 
Grund für das Maleur: Die Entscheidung, über welchen Standard die Radioprogramme gesendet werden, fällt jedes Bundesland selbst. Das bestätigte der Sprecher Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), Axel Dürr, jüngst gegenüber DIGITAL FERNSEHEN. Danach verfolgt auch die DLM in Sachen Radioübertragungsstandard keine abgestimmte Postition.
 
In Sachsen-Anhalt werden derzeit die Weichen auf digitale Verbreitung der Radiosignale gestellt. So wollen die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gemeinsam die Öffentlichkeit „mit terrestrischen digitalen Rundfunkdiensten und darüber hinaus Telemediendiensten“ versorgen, hieß es bereits im August letzten Jahres.
 
„Diese Dienste sollen nach Standards der DAB-Systemfamilie übertragen werden“, berichtete die Medienanstalt Sachsen-Anhalt (MSA) einem Schreiben zufolge, das DIGITAL FERNSEHEN vorliegt. Zusätzlich hat die MSA am 10. Juni eine Bedarfsanmeldung für den Neustart von Digitalradio im Standard der DAB-Systemfamilie beschlossen.
 
Auch laufen in Sachsen-Anhalt bereits Vorbereitungen für ein DAB-plus-Testprogramm. So wird seit letzter Woche mit der Kennung „DAB Plus Test“ ein Audiokanal mit den Programminhalten von Radio Brocken zusätzlich zum DAB-plus-Programm „Rockland plus“ zu Testzwecken gesendet, berichtet das Branchenportal „ukwtv.de“.
 
Doch längst nicht überall ist man sich über die zukünftige Verbreitung von Radiosignalen einig. So haben sich gestern die im Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) organisierten Radiounternehmen gegen das System DAB plus ausgesprochen (DIGITAL FERNSEHEN berichtete). Wie der VPRT berichtete, bewerten die dort organisierten Radiounternehmen das System DAB plus und die Systemeingenschaften als nicht marktgetrieben. Die Nachfrage des Kunden nach DAB plus ist aus ihrer Sicht also nicht gegeben.
 
Für einen Umstieg von analogem UKW auf die digitale Verbreitung der Radiosignale spricht sich der VPRT zudem nur teilweise aus. Einerseits gibt der Verband bekannt, dass die im VPRT organisierten Radiounternehmen bereits heute in erheblichem Umfang in marktgetriebene Verbreitungswege und neue digitale Angebotsformen investieren würden und verkündet: „Die Zukunft des Radios ist auch digital und die privaten Unternehmen engagieren sich aktiv in allen Marktentwicklungen, die es erlauben, die Hörer zu binden, den Hörern Mehrwert anzubieten und die eine realistische Chance auf Refinanzierung haben“.
 
Andererseits hält der Verband weiterhin am UKW-Radio fest und betrachtet die geplante Abschaltung des UKW-Radios sogar mit großer Sorge: „Die im VPRT organisierten Radiounternehmen sehen mit großer Sorge, dass ARD-Anstalten die Einführung von DAB plus dadurch befördern wollen, dass UKW abgeschaltet wird.“ Damit würde den privaten Radiounternehmen die Geschäfts- und Lebensgrundlage genommen, argumentieren sie. So würden Investitionen und Arbeitsplätze vernichtet und der Medienvielfalt im dualen Rundfunksystem der Boden entzogen.
 
„Die privaten Radiounternehmen sehen demgegenüber hohes Entwicklungspotential auch von UKW unter der Voraussetzung einer Frequenzneuordnung sowie der Privatisierung des ARD-Sendernetzbetriebes“, teilt der VPRT mit.
 
Im Gegensatz zum VPRT ist sich hingegen ein Zusammenschluss aus sieben Organisationen deutlich einig: „Keine naheliegende zukunftsfähige Alternative“ gibt es für eine „schrittweise Umstellung des heutigen terrestrischen analogen Hörfunks auf digitalen Hörfunk“ berichten die sieben Organisationen ADAC, ARD, die Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR), Deutschlandradio, der Sendernetzbetreiber Media Broadcast sowie die beiden Industrieverbände VDA und ZVEI. Sie plädierten deshalb Anfang dieser Woche eindeutig für einen Neustart des Digitalradios in Form von DAB plus. (DF berichtete ebenfalls).
 
Sollten sich die Verantwortlichen in diesem Jahr nicht für das zu DAB abwärts kompatible DAB plus entscheiden, so sind sich Insider einig, werde das digitale Radio in Deutschland für mindestens zehn Jahre begraben.
 
Wenn sich Deutschland hinsichtlich der Verbreitung der Radiosignale also nicht einig wird, wäre die Reise von Sachsen-Anhalt nach Föhr durchs europäische Ausland sicherlich der bequemere Weg als der direkte. Denn im europäischen Ausland wird der Urlaub zukünftig nicht vom ständigen Umschalten überschattet. Stattdessen können Radiohörer kann das Empfangsgerät auf DAB-Empfang eingeschaltet lassen und die Landschaft genießen. [ar]

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33 Kommentare im Forum

  1. AW: Deutschland droht Flickenteppich bei Radioübertragung Deutschland braucht einen Barack Obama für die Digitalisierung, ich sag nur armes Deutschland......
  2. AW: Deutschland droht Flickenteppich bei Radioübertragung Schon witzig, dass du gerade die Amis als Beispiel nimmst. Die haben im Februar auch erst die analoge terretische Ausstrahlung verändert, da waren wir schneller.
  3. AW: Deutschland droht Flickenteppich bei Radioübertragung ich denke nicht an die Amis, sondern an die Person und die Bereitschaft Änderungen herbei zu rufen...
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