FDP: „Anzahl öffentlich-rechtlicher Sender am absoluten Limit angelangt“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – DIGITAL FERNSEHEN sprach mit dem Medienexperten der FDP, Hans-Joachim Otto, über die Zukunft der GEZ, neue Geschäftsmodelle der Privaten und die Digitalisierung.

DIGITAL FERNSEHEN: Inwiefern kann der Vorstoß von RTL und Pro Sieben Sat 1, künftig in HDTV auszustrahlen, die deutsche Wirtschaft beflügeln? Ergeben sich durch adressierbares Fernsehen abseits einer Werbefinanzierung neue Geschäftsmodelle für den Mittelstand?
 
Hans-Joachim Otto: Zunächst einmal ist mehr HDTV im Fernsehen natürlich zu begrüßen, wer auch immer diesen Standard nutzt. Ich könnte mir auch durchaus eine positive Wirkung für die Medienlandschaft vorstellen, falls HDTV die Digitalisierung beschleunigt. Denn letztendlich kann vor allem der Zuschauer die Digitalisierung voranbringen, wenn er sich für einen digitalen Anschluss entscheidet. HDTV könnte der Grund für solch einen Anschluss sein. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Zuschauer, sobald sie erst einmal ein Fußballspiel oder einen Spielfilm in HDTV gesehen haben, ungern darauf verzichten möchten. Und schließlich bedeutet eine beschleunigte Digitalisierung auch mehr Wettbewerb, nicht zuletzt auf Grund der größeren Übertragungskapazitäten.
 
DF: Welche Voraussetzungen in Hinblick auf technische Schnittstellen müssen Ihrer Ansicht nach gegeben sein, damit der Verbraucher mehrere Plattformen empfangen kann?
 
Otto: Um ehrlich zu sein, kann und will ich mich hier noch nicht festlegen. Das ist ja zunächst auch keine Frage, die von der Politik beantwortet werden muss. Die Debatten um den „CI Plus“ sind darüber hinaus noch sehr vage. Grundsatz muss sein, dass jeder Inhalt zu jedem Kunden kommen können muss – und umgekehrt. Dementsprechend „offen“ müssen die Standards sein. Das heißt allerdings nicht, dass ich gegen die Verschlüsselung von privaten Sendern bin. Diese müssen selbst wissen bzw. entscheiden können, ob sie z.B. den wahrscheinlichen Reichweitenverlust verkraften können. Private Sender sollten aus meiner Sicht frei entscheiden können, wie sie ihr Programm versenden. Sie dürfen eben nur nicht von bestimmten Plattformen ausgeschlossen werden und der Kunde darf nicht durch zu hohe Hürden von Plattform-Wechseln abgehalten werden. Hier wird allerdings auch das Bundeskartellamt wachsam bleiben.
 
DF: Wie will die FDP Sorge dafür tragen, dass die deutschen Privatsender gleichberechtigt mit den Öffentlich-Rechtlichen Anstalten ihre HDTV-Angebote im Kabelnetz umsetzen können?
 
Otto: Die zunehmende Digitalisierung bedeutet zunächst ja eine Vergrößerung der Kapazitäten. Wie die Übertragungskapazitäten sich entwickeln, wenn nun deutlich mehr HDTV-Sender in die Netze eingespeist werden, lässt sich aus meiner Sicht noch nicht genau abschätzen. Denn der Netzausbau läuft parallel, und unter Umständen wird er durch die HDTV-Entwicklung noch weiter vorangetrieben. So bringt es für alle Beteiligten etwas, auch der Zuschauer – wenn er denn möchte – profitiert von immer schnelleren Netzen und immer besseren Programmen. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass für mich die Anzahl der öffentlich-rechtlichen Sender am absoluten Limit angelangt – wenn nicht sogar bereits darüber hinausgeschossen ist. Ich finde nicht, dass sämtliche 22 im Rundfunkstaatsvertrag vorgesehenen Fernsehkanäle nun alle sofort auf HDTV umgestellt werden müssen. Das werden die Finanzmittel wohl auch nicht hergeben. ARD und ZDF in HDTV ist sicher nett, ich bezweifle allerdings, dass z.B. Phoenix ebenfalls unverzüglich auf HDTV umstellen muss.
 
DF: Ihr Kollege Herr Waitz forderte kürzlich im DIGITAL INSIDER ein Umdenken bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ist für Sie vorstellbar, dass ARD und ZDF im Rechtebereich durch Adressierung der Gebührenzahler per Smartcard Kosten sparen können? Wäre eine GEZ-Behörde überhaupt noch nötig, wenn nur ein Zuschauer mit Berechtigung (Smartcard) die öffentlich-rechtlichen Programme sehen könnte?
 
Otto: Die FDP fordert seit Jahren ein Umdenken bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Anknüpfung der Gebührenpflicht an das „Vorhalten“ eines „Rundfunkempfangsgerätes“ ist antiquiert und absurd. Das zeigt zum Beispiel die Gebührenpflicht von PC mit Internetzugang. Wir haben das Konzept der allgemeinen und pauschalen Medienabgabe entwickelt. Diese müsste von allen erwachsenen Bürgern mit steuerpflichtigem Einkommen getragen werden. Die GEZ könnte abgeschafft und die Kosten von ca. 300 Mio. Euro im Jahr eingespart werden. Eine nutzungsabhängige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – so naheliegend diese auch erscheinen mag – hat das Bundesverfassungsgericht bereits mehrmals ausgeschlossen. Selbst wenn also der Gesetzgeber es wollte, könnte er deshalb kein „Pay-per-view“-Modell, eine nutzungsabhängige Finanzierung über eine Smartcard o.ä. für ARD, ZDF und Co. einführen. Im Rechtebereich mag dagegen eine Kostenreduktion denkbar sein, wenn der sogenannte „spill-over“ verhindert werden kann. Ich denke allerdings, dass ein solches Modell auf Grund der dann tatsächlich möglichen Nutzungskontrolle öffentlich-rechtlicher Angebote nicht gewünscht sein wird. Im übrigen ist auch dies eine Frage, die zunächst die Verantwortlichen – also die Rechteinhaber und die Rechtenutzer – unter sich klären müssen.
 
DF: Vielen Dank für das Gespräch![fp]

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30 Kommentare im Forum

  1. AW: FDP: "Anzahl öffentlich-rechtlicher Sender am absoluten Limit angelangt" Hans-Joachim Otto engagierte sich gegen die Offenlegung der Nebentätigkeiten. Er ist Mitglied des RTL-Programmausschusses und Mitglied des Main FM Business Radios Programmbeitrates.
  2. AW: FDP: "Anzahl öffentlich-rechtlicher Sender am absoluten Limit angelangt" Auch im nachfolgenden Bericht wird die Einstellung der FDP dargestellt: Digital Insider: FDP will grundlegende Reform von ARD und ZDF Die FDP sollte sich da raushalten und nicht immer nur "das Kapital" unterstützen. => Am Sonntag wählen wir Das neue ZDF Programm Neo wird hoffentlich nicht verhindert, oder mit Beschränkungen belastet. Die Bürger benötigen frei empfangbare Programme (HD-Qualität, ohne Restriktionen, ohne Kopierschutz): http://forum.digitalfernsehen.de/forum/df-newsfeed/227324-rtl-kritisiert-zdf-neo-12.html
  3. AW: FDP: "Anzahl öffentlich-rechtlicher Sender am absoluten Limit angelangt" Es gibt eine ganz einfach Methode, die Anzahl der öffendlich-rechtlichen Sender zu reduzieren: man legt ein paar Bundesländer zusammen (was nicht nur im Rundfunkbereich Kosten sparen würde!).
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