Bundesnetzagentur: „Einspeiseentgelte – ‚Stichtagsregelung‘ als Lösung“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Mit einer Stichtagsregelung wäre der Ausstieg aus dem Einspeiseentgeltmodell möglich, mein Rudolf Boll, Leiter der Pressestelle für den Bereich Telekommunikation bei der Bundesnetzagentur. DIGITAL FERNSEHEN hat sich mit ihm unterhalten.

Das Thema Einspeiseentgelte wurde vor kurzem im Zusammenhang mit der HDTV Einspeisung der öffentlich-rechtlichen Sender bei Kabel Deutschland heftig diskutiert. DIGITAL FERNSEHEN hat deshalb nachgefragt: Müssen Einspeiseentgelte eigentlich sein?
 
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Boll, müssen Kabelnetzbetreiber Einspeisentgelte erheben? Wenn ja, warum?
 
Rudolf Boll: Kabelnetzbetreiber müssen keine Einspeiseentgelte erheben. Wenn Sie Einspeiseentgelte erheben, dann darf dabei allerdings keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung einzelner Unternehmen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TKG erfolgen.
 
DF: Wie hoch darf dieses Entgelt sein?
 
Boll: Das Entgelt muss die Voraussetzungen des § 39 i.V.m. § 28 TKG erfüllen. Insbesondere darf kein Überschreiten der auch kartellrechtlich geltenden Missbrauchsschwelle gegeben sein. Ebenso wenig dürfen ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen vorliegen.
 
DF: Nach unseren Informationen betrifft die Regulierung durch die Bundesnetzagentur nur natürliche Monopole, die als „marktbeherrschend“ eingestuft worden sind. Dies seien: Kabel Deutschland, Unitymedia und Kabel BW. Andere Kabelnetzbetreiber werden demnach von Ihnen nicht reguliert?
 
Boll: Die Gesamtschau der Wettbewerbsbedingungen hat gezeigt, dass sich auf den Kabelmärkten die drei Nachfolgegesellschaften des ehemaligen Monopolisten Deutsche Telekom AG unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und Endverbrauchern verhalten können. Auf deren Märkten herrscht aufgrund beträchtlicher Marktmacht somit kein wirksamer Wettbewerb. Sie unterliegen deshalb der Regulierung durch die Bundesnetzagentur.
 
DF: Können Sie uns bitte kurz den Unterschied zwischen einer Ex-post- und einer Ex-ante-Regulierung erklären? Welche Regulierung liegt im Kabelmodell vor?
 
Boll: „Ex-ante“ und „ex-post“ sind gebräuchliche – wenn auch im Gesetz nicht verwendete – Kurzbezeichnungen für verschiedene Regulierungsarten. Unter einer Ex-ante-Regulierung sind vorab geführte Genehmigungsverfahren zu verstehen, die sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung und am Missbrauchsmaßstab orientieren. Unter einer Ex-post-Regulierung versteht man nachträglich geführte Überprüfungsverfahren anhand des Missbrauchsmaßstabs. Die Einspeiseentgelte im Kabelbereich unterliegen der Ex-post-Regulierung.
 
DF: Wie müssen wir uns das vorstellen, wenn Sie „kontrollieren“ – kennen Sie also alle Preise der drei Netzbetreiber für die Nutzung von x Megahertz Bandbreite?
 
Boll: Die Bundesnetzagentur nimmt eine Ex-post-Kontrolle vor, d. h. aufgrund der begründeten Beschwerde eines Rundfunkveranstalters würden die Netzbetreiber zur Vorlage von Verträgen, welche die vereinbarten Preise enthalten, aufgefordert.
 
DF: Wann schreiten Sie ein – wenn ein anderer Sender sich beschwert?
 
Boll: Bei den von der Bundesnetzagentur durchgeführten Verfahren handelt es sich um sogenannte Amtsverfahren, denen allerdings in der Regel eine Beschwerde/Information von außen zu Grunde liegt.
 
DF: Ist dies bereits erfolgt?
 
Boll: Bisherige Differenzen ließen sich bisher ohne ein offizielles Verfahren lösen.
 
DF: Sind die Kabelnetzbetreiber schon einmal auf Sie zugekommen und haben von alleine eine „Diskriminierung“ der eigenen Preise angezeigt?
 
Boll: Nein.
 
DF: Für welche Verbreitungsart haben Sie die Möglichkeit, einzuschreiten – Free-TV, Pay-TV oder beides? Wie ordnen Sie grundverschlüsseltes Fernsehen ein?
 
Boll: Die Bundesnetzagentur reguliert die Signalübertragung, keine Inhalte. Es ist damit unerheblich, ob es sich um Free-TV- oder Pay-TV-Programme handelt. Für den oben genannten Sachverhalt wäre eine Regulierungszuständigkeit im Verhältnis zwischen Rundfunkveranstalter und Netzbetreiber gegeben.
 
DF: Wenn ein Netzbetreiber für bestimmte Sender wie jetzt für die HDTV-Einspeisung von ARD und ZDF kein Geld verlangen würden, wäre das in Ordnung für Sie oder würden Sie Sanktionen verhängen? Wenn ja, welche sind da möglich?
 
Boll: Bislang liegen uns hierzu keine Beschwerden vor, so dass die Frage noch nicht durch die Bundesnetzagentur geprüft wurde. Generell gilt: Bei einem festgestellten Missbrauch sind Abhilfemaßnahmen auf Beseitigung/Unterlassung eines Missbrauchs (vgl. § 39 TKG) sowie Vorteilsabschöpfungen (vgl. § 43 TKG) möglich.
 
DF: Da die Verträge der Sender jeweils unterschiedliche Laufzeiten haben, wird sich gegebenenfalls immer ein Sender diskriminiert fühlen, wenn zu einem Zeitpunkt X keine Einspeiseentgelte seitens der betroffenen Netzbetreiber erhoben werden. Ist unter solchen Umständen überhaupt ein Ausstieg aus dem Einspeiseentgeltmodell möglich?
 
Boll: Unter der Voraussetzung, dass eine missbräuchliche Diskriminierung vorliegt, was durch die Bundesnetzagentur geprüft werden müsste, ließe sich diese durch eine Stichtagslösung vermeiden.
 
DF: Was halten Sie von der Umkehr der Entgeltströme, sozusagen dem amerikanischen Modell?
 
Boll: Systemänderungen sind denkbar. Welches System in welcher Ausprägung gelebt wird, ist aber grundsätzlich Sache des Marktes.
 
DF: Vielen Dank für das Gespräch. [ar]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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2 Kommentare im Forum

  1. AW: Bundesnetzagentur: "Einspeiseentgelte - 'Stichtagsregelung' als Lösung" Wenn ich das richtig verstehe, müssen Kabelnetzbetreiber keine Entgelte für die Einspeisung nehmen, machen es aber trotzdem, weil sie es schon immer so gemacht haben und davon jetzt nicht so ohne Weiteres lassen können Welchen Stichtag würde Herr Boll denn setzen, das hat DF nicht gefragt...
  2. AW: Bundesnetzagentur: "Einspeiseentgelte - 'Stichtagsregelung' als Lösung" Schade dass der Herr Boll nicht gefragt wurde, wie er zu dem Fall arteHD bei KabelBW steht. KabelBW weigert sich arteHD einzuspeisen, mit der Begründung, dass Sie dafür Einspeiseentgelte fordern müssen und arte HD verweigert diese Einspeiseentgelte mit der Begründung, dass dies schon mit dem ZDF-Paket bezahlt wurde. Und wir KabelBW-Kunden schauen in die Röhre Wie wäre es, wenn Digital Fernsehen auch mal für uns Schwaben und Badener kämpft wie gegen Kabel Deutschland. Da hat es ja super funktioniert.
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