Rückzieher bei Wunsch auf Werbeverbot für ARD/ZDF verteidigt

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Hamburg – Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) hat die Entscheidung der Länderchefs verteidigt, vorerst doch kein Werbeverbot für ARD und ZDF zu beschließen.

„Wer Werbefreiheit will, muss die Frage beantworten, wie die Einnahmeausfälle ausgeglichen werden. Kurzfristig müssten die Gebühren erhöht werden, und das ist nicht gewollt,“ so Müller gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“
 
Ursprünglich hatte sich ein Großteil der Länderchefs dafür ausgesprochen, den vergangene Woche beschlossenen Modellwechsel bei der Rundfunkgebühr mit einem Werbeausstieg von ARD und ZDF zu verknüpfen. Die Entscheidung wurde aber auf 2013 vertagt, zum Ärger der Privatsender, die einen unfairen Wettbewerb um Werbegelder sehen. Die Reform sei ein „Rohrkrepierer“, so der Privat-TV-Verband VPRT.
 
„Langfristig halte ich einen werbefreien öffentlichrechtlichen Rundfunk für sehr wünschenswert, aber man sollte die Frage von der Gebührenumstellung jetzt trennen“, sagte Müller. Vor allem Sachsen hatte klargemacht, dass es dem Wechsel von der geräteabhängigen Gebühr auf eine pauschale Haushaltsabgabe nicht zustimmt, wenn die Gebühr über 17,98 Euro im Monat steigt – und damit auch den Werbeausstieg torpediert.
 
„Wir mussten uns entscheiden: stabile Beiträge für den normalen Mann auf der Straße oder die Interessen von Lobbygruppen. In Zeiten, in denen private und öffentliche Haushalte sparen müssen, können wir nicht sagen, wir machen das jetzt mal“, sagte der sächsische Staatskanzleichef Johannes Beermann. Allerdings kann die Politik die Gebühr nicht allein festlegen und daher auch nicht garantieren, dass sie nicht doch steigt.
 
Beermann kündigte aber an, dass die Politik den Umfang des Grundversorgungsauftrags von ARD und ZDF beschneiden könne, um die Summe stabil zu halten: „Wir gehen, wenn nötig, an den Aufgabenbestand heran und gucken, ob bei ARD und ZDF nicht weitere Sparanstrengungen möglich sind. Da kann sich die Politik nicht herausstehlen.“ Absehbar ist, dass die unbeliebte GEZ verkleinert wird. „Ich gehe davon aus, dass wir eine GEZ im Mini-Format brauchen. Die GEZ darf nicht in ihrer bisherigen Form und Größe bestehen bleiben“, sagte Bremens SPD-Bürgermeister und Interims- Bundespräsident Jens Böhrnsen. [fp]

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27 Kommentare im Forum

  1. Schattenfechten in der Medienpolitik Man kann sich schon fragen, auf Grundlage welcher Kalkulationen automatisch von einer Gebührenerhöhung ausgegangen werden muss, wenn die ARD auf Werbung verzichtet. Durch die endlich fällige Umstellung des Gebührensystems auf eine gerechte Haushaltsabgabe, bei der endlich alle beteiligt werden und nicht nur diejenigen, die so dumm waren sich bei der GEZ anzumelden, sollte eigentlich mehr als genug zusätzliches Geld in die Kassen spülen, um den Werbeverzicht auszugleichen. Bislang wurde für das alte Modell bei einem Werbeverzicht von zusätzlichen Gebühren in Höhe von rund 2 Euro pro angemeldetem Haushalt ausgegangen. Obwohl offizielle Schwarzseherstatisiken immer von der GEZ vermieden wurden, wird der Anteil auf mindestens 10% geschätzt, die nun automatisch am Gebührensystem beteiligt werden. Der zweite Effekt ist die Steigerung der Gebühren für Haushalte die bislang nur Radiogeräte und Internet angemeldet hatten. Durch eine Steigerung der Einnahmen indem nun eine einheitliche Gebühr verlangt wird, kommt hier auch einiges zusammen. Der dritte Effekt ist Einsparung durch Abwicklung der GEZ. Die Behörde kostet im Jahr 164 Mio. Euro. Selbst wenn man einige Mitarbeiter behält, bleiben doch etliche zusätzliche Millionen bei der ARD hängen. Fazit: Ich wünsche mir eine werbefreie ARD, unabhängig von Werbegeldern und Abhängigkeiten von der Industrie. Das ist im übrigen auch der immer wieder vorgebrachte eigene Anspruch der ARD. Die Realität sieht aber völlig anders aus (Kiewel-Skandal etc.). Eine Erneuerung ist innerhalb des bestehenden Sytems möglich und ohne zusätzliche Kosten machbar. Medienpolitiker aller Länder nutzt diese Chance.
  2. AW: Rückzieher bei Wunsch auf Werbeverbot für ARD/ZDF verteidigt Werbeverbot bei steuerfinanziertem Zwangsfernsehen müsste schon drin sein.
  3. AW: Rückzieher bei Wunsch auf Werbeverbot für ARD/ZDF verteidigt Also, werbefreies ARD & ZDF wäre schon was feines und rechnerisch bestimmt auch möglich. Da würde ich auch gerne noch 'nen Euro mehr zahlen, wenn dafür keine Werbung mehr liefe. Andererseits muss man aber auch sehen, dass die "Werbewirtschaft" gerne im ÖRR werben möchte, aufgrund des hochwertigen Programms und der erreichbaren Zuschauer (Zielgruppe). Sogar die zahlreichen politischen Magazine (nach 20.00 Uhr) wären für die Werbung interessant, wobei doch die privaten immer erzählen, das würde in deren Programmen nicht funktionieren (die scheuen natürlich die Kosten, die journalistische Qualität mit sich bringt). Und schon sind wir wieder beim Thema "Sicherung von Arbeitsplätzen" - die Werbekunden sagen natürlich auch zu Recht, dass sie weniger Produkte verkaufen, wenn sie keine Werbung bei ARD & ZDF schalten können. Die Zuschauer, welche dann nicht mehr zu erreichen sind, wandern ja dann nicht ins Privat-TV ab, um dort Werbung zu schauen Und die Privatsender sind ja hoffentlich nicht so doof zu glauben, dass die durch eine Werbefreiheit bei ARD & ZDF frei werdenden Budgets automatisch denen zufließen würden. Im Gegenteil: wenn man plötzlich einige Millionen Zuschauer weniger mit seiner Werbung erreichen kann, überdenkt man schon, ob man überhaupt noch in die Produktion teurer Werbefilme investiert. Viele Firmen würden vielleicht gar keine Werbung mehr im TV schalten. Diese Werbeeinnahmen wären dann bei RTL & Co auch futsch. Also, wenn sich der Jürgen Doetz vom VPRT für ein werbefreies ARD & ZDF ausspricht, schießt er sich und seiner Klientel selbst ins Knie. Wobei dieser Punkt in der Diskussion zu vernachlässigen ist Wenn sich die Privatsender mit ihrer Forderung nach werbefreiem ÖRR gleich mit weg-rationalisieren würden, dann wäre ja alles bestens. Grüße vom Grinch
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