Deutschland hat verloren: Ein Netzer-Nachruf

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Es war das letzte Fußball-Großereignis mit Gerd Delling und Günter Netzer. Nach zwölf Jahren Spielanalysen und verbalen Übersteigern war am Sonnabend Schluss. Delling und Netzer schafften am Ende das im Fußball Unmögliche: Beide gingen als Gewinner vom Platz.

Wir werden ihn vermissen. Netzers unnachahmliche Art, seinen Widerpart Gerhard Delling zu fixieren, nachzudenken und etwas vermeintlich Böses zu sagen. Wir wussten ja, es ist nicht wirklich böse, er muss es nur sagen, weil es ihm Spaß machte und Delling auch. Es war ein Spiel, das beide gespielt haben und wir, die Zuschauer, haben mitgespielt.
 
Jetzt ist Schluss und uns bleiben nur Moderatorendarsteller wie Reinhold Beckmann und der jungenhafte Mehmet Scholl oder Kathrin Müller-Nochwas und der Titan auf dem Zweiten, mit dem man angeblich besser sieht. Auf Sky konnte man sich davon überzeugen, dass sie in München nach wie vor den besten Fußballkommentator Deutschlands haben. Doch auch Marcel Reif blieb oft blass und schlecht glaunt. Vielleicht lag es am südafrikanischen Winter oder er hatte einfach keine Lust für ein paar tausend Zuschauer zur Hochform aufzulaufen.
 
Netzer reißt eine Lücke und es ist erstmal niemand zu sehen, der sie füllen könnte. Er war nicht nur ein Original auf den Fußballplätzen der 70er Jahre, er war auch ein Original in den Fernsehstudios der ARD. Man glaubt ihm, dass er sich eigentlich gar nicht gern sehen konnte und nun froh ist, dass es nach zwölf Jahren vorbei ist. Es gibt ein Leben nach dem Fußball war Netzers Devise und er weiß, es gibt auch eines nach der Fernsehkarriere. Wir gönnen es ihm, sind nur traurig weil er uns allein gelassen hat mit all den Anderen.
 
Wobei: Eine Überraschung gab es dann doch. Das war Olli Kahn, der verbissene Ehrgeizling, der zeigte, dass er ein ganz entspannter Typ sein kann, der auch zu scherzen versteht. Vielleicht hat ja seine jahrelange Perspektive als Keeper, am Rande des Geschehens auf dem Platz dafür gesorgt, dass er die eine oder andere Situation besser einschätzen kann als manch anderer Fußballkollege. Das ZDF hatte zwar mit dem „inneren Reichsparteitag“ einen verbalen Blackout seiner Moderatorin zu verkraften. Zur Versöhnung trugen dann aber wieder die fachkundigen Kommentare von Béla Réthy bei. Gerade bei ihm war der Unterschied zu den Kommentatoren des Bezahlsenders Sky augenfällig, auch wenn man denen zugute halten muss, dass sie teilweise aus München kommentieren mussten.
 
Die Kollegen von RTL haben aus den wenigen Spielen, die sie übertragen haben das Beste gemacht. Da nimmt man es auch nicht übel, dass die Fanmeile als Studiokulisse herhalten musste, und dass eher Unterhaltung als Analyse im Vordergrund stand. Die Mischung war nicht schlecht. Wieder wunderte man sich, dass Jauch nicht nur ein Experte der Großschanze sondern auch des Fußballsports ist. Aber Jauch kann scheinbar alles, demnächst ja auch Politik bei der ARD. Vielleicht sehen wir ihn in ein paar Jahren eine Kochshow moderieren, als Hauptdarsteller in einer Vorabendserie oder als Tatortkomissar. Jürgen Klopp machte seine Sache gut und über die Stimme und Aussprache des einstigen Nationalcoachs Jürgen Klinsmann zu lästern, wäre nicht in Ordnung. Er ist wie er ist und war ja auch nicht allzu häufig zu sehen.
 
Der Aufwand von ARD und ZDF mit 550 Leuten am Kap hat sich gelohnt und die übergroße Mehrzahl der Zuschauer will auch die nächsten großen Fußball-Events bei den Öffentlich-Rechtlichen sehen. Die Latte, die das Duo Delling-Netzer aufgelegt haben, ist hoch und wir werden nicht enttäuscht sein, wenn sie in Zukunft nicht übersprungen werden wird. Uns bleibt ja die Erinnerung. [mw]

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28 Kommentare im Forum

  1. AW: Deutschland hat verloren: Ein Netzer-Nachruf mir wäre es lieber alles würde auf Sky kommen, so dass ich auf die Geldverbrennungsmaschinerie ÖR nicht angewiesen wäre.
  2. AW: Deutschland hat verloren: Ein Netzer-Nachruf Netzer und Delling werden mir fehlen. Florian König und Jürgen Klinsmann mit ihrem dummen Gelabere, während gerade ein Tor fällt, aber überhaupt nicht ebenso die zäh wie Kaugummi gezogene Möchtegern Stimmungsfussballmoderation mit dem anderen Jürgen und Günter Jauch. RTL: nein Danke!
  3. AW: Deutschland hat verloren: Ein Netzer-Nachruf Hat der Schreiberling mal Jens Lehmann auf Sky gesehen? So sehr ich ihn als Spieler nicht mochte, umso mehr hat er mich als Experte überzeugt. Und was soll der dumme Spruch über Marcel Reif, der der beste Fußballkommentator in Deutschland ist, mit den paar tausend Zuschauern??? Ist das etwa Neid weil man selbst die WM nur beim ÖRR sehen konnte? Die beiden von der ARD erinnerten mich selbst, immer wenn ich sie sehen musste, an die Opas aus der Muppet Show. Glücklicherweise war es nicht so oft der Fall.
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