Primacom AG: „Öffnung der Insolvenzakte ist nicht geplant“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Die Holding des Kabelnetzbetreibers musste Anfang Juli Insolvenz anmelden, weil Kreditgeber Forderungen fällig gestellt und sich per Pfandrecht das Eigentum an der darunter liegenden Primacom Management GmbH gesichert haben. Im Interview mit DIGITAL FERNSEHEN spricht Hartwig Albers, Insolvenzverwalter der Primacom AG, über seine Arbeit in den letzten Wochen.

DIGITAL FERNSEHEN: Warum ging der Verkauf der Primacom Management GmbH auf einmal so schnell?
 
Hartwig Albers: Wir haben es hier mit Geschäftsanteilen zu tun, an denen einPfandrecht besteht. Die Gläubiger hatten bereits vor dem Insolvenzantrag von ihrem Verwertungsrecht Gebrauch gemacht. Als dann ein Kaufinteressent aufgeschlagen ist, der einerseits einen den Pfandrechtsgläubigern genehmen und fairen Preis geboten hat und der andererseits nach meiner Überprüfung ein angemessener Preis war, konnte der Verkauf relativ prompt passieren.

DF: Der Käufer ist sicherlich nicht am Montag früh um 7 Uhr aufgetreten …
 
Albers: Nein. Die Vorverhandlungen haben zirka eineinhalb Wochen gedauert, die dann mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen werden konnten. Denn handeln kann ich erst als bestellter Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren mit Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses. Dieser wurde im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens bereitsbestellt und in alles eingebunden und hat dann auch entsprechend zugestimmt.
 
DF: Wer ist denn im vorläufigen Gläubigerausschuss alles vertreten?
 
Albers: Der vorläufige Gläubigerausschuss besteht aus Vertretern der größten Gläubigergruppen sowie einem Betriebsratsmitglied der Primacom-Gruppe als Nichtgläubiger. Die Arbeitnehmer sind in diesem Verfahren zwar keine Gläubiger, aber mittelbar von dem Ergebnis betroffen.
 
DF: Ist der Verkauf an Medfort von der Zustimmung des Bundeskartellamts abhängig?
 
Albers: Grundsätzlich ist dies Sache des Käufers. Dieser muss für sich entscheiden, ob die Zustimmung erforderlich ist oder nicht. Soweit ich weiß, ist bereits eine Anfrage an das Bundeskartellamt gerichtet. Ich wüsste auch nicht was dagegen sprechen sollte, weil der Käufer in diesem Bereich meines Wissens noch gar nicht tätig ist. Der Käufer hat das Risiko für gering eingeschätzt, dass hier Friktionen kommen.
 
DF: Wie geht es mit der AG weiter?
 
Albers: Diese ist in der Insolvenz. Soweit noch Forderungen gegenüber Dritten bestehen, sind diese von mir als Verwalter durchzusetzen. Die Verwertung des wesentlichen Assets, der Geschäftsanteile an der Primacom Management GmbH, ist abgeschlossen. Die AG wird liquidiert, da sie im Moment nur noch als Hülle besteht. Sie ist kraft Gesetzes durch den Insolvenzeröffnungsbeschluss in der Abwicklung.
 
DF: Die Börsennotierung wird damit bald eingestellt?
 
Albers: Das haben wir im Detail noch nicht abschließend geprüft. Alles was zum Erhalt, beziehungsweise der Einstellung der Börsennotierung zu veranlassen ist hängt davon ab, ob Liquidität in der Masse vorhanden ist, um entsprechenden Aufwand dafür zu bedienen und ob dadurch ein Mehrwert für die Masse erzielt werden kann. Mit diesem Procedere werden wir uns beschäftigen.
 
DF: Gab es Gläubigerforderungen außerhalb der Banken?
 
Albers: Ja, aber nur in verhältnismäßig geringem Umfang.
 
DF: Wie konnten Sie den von Medfort angebotenen Kaufpreis beurteilen?
 
Albers: Ich habe mich der Angemessenheit des Kaufpreises versichern müssen. Dies läuft üblicherweise so ab: Der Insolvenzverwalter muss sich über den Wert der Assets ein Bild machen. Wenn Anlagevermögen vorhanden ist, wird von mir bei jeder Insolvenz ein Sachverständiger beauftragt, der sich professionell mit der Inventarisierung und Bewertung des Anlagevermögens beschäftigt. Dies liefert mir einen Maßstab, ob die verhandelten Verkaufs- oder Verwertungspreise angemessen sind. In diesem Falle war es etwas schwieriger, da eine Beteiligung verkauft werden sollte. Deshalb habe ich hier auf das namhafte Unternehmen KPMG zurückgegriffen. Nur so hat man einen Maßstab über welchen Preis man überhaupt zu verhandeln hat.
 
DF: Können denn sämtliche Masseverbindlichkeiten erfüllt werden?
 
Albers: Da müssen Sie trennen in Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen. Insolvenzforderungen sind im Rahmen der Anmeldung zur Insolvenztabelle zu berücksichtigen – da rechne ich auch außer den bekannten Gläubigerbanken nur in geringem Umfang mit Forderungsanmeldungen. Diese sind dann später quotal zu befriedigen, je nachdem wie viel Masse da ist. Dies ist das eigentliche Procedere eines Insolvenzverfahrens. Masseverbindlichkeiten sind die Verbindlichkeiten, die im Rahmen des Verfahrens zu begleichen sind. Ich habe zum BeispielKPMG mit einer „Fairness Opinion“ beauftragt. Die hierdurch entstandenen Kosten sind gedeckt. Ich musste dazu mit den Gläubigern eine Massebeteiligung verhandeln, das hat die Verhandlungen auch schwierig gemacht. Nur so sind solche Kosten dann aus der Masse gedeckt. Die Pfandrechtsinhaber mussten also von dem Kaufpreis, den sie als Absonderungsberechtigte zu beanspruchen haben, etwas in der Masse lassen, damit solche Masseverbindlichkeiten gedeckt werden können. Wie zum Beispiel auch die Versicherung des vorläufigen Gläubigerausschusses etc.
 
DF: Somit wird es für die AG keine weitere Hauptversammlung mehr geben?
 
Albers: Eine Hauptversammlung für eine AG im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens ist ja nahezu überflüssig. Es bestehen zwar weiterhin die Organe wie Aufsichtsrat und Vorstand, deren Rechte sind aber beschränkt. Sie können beispielsweise Anmeldung von Gläubigern bestreiten oder Rechtsmittel im Rahmen des Verfahrens ergreifen. Aber alle unternehmerischen Entscheidungen sind durch den Insolvenzbeschlag Sache des Insolvenzverwalters.
 
DF: Hat eigentlich Escaline noch Anstrengungen unternommen, die Insolvenz abzuwenden?
 
Albers: Mir sind keine bekannt.
 
DF: Wie viel ist die Primacom-Gruppe aktuell wert?
 
Albers: Das ist etwas differenzierter zu betrachten. Jedenfalls gab es für die Primacom AG einen Insolvenzgrund, sonst hätte es keine Insolvenzantrag gegeben. Erste Regel bei einer Insolvenz ist: Wenn Gläubiger nicht komplett befriedigt werden können – wie in diesem Fall – bekommen die Gesellschafter gar nichts. Hätten die Gesellschafter die Ansprüche der Gläubiger schnell befriedigt, hätte es keine Insolvenz gegeben. Das haben sie nicht getan, das konnten sie vielleicht auch nicht.
 
DF: Ist Herr Freitag noch als Chief Restructing Officer im Vorstand?
 
Albers: Ich weiß, dass er bestellt wurde durch entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss. Ob das allerdings wirksam war, kann ich im Augenblich noch nicht so ganz beurteilen. Nach meiner bisherigen Prüfung habe ich Zweifel ob seine Bestellung wirksam war. Unter Umständen war er gar nicht Vorstand des Unternehmens.
 
DF: Wäre die Insolvenzanmeldung alleine durch Herrn Dorn auch gültig?
 
Albers: Ja, absolut.
 
DF: Warum wurde die Insolvenzanmeldung über das Amtsgericht Charlottenburg gemacht, obwohl die Firma noch in Mainz gemeldet ist?
 
Albers: Es hat bereits vor Insolvenzanmeldung einen Beschluss zur Sitzverlegung gegeben, der nur noch nicht vollständig umgesetzt, das heißt, noch nicht im Register eingetragen wurde. Möglicherweise bestehen formale Mängel. Außerdem ist immer das Insolvenzgericht zuständig, wo auch der wirtschaftliche Mittelpunkt des Unternehmens, der sogenannte Comi (center of main interest), ist. Und der ist in Berlin Charlottenburg. Die Eintragung in Mainz ist quasi Historie; tätig war das Unternehmen seit dem Umzug allein in Berlin.
 
DF: Laut unserer Recherche gab es vor der Insolvenzanmeldung zirka 30 Millionen Euro an Liquidität innerhalb der Primacom-Gruppe. Wo steckte das Geld, wenn es nicht innerhalb der AG war?
 
Albers: Das entzieht sich meiner Kenntnis. Von dieser Summe wurde mir berichtet, doch damit hatte ich weniger zu tun, weil ich allein für die AG zuständig bin.
 
DF: Ist eine Öffnung der Insolvenzakte geplant oder ist eine Einsicht für Nichtgläubiger möglich?
 
Albers: Nein, ein Insolvenzverfahren ist ein nicht-öffentliches Verfahren, das heißt, Informations- und Partizipationsrechte haben allein Gläubiger des Verfahrens.
 
DF: Selbst Eigentümer, also Escaline oder anderen Aktionäre, haben keine Einsicht?
 
Albers: Soweit sie nicht Gläubiger sind, ist dies zutreffend. Aber sie können nachrangige Gläubiger sein, das sind sie in der Regel auch, jedoch sind diese Gläubiger derzeit nicht am Verfahren beteiligt.
 
DF: Gibt es eine Quote für die Eigentümer?
 
Albers: Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Möglicherweise würde dann gleichzeitig das Verfahren aufgehoben.
 
DF: Also kommen bereits die Banken nicht voll auf ihre Kosten?
 
Albers: In der Insolvenz der AG nein. Hier bekommen sie nur das, was allein aus dem Verkauf des Pfandrechts realisiert wurde.
 
DF: Wann wird der endgültige Gläubigerausschuss gewählt?
 
Albers: Diesen wird es erst geben, wenn die Gläubiger in einer in naher Zukunft stattfindenden Gläubigerversammlung den vorläufigen Gläubigerausschuss bestätigen oder aber einen anderen Gläubigerausschuss wählen. Aber soweit ist es noch nicht. Es kann aber auch sein, dass überhaupt kein Gläubigerausschuss mehr nötig ist. Das heißt. die Gläubiger wählen gar keinen mehr, weil sie der Meinung sind den nicht mehr zu benötigen, weil das Wesentliche bereits passiert ist.
 
DF: Der Verkauf ist inzwischen abgeschlossen, somit gilt es jetzt eigentlich nur noch die AG abzuwickeln?
 
Albers: Richtig.
 
DF: Vielen Dank für das Gespräch. [cg]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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