Müller-Sönksen: „ARD und ZDF droht Legitimitätskrise“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Kürzlich warf FDP-Politiker Burkhardt Müller-Sönksen ARD und ZDF Geldverschwendung bei der Übertragung der Leichtathletik-EM in Barcelona vor. DIGITAL FERNSEHEN sprach mit dem 50-Jährigen ausführlich über seine Ansichten zu diesem Thema.

DIGITAL FERNSEHEN: Herr Müller-Sönksen, Sie sind der Auffassung, dass ARD und ZDF mit dem Einsatz von 177 Mitarbeitern bei der EM Gebührengelder verschwendet haben. Warum?
 
Burkhardt Müller-Sönksen: Weil dieses Aufgebot völlig unverhältnismäßig ist, und zwar nicht nur bezogen auf die Sportler. Denn es starteten 73 deutscher Sportler, so dass fast drei Mitarbeiter auf einen Sportler kamen. Auch im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn muss man von Geldverschwendung sprechen, weil deren Übertragung mit weniger als der Hälfte des Personals gelungen ist. Zum Beispiel entsandte die britische BBC nur 49 Mitarbeiter und ist keinesfalls in den Verdacht ungenügender Berichterstattung geraten. Es ist mir unverständlich, warum mit ARD und ZDF beide öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nach Barcelona reisen mussten. ARD und ZDF sollten sich in der Berichterstattung über internationale Großveranstaltungen im Ausland abwechseln.

DF: ARD-Teamleiter Walter Johannsen verteidigte die Entscheidung mit dem Mehraufwand, der durch die HD-Übertragungen entsteht. Ihr Statement dazu?
 
Müller-Sönksen: Das halte ich nicht nur für abwegig, sondern sogar für eine bewusste Irreführung der Gebührenzahler. Denn erstens ist die Produktion für die gängige HD-Qualität seit Jahren erprobt und dürfte keinen Mehraufwand mehr erzeugen. Gerade die ARD hat bereits zu Zeiten, als es kaum HD-Empfangsgeräte gab, Sportübertragungen aufwändig in HD produziert und muss sich diese Experimente nun anrechnen lassen. Zweitens sollte Herr Johannsen den Gebührenzahlern einmal genau darlegen, wo die großen Einzelposten liegen. Mich würde zum Beispiel die Rechtfertigung der Produktionskosten für das HD Signalformat 1080i25 im Hinblick auf die in Deutschland dann notwendige Wandlung in 720p sehr interessieren. Da wird viel Geld völlig unnötig verbrannt und am Ende kommt noch ein schlechtes Bild dabei heraus. Im Übrigen diskutiert Herr Johannsen am Thema vorbei, weil die eigentliche Frage ja ist, warum es eine doppelte Berichterstattung sowohl der ARD also auch des ZDF gab.
 
DF: Kritisieren Sie generell den Mehraufwand bei der Übertragung von
Sportveranstaltungen? Beispielsweise schickten ARD und ZDF für die WM
mehr als 500 Mitarbeiter nach Südafrika.
 
Müller-Sönksen: Ich kritisiere nicht den Mehraufwand bei einzelnen Sportveranstaltungen, sondern generell jede Form der Gebührenverschwendung. Die Sportveranstaltungen sind oftmals ein sehr eingängiges Beispiel und ich finde es nur verständlich, wenn sich die Gebührenzahler fragen, warum ARD und ZDF soviel mehr Personalkosten verursachen als andere Sender. Wenn ARD und ZDF allein im Übertragungszentrum in Johannesburg 2 500 Quadratmeter belegen, also rund ein Viertel der allen Nationen zur Verfügung stehenden Fläche, stelle ich für den Gebührenzahler selbstverständlich die Kostenfrage.
 
DF: ARD-Programmdirektor Volker Herres kündigte im Juni an, in den
kommenden zwei Jahren 40 Millionen Euro sparen zu wollen – die Kürzungen
sollen Herres zufolge auch Sportübertragungen treffen. Aus Ihrer Sicht
eine Erkenntnis, dass dieser Bereich zu kostenintensiv ist?
 
Müller-Sönksen: Das kann sein. Allerdings ist der Betrag angesichts der 15,2 Milliarden Einnahmen im gleichen Zeitraum noch nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, sondern reine Symbolik.
 
DF: Wie realistisch sind diese Pläne Ihrer Ansicht nach?
 
Müller-Sönksen: In den letzten Jahren sind die Gebühreneinnahmen leicht gesunken, so dass Herrn Herres gar nicht anderes übrig blieb, als mit weniger Geld auszukommen. Aber so hat er natürlich eine schöne Gelegenheit, sich mit den Einsparungen zu brüsten. Meine Sorge ist Folgende: Sollte es tatsächlich zur Einführung der geplanten Haushalts- und Betriebsstättenabgabe als Surrogat der GEZ-Gebühr kommen, werden die Öffentlich-Rechtlichen beruhigt Abstand von ihren Sparplänen nehmen. Denn die Haushalts- und Betriebsstättenabgabe ist nichts anderes als die bisherige GEZ-Gebühr ohne die Voraussetzung eines Empfangsgeräts. Herr Prof. Dr. Kirchhof hat in einer Befragung im Deutschen Bundestag zu 100 Prozent eingeräumt, dass diese „GEZ-neu“ genauso sei, wie die alte GEZ-Gebühr, jedoch unter Wegfall des den Schuldnerkreis kleinerhaltenden Merkmals Empfangsgerät. Damit steht fest, dass die GEZ-alt ohne Empfänger exakt der GEZ-neu, genannt Haushalts- und Betriebsstättenabgabe entspricht. Daraus wiederum folgt eine signifikante Erweiterung des Schuldnerkreises, weil nunmehr alle Haushalte, also auch solche ohne Empfangsgeräte gebührenpflichtig wären. Dieses wird für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zu beispiellosen Mehreinnahmen führen. Anstatt die finanziell ohnehin üppig ausgestatteten Sendeanstalten zum Sparen anzuhalten, würde ihnen also noch mehr Geld der Bürgerinnen und Bürger zugesprochen.
 
DF: Erfüllen ARD und ZDF, Ihrer Meinung nach, noch immer Ihren Informationsauftrag angesichts häufiger Sportübertragungen, für die beispielsweise bei der WM Nachrichtensendungen gekürzt wurden?
 
Müller-Sönksen: Große Sportereignisse selbst haben ein großen Nachrichtenwert und sind zu Recht Teil der Nachrichten. Statt darüber zu diskutieren, ob ausführlichste Sportberichterstattung noch zum Informationsauftrag gehört oder schon Unterhaltung ist, sollte der Grundversorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten generell konkretisiert werden. Die Politik darf nicht der Versuchung erliegen selber konkrete Sendepläne zu erstellen. Andererseits mangelt es den gesetzlichen Vorgaben an Konkretisierung, was unter dem Begriff Grundversorungungsauftrag zu verstehen ist.
 
DF: Wie rechtfertigen sich in diesem Fall Einnahmen durch die Haushaltsabgabe?
 
Müller-Sönksen: Der Grundversorgungsauftrag ist untrennbar mit der Frage der Rundfunkfinanzierung verbunden, weil er die Rechtfertigung für die Erhebung der jetzigen Gebühr und der zukünftigen öffentlich-rechtlichen Finanzierung ist. Die EU Kommission geht meines Erachtens richtigerweise davon aus, dass es sich dabei um Subventionen handelt, die stets einer Rechtfertigung bedürfen. Wir sollten also schon aus rechtlichen Gründen ein Interesse an einem schärfer gefassten Grundversorgungsauftrag haben. Viel schwerer wiegt die drohende Legitimitätskrise des öffentlich-rechtlich Rundfunk als Institution. Denn wenn die Bürgerinnen und Bürger den Grundversorgungsauftrag nicht erfüllt sehen, werden sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an sich infrage stellen.
 
DF: Vielen Dank für das Gespräch. [mg]

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63 Kommentare im Forum

  1. AW: Müller-Sönksen: "ARD und ZDF droht Legitimitätskrise" Der Mann hat Recht. Es ist unfaßbar, wie viel Geld ARD und ZDF zur Verfügung steht. Jetzt soll es nochmal mehr werden. Da sollte der Rasenmäher mal pauschal 30% abrasieren. Das merkt kein Mensch.
  2. Was geht einem Bundestagsabgeordneten ARD/ZDF an? Der gute Mann ist Bundestagsabgeordneter - damit ist er für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (und damit auch den Rundfunkgebühren) per definitionem nicht zuständig (Rundfunk ist Ländersache!). Was geht ihm dieses Thema überhaupt an? Hat er keine dringendere Probleme als dieses Thema, bei dem er sowieso nichts zu melden hat?
  3. AW: Müller-Sönksen: "ARD und ZDF droht Legitimitätskrise" der fdp-mann mag ja in diesem fall in der sache recht haben, aber sein ganzes anliegen ist lobby-arbeit für das private fernsehen.
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