Wiener „Tatort“: Die menschlichen Abgründe sind tief

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Pünktlich zur Regierungskrise in Österreich wird auch im Wiener „Tatort“ im politischen Sumpf ermittelt. Bei den Dreharbeiten gab es einen kleinen Zwischenfall – die Qualität des Films leidet darunter aber in keiner Sekunde.

Die Begriffe Politik und Österreich bilden in diesen Tagen ein schwieriges Paar. Ausgerechnet jetzt gehen auch die Wiener „Tatort“-Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer, 58) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser, 60) wieder einem Fall nach – bei dem wie schon zuletzt Korruption und Vorteilsnahme eine Rolle spielen, politische Abgründe eben. Der „Tatort: Glück allein“ heute um 20.15 Uhr ist der 21. gemeinsame Fall des beliebten Duos und einer, der im Fernsehen schon ein Thema war.
 
Denn die Spaßvögel von „Verstehen Sie Spaß“ hatten es sich vor einem Jahr zur Aufgabe gemacht, die beiden Schauspieler Krassnitzer und Neuhauser reinzulegen. Erst flog eine Drohne über das Set, dann nervten ein paar Fans, schlussendlich sprang das Auto nicht an. „Das ist ein ganz ein eigener Fall hier“, meckerte Neuhauser, ehe sich ein Mechaniker als „Verstehen Sie Spaß?“-Moderator Guido Cantz entpuppte.
 
Doch zurück zum neuen „Tatort“, der zwar mit Krimi-Humor beginnt (blutiges Fleisch wird grob zu Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“ verarbeitet), aber danach nicht viel Gelegenheit zum Lachen gibt: In der Wohnung des Politikers Raoul Ladurner (Cornelius Obonya, 50, „Maria Theresia“) hat es ein Blutbad gegeben, seine Frau ist tot, die zehnjährige Tochter wird schwer verletzt ins künstlichen Koma versetzt.

Ladurner gilt als Aufklärer der Alpenrepublik, vermarktet sich selbst als Saubermann, den es nun besonders hart getroffen hat. Dass er genau das nicht ist, ahnt Eisner schnell. Ladurner ist eingebildet, egozentrisch – ein absoluter Unsympath.
 
„So eine Frau mit Format, ich weiß nicht, wie Du die ersetzen willst“, raunt er seiner Affäre Julia Soraperra (Gerti Drassl, 41, „Der Medicus“) zu. Die Kommissarin soll auf Geheiß des Ministers den Fall aufklären – und nicht das eingespielte Ermittler-Duo.
 
Doch klar, die beiden bleiben natürlich an dem Fall dran und nehmen eine Ukrainerin ins Visier, die mit Uranhandel und Parteienförderung in Verbindung gebracht wird. Ladurner hatte gegen sie schwere Anschuldigungen erhoben – ist der Mord nun die Rache? Moritz Eisner ist sich da nicht sicher, er verbeißt sich in den psychopathisch wirkenden Politiker. „Wer sind Sie wirklich?“, fragt er ihn – es ist die entscheidende Frage dieses typischen Wiener „Tatorts“.
 
Denn die österreichisch-argentinische Regisseurin Catalina Molina (34, „Landkrimi“) und Drehbuchautor Uli Brée (55, „Vorstadtweiber“ haben in diesen Fall alle Merkmale eines Eisner-Fellner-Tatort gepackt: Politische Mauscheleien bilden den Rahmen, das sich gegenseitig wie ein altes Ehepaar stützende Team wird immer liebenswürdiger, auch wenn es zwischen den beiden regelmäßig kracht. Und natürlich darf eine Informantin aus Bibi Fellners Zeiten bei der Sitte nicht fehlen.
 
Der ganze Film ist düster angelegt und erinnert an die Wiener „Tatort“-Folge „Wahre Lügen“, die im Januar ausgestrahlt wurde. Auch der neue Fall ist vertrackt und beleuchtet menschliche Abgründe – und damit ist nicht allein der Mord zu Beginn des Films gemeint. Cornelius Obonya als Politiker Ladurner gebührt dabei das Lob für die Darstellung eines Tyrannen, der innerhalb von Sekunden zwischen zu Tode betrübt und angeberisch provozierend wechselt. Das treibt nicht nur Moritz die Zornesröte ins Gesicht.
 
Dass „Glück allein“ etwas mehr als zwei Wochen nach dem Bekanntwerden des skandalösen Ibiza-Videos ins Fernsehen kommt, das die aktuelle Regierungskrise auslöste, ist vermutlich Zufall. Der sehenswerte Film passt aber gut in eine Zeit, in der Österreich eben auch mit Korruption und Politskandalen in Verbindung gebracht wird. [Fabian Nitschmann]

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