Die FSF und die Freigabepolitik fürs deutsche Fernsehen

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Die Freigaben der FSK und der BPjM betreffen nicht nur den Kino- bzw. Heimkinobereich, sondern beeinflussen auch TV-Ausstrahlungen. Was zu welcher Zeit gezeigt werden darf, entscheidet mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) allerdings eine eigene Instanz.

Neben der FSK ist die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) eine weitere Prüfinstanz, die über den deutschen Medienschutz wacht. Nach eigener Aussage ist die FSF ein gemeinnütziger Verein privater Fernsehanbieter, wird demnach von den privaten TV-Anstalten finanziert. Der Verein prüft Fernsehprogramme, also Filme, Serien aber auch Shows, auf die Härte der Gewaltdarstellung und auf sexuelle Darstellungen. Von dem Urteil der Prüfer hängt es ab, zu welcher Sendezeit die begutachteten Inhalte im deutschen Fernsehen gezeigt werden dürfen. Nur wenn ein „vertretbares Maß an Gewalt- und Sexualdarstellungen“ erfüllt ist, darf der vorgelegte Titel überhaupt unangetastet im Fernsehen laufen.
 
Gegründet wurde die FSF 1994. Im Vorfeld entbrannte in der Öffentlichkeit und den Medien die Diskussion, wie zeigefreudig vor allem das private Fernsehen sein darf, wenn es um Gewalt und Sex geht. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die jeweiligen Landesmedienanstalten mit der Prüfung von Fernsehprogrammen beauftragt, durften aber erst nach der TV-Ausstrahlung einschreiten, da Vorzensur seitens des Staates verboten ist. Dieses Dilemma sollte eine Institution lösen, welche ähnlich wie die FSK als von allen Programmveranstaltern akzeptiertes Prüforgan über den Jugendschutz im Fernsehen wacht. Außerdem sollte die FSF ein Bindeglied zwischen FSK und BPjM darstellen.
 
Nach holprigem Start ist der eingetragene Verein seit 2003 offiziell anerkannt und prüft zumindest alle fiktionale Inhalte. Bei Live-Übertragungen gestaltet sich die Situation schwierig, da hier zwangsläufig der Programminhalt nicht vor Ausstrahlung vorgelegt werden kann. Wer prüft was?

 
Wie bei der FSK arbeiten auch die Prüfer der FSF auf ehrenamtlicher Basis und müssen über Erfahrungen im pädagogischen, psychologischen sowie Jugendhilfe-Bereich verfügen. Wer prüfen darf und nach welchen Kriterien das Prüfverfahren verläuft, entscheidet ein unabhängiges Kuratorium, welches aus höchstens 18 Medienwissenschaftlern, Jugendschützern und Sendevertretern besteht. Letztere stellen ein Drittel der Mitglieder des Ausschusses. Neben dem Jugendschutz kümmert sich die FSF vor allem um die Veröffentlichung von medienpädagogischen Ratgebern.
 
Von den Urteilen der FSF hängt die Programmplanung der Fernsehanstalten ab. Dafür orientieren sich die Prüfer an vier Zeitschienen, die wiederum dem jüngsten Altersdurchschnitt des Publikums entsprechen. Im Tagesprogramm zwischen 6.00 bis 20.00 Uhr gehen die Prüfer davon aus, dass Kinder unter 12 Jahren vor den Fernsehern sitzen, während im Hauptabendprogramm zwischen 20.00 und 22.00 die 12-Jährigen der Orientierungsmaßstab sind.
 
Im Spätabendprogramm von 22.00 bis 23.00 Uhr stellen die 16-Jährigen die jüngste Altersgruppe dar, nach welcher sich die Freigabe richtet. Das Nachtprogramm zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr gehört dann den Erwachsenen. Ausschlaggebend für die Freigaben ist laut eigenen Statuten  „die Wahrnehmung und Verarbeitung von Fernsehinhalten“ der Altersgruppen.
 

Nach Antragstellung wird das jeweilige Programm zunächst von den fünf Mitgliedern des Prüfungsausschusses beurteilt. Möglich sind vier Urteile: die antragsgemäße Freigabe, die Festlegung einer anderen Sendezeit, die Auflage von Schnitten oder die Ablehnung der Sendung. Ist ein Programmveranstalter mit dem Urteil nicht zufrieden, führt der Weg über den Berufungsausschuss, dem sieben Mitglieder angehören. Sollte ein Sender gegen die Prüfentscheidung verstoßen, also beispielsweise ein für das Nachtprogramm gedachtes Format bereits um 20.15 Uhr senden, muss er mit Sanktionen rechnen, die sich aus dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ergeben.



 



 



Zum 31. Juli 2011 wurden insgesamt 13 809 Titel geprüft. 9 322 Programme wurden antragsgemäß freigegeben, 4 487 Mal wurde eine nicht antragsgemäße Entscheidung getroffen. In 1 971 dieser Fälle wurde die beantragte Sendezeit mit Schnittauflagen verbunden, bei 2 110 Programmen musste zu einem späteren Zeitpunkt gesendet werden. In 156 Fällen wurden sowohl eine spätere Sendezeit als auch eine Schnittauflage verhängt und 250 Mal die Ausstrahlung vollständig abgelehnt. Am häufigsten wurden mit 4 794 Prüfungen Serien beurteilt. Ausnahmeanträge wurden in 2 237 Fällen gestellt und 2 174 mal standen Erotik-Ausstrahlungen auf dem Plan.



Krimi-Reihen und die erlaubte Sendezeit

 
Bei den zu prüfenden Programminhalten kann es sich einerseits um bereits durch die FSK gekennzeichnete Filme handeln. Nach deren Freigabe orientiert sich die Platzierung im Sendeplan. Möchte ein Fernsehsender einen Film zu einem früheren Zeitpunkt senden, als es ihm die FSK-Freigabe erlaubt, muss er sich bei der FSF eine Sondergenehmigung einholen.
 
Falls also ein Film mit einer Altersfreigabe FSK 12 vor 20.00 Uhr gesendet werden soll, ist es erforderlich, dass ihn die FSF vorher begutachtet. Lediglich Filme mit einer Freigabe ab sechs Jahren oder „ohne Altersbeschränkung“ müssen nicht eingereicht werden. Filme ab 16 dürfen entsprechend der FSF erst ab 22.00 Uhr, Filme ab 18 erst ab 23.00 Uhr gezeigt werden. Im Falle von Erotikfilmen entscheiden die Prüfer, ob es sich bereits um Pornographie handelt oder eine Ausstrahlung ab 23.00 Uhr in Frage kommt.
 
Im Falle eigens produzierter Spielfilme oder TV-Movies, Serien oder Reality-Shows wird eine Prüfung in jedem Fall fällig, da diese noch von keiner anderen Instanz erfasst wurden und „nicht offensichtlich unbedenklich sind“ (§ 1 PrO-FSF). So darf beispielsweise der Bayerische Rundfunk eine Folge des „Polizeiruf 110“ nicht wie üblich um 20.15 Uhr, sondern am 23. September erst um 22.00 Uhr ausstrahlen. Die Folge der ARD-Krimireihe handelt von einem Bombenattentat auf ein Fußballstadion.
 
Grund der Verschiebung sind die nach Meinung der BR-Jugendschutzbeauftragten Sabine Mader vielenschrecklichen Bilder nach dem Anschlag und die durchgängig gehalteneSpannung in den inszenierten 90-Minuten-Fall fürproblematisch. Hinzu kommt ihrer Meinung nach die ständige Panik vor einem weiteren Attentat. Bei Kindernunter 14 Jahren könne dies nachhaltig Angst hervorrufen. „Entspannende Momente, die für einen 20-Uhr-Krimi typisch sindund einer emotionalen Überreizung und Ängstigung von Kindern undJugendlichen entgegen wirken, finden hier nicht statt“, sagte sie. „Eine Verschiebung der Sendezeit ist keine Zensur“, hatteBR-Fernsehdirektor Gerhard Fuchs Ende Juli betont. Es handele sichvielmehr um eine Entscheidung zum Schutz von Kindern. 
 
In der Regel muss bei Filmen, welche vor der ihr zugestandenen Sendezeit ausgestrahlt werden sollen, die Schere angesetzt werden. Das betrifft sowohl härtere Action- oder Horrorkost als auch friedfertigere Zeitgenossen wie „Harry Potter“ oder „Indiana Jones“, die über eine FSK-12-Freigabe verfügen aber im Tagesprogramm gesendet werden sollen. In den Nachtwiederholungen sind die Streifen dann häufig unzensiert zu sehen.
 
Diese Sendepraxis wird von den erwachsenen Fernsehzuschauern am stärksten kritisiert, da sie bereits im Tagesprogramm mit geschnittenen Fassungen leben müssen und abends, vor allem zur Primetime zwischen 20.00 bis 22.00 Uhr, ebenfalls nie sicher sein können, ob keine Schnitte – und damit entfallene Szenen – das Fernsehvergnügen trüben. Indizierte Filme dürfen seit dem 1. April 2003 nicht mehr im Free-TV gezeigt werden. Nur nach heftigen Schnitten kommt eine Ausstrahlung in Frage.Vorauseilender Gehorsam bei TV-Serien

 
Doch nicht nur Spielfilme werden häufig um einige Szenen erleichtert, um sie zu einem früheren Zeitpunkt zu senden, sondern auch TV-Serien. Verlangt die FSF nach einer späteren Ausstrahlung, drehen TV-Sender diesen Umstand auch gern zu ihrem Vorteil und promoten die spätere Sendezeit besonders intensiv. So geschehen bei den Mystery-Serien „Akte X“ oder „Supernatural“.
 
Im Falle von TV-Serien werden in der Regel drei Episoden eingereicht, seltener eine gesamte Staffel. Vor allem die von der FSF als „Forensik-TV“ betitelten US-Crime-Serien wie „CSI“ oder „Bones“ muss danach beurteilt werden, ob sie eine „entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung“ auf Kinder oder Jugendliche ausüben. Je nachdem, ob die Sendung vor oder nach 22.00 Uhr gesendet wird, entscheidet die FSF nach unterschiedlichen Kriterien.
 
Bei einer geplanten Ausstrahlung um 20.15 Uhr müssen die Ermittlungen immer erfolgreich sein, die Täter immer überführt werden und die Ermittler Sympathieträger sein, die auf Gewalt verzichten. Außerdem muss die Dramaturgie der Folge konstant verlaufen, damit sie von Kindern und Jugendlichen eingeordnet werden können. Bedrohliche Bilder sollen im engen Zusammenhang mit dem Inhalt stehen und Gewalthandlungen dürfen nicht direkt gezeigt werden, sondern müssen durch den Einsatz von „farblichen Verfremdungseffekten als stilistische Mittel zur Schaffung von Distanz zur Realität“ entfremdet werden. Weiterhin verlangen die Prüfkriterien nach einer mündlichen Schilderung des Tathergangs.
 
Um eine Episode nach 22.00 Uhr auszustrahlen, müssen vier Aspekte beachtet werden. Zum einen sollte eine „nachhaltige und übermäßige Ängstigung“ durch das Gezeigte vermieden werden. Das bedeutet, dass besonders blutige Gewaltdarstellungen oder drastische, selbstzweckmäßige Darstellungen von entstellten Leichen nicht enthalten sein dürfen. Außerdem darf die übliche Oduktionsszene nicht übermäßig lang ausfallen. Weiterhin dürfen die dargestellten Inhalte bei den minderjährigen Zuschauern keine „gewaltbefürwortenden Einstellungen“ hervorrufen.
 
Im Klartext heißt das, dass TV-Serien Gewalt nicht als Lösungsmittel legitimieren dürfen und die Gewaltszenen nicht zu wirkungsintensiv sind. Als weiterer Prüfungsaspekt gilt die mögliche „sozialethische Desorientierung“ durch ironischen oder sarkastischen Umgang mit Toten oder einer positiven Darstellung von Selbstjustiz. Abschließend ist auch das hohe Identifikationspotenzial für Kinder zu beachten.
 
Viele Serien werden bereits im Vorfeld einer FSK-Prüfung gekürzt, da viele TV-Sender, an welche die Serien verkauft werden sollen, eine FSK-12-Freigabe verlangen. Dieses Prozedere trifft auch im Falle einer Einreichung bei der FSF zu. Um eine Ausstrahlung in der für die Werbung so wichtigen Sendezeit um 20.15 Uhr zu erwirken, werden die eingereichten Folgen bereits im Vorfeld auf dem Schneidetisch bearbeitet. Während bei einer Heimkinoveröffentlichung die Episode mit der höchsten Altersfreigabe über die Freigabe der gesamten Box entscheidet, wird von der FSF jede Folge einzeln begutachtet.
 
DIGITAL FERNSEHEN stellt Ihnen an dieser Stelle immer am Montagvormittag das aus Sicht der Redaktion interessanteste Thema des Monats vor. Seit Anfang August beschäftigen wir uns mit Jugendschutz im Heimkino. In der kommenden Woche thematisieren wir, wie Jugendmedienschutz im Ausland betrieben wird. Zum Artikel aus der vergangenen Woche geht es hier.Thema des Monats: FSK und Jugendschutz
Thema des Monats im Überblick
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1 Kommentare im Forum

  1. AW: Die FSF und die Freigabepolitik fürs deutsche Fernsehen Eine wirklich interessante Aufstellung mit überraschenden Details. Man weiß hinterher nicht, ob die Jugendschutzmaßnahmen tatsächlich berechtigt sind oder neurotischen Gehirnen einer Wohlstandsgesellschaft entspringen, die offensichtlich keine wirklichen Probleme mehr hat.
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