Nahtoderfahrungen in der britischen Medienbranche

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Berlin – Über seine Erfahrungen mit der Medienbranche im vereinigten Königreich sprach heute auf dem DLM-Symposium Prof. Dr. Richard E. Collins, Medienwissenschaftler der Open University in Großbritannien.

Ein Warnhinweis steht am Beginn des Vortrags von Prof. Dr. Richard E. Collins, Medienwissenschaftler der Open University in Großbritannien. „Health Warning“ heißt es da, als könne die Beschäftigung mit dem Thema „Media in Transition“, also „Medien im Übergang“, zu gravierenden Gesundheitsproblemen führen. Und in der Tat, der Untertitel von Prof. Collins’ Vortrag legt diese Vermutung nahe: „Death, near death and life!“ Um Tod und Nahtoderfahrungen und um das Leben in der Medienbranche geht es in Collins’ Ausführungen.
 
Seiner Ansicht könnten die Fernsehsender seines Heimatlandes durchaus als Vorläufer für einen Wandel dienen, der sich auch in den anderen Industrieländern vollziehen werde. Während 2007 in Deutschland nur 4,4 Prozent der Werbung im Internet geschaltet wurde, waren es in Großbritannien schon 18,9 Prozent. Das EU-Land lag mit dieser Quote sogar deutlich vor den USA mit 12,6 Prozent.
 
Das Stück, dass sich Google, Ebay und Co. in Großbritannien vom Werbekuchen abschneiden, ist Collins’ Meinung nach groß genug, um bei den klassischen Medien einen strukturellen Wandel in Gang zu setzen. Hinzu kommen steigende Kosten durch Druck, Urheberrechte und Frequenzen.
 
Auch in Großbritannien sagen Experten für das laufende Jahr bei den klassischen Medien Umsatzeinbrüche von 12 bis 25 Prozent bei den Werbeeinnahmen voraus. Ob das auch für Kontinental-Europa gilt, bezweifelte Collins jedoch. Immerhin habe Deutschland im vergangenen Jahr sogar ein Plus von 4,5 Prozent bei der Fernsehwerbung verzeichnet.
 
Für den britischen Sender Channel 4 prognostizierte Collins bis 2012 ein Defizit von 78 bis 195 Millionen Euro. „ITV“ (Channel 3) habe bereits 2008 Verluste in Höhe von 3,5 Milliarden Euro verzeichnen müssen und würde sehr zufrieden mit den Verlusten sein, mit denen deutsche Sender zu rechnen hätten, so Collins. Heilung für diese kranken Sender könnte nach Meinung von Prof. Collins unterschiedlich aussehen.
 
Einerseits seien Fusionen, beispielsweise zwischen Channel 4 und „five“ und/oder „ITV“, denkbar, wenn auch nicht sehr realistisch, so Collins. Vorstellbar dagegen sei, dass aus dem Gebührentopf der BBC Geld abgezweigt würde, um kommerzielle Sender zu subventionieren. Schließlich erhalte die BBC für ihre sechs Kanäle 4,4 Milliarden Euro an Rundfunkgebühren.
 
Auf der Suche nach Lösungen wies Collins auch nach Frankreich. Hier habe Präsident Sarkozy umfangreiche Änderungen bei den Mediengesetzen initiiert. So werde dort der Zeitungsmarkt drei Jahre lang mit 600 Millionen Euro subventioniert und die Werbung in den öffentlich-rechtlichen Sendern sukzessive abgeschafft.
 
Für die Zwischenzeit sagte Richard E. Collins schwere Zeiten voraus. Vor allem die etablierten Medien würden sich einer tiefen Krise ausgesetzt sehen, so der Medienwissenschaftler. Und da das Internet durchaus alle existierenden Medien ersetzen könne, ziehe das mehr Wettbewerb und mehr Vielfalt nach sich. Der Journalismus werde durch tiefgreifende Veränderungen geprägt sein.
 
Die Folgen dieses Wandels verdeutlichte Collins anhand von Beispielen aus dem Zeitungsbereich. Beim „Daily Telegraph“ arbeiten die Journalisten aus den Bereichen Online und Print bereits jetzt in einer integrierten Redaktion.
 
Weiterhin ging Collins davon aus, dass das Internet, zumindest in Großbritannien, traditionelle Medien eher ersetzen als ergänzen werde. Und die Reaktionen dieser Medien darauf würden, so Collins, die Regulierer vor neue Herausforderungen stellen. „Es wird mehr Fusionen geben und mehr Hybride, also Video und Audio auf Zeitungsseiten im Internet“, prognostizierte Collins. Darauf werde man mit neuen Regeln zu reagieren haben, auch um die Medienvielfalt zu sichern.
 
Was sei zum Beispiel davon zu halten, wenn gleiche Inhalte auf verschiedenen Plattformen mit unterschiedlichen medienrechtlichen Bestimmungen erscheinen, fragte Collins.
 
Der Medienwissenschaftler sieht Gefahren vor allem für die kommerziellen Sender, nicht jedoch für die Gebührenfinanzierten. Diese Bedrohung stelle gleichzeitig eine Chance für neue Spieler im Mediensektor dar. Die Frage sei nur, ob die politisch Verantwortlichen sich aus den Denkmustern der „guten, alten Zeiten“ lösen könnten. [mg]

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  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

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