VPRT: Private berichten regelmäßig über Gefahr des Alkoholmissbrauchs

12
44
Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

Leipzig – Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), will die Alkoholwerbung im Fernsehen einschränken.

Nachdem sich der Geschäftsführende Gesellschafter der Gaffel Brauerei, Heinrich Becker und der Pressesprecher des Deutschen Werberats, Volker Nickel bereits sehr kritisch zu diesem geplanten Verbot geäußert haben, erläutert der Präsidenten des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), Jürgen Doetz, seine Ansichten zu Thema.

DIGITAL FERNSEHEN: Herr Doetz, wie stehen Sie auf Seiten des VPRT zu diesem Thema?
 
Jürgen Doetz: Aus unserer Sicht ist zunächst einmal gerade bei diesem Thema ganz entscheidend, dass eine sachliche Diskussion geführt wird. Wenn es um den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Alkoholmissbrauch geht, so ist dies ein Anliegen, das auch die im VPRT zusammengeschlossenen privaten Rundfunkanbieter uneingeschränkt unterstützen.
 
Über die Mittel und Wege, wie dieses Ziel bestmöglich zu erreichen ist, muss jedoch eine umfassende gesamtgesellschaftliche Debatte geführt werden, die in Deutschland noch am Anfang steht. Unbestritten – auch aus wissenschaftlicher Sicht – ist bislang jedenfalls, dass zur gezielten Lösung des Problems von Alkoholmissbrauch durch einzelne Gruppen von Minderjährigen einfache und vor allem eindimensionale Konzepte nicht helfen werden – gerade weil das Phänomen eben nicht „die“ Jugend insgesamt betrifft.
 
Weitreichende Einschränkungen der Werbung, wie sie nun von der Bundesdrogenbeauftragten vorgeschlagen werden, lehnt der Verband jedoch ab, weil sie nicht zielführend sind und einen unverhältnismäßigen Eingriff in die grundrechtlich garantierte Rundfunkfreiheit bedeuten, zumal insbesondere die Geeignetheit von Werbebeschränkungen zur Erreichung einer wirkungsvollen Prävention von Alkoholmissbrauch wissenschaftlich gerade nicht nachgewiesen werden konnte.
 
Bei aller Unterstützung für das zweifellos wichtige und richtige gesamtgesellschaftliche Anliegen des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor Alkoholmissbrauch stecken in dem geplanten Aktionsprogramm große wirtschaftliche Risiken für eine Vielzahl von Branchen, die in keiner Relation zu dem unsicheren, aber erhofften Erfolg bei der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs stehen.
 
Die Pläne von Frau Bätzing stehen zudem in eklatantem Widerspruch zum jüngst veröffentlichten Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung, in dem diese im vergangenen Dezember klarstellte, dass sie weitere Werbebeschränkungen und -verbote strikt ablehnt und zugleich der Auffassung ist, dass die bestehenden Regelungen dem Verbraucher- und Gesundheitsschutz angemessen Rechnung tragen.
 
Festhalten möchte ich hier auch, dass wir als Verband immer deutlich gemacht haben, dass wir mit Blick auf die wirkungsvolle Bekämpfung von Alkoholmissbrauch bei jungen Menschen alle Präventionsmaßnahmen unterstützen, bei denen die Suche nach wahren Ursachen, ein gesellschaftlicher Diskurs und die Entwicklung eines entsprechenden Problembewusstseins im Fokus stehen. Hier muss es maßgeblich um Information, Aufklärung und Vorbildwirkung gehen.
 
Dazu zählen im Sinne eines mündigen und eigenverantwortlichen Verbrauchers auch die Ansätze, die auf eine Stärkung der individuellen Gesundheitskompetenz setzen. Unabhängig davon plädieren wir primär für Maßnahmen, die gezielt bei den Eltern, den Jugendlichen und im sozialen Umfeld ansetzen sowie für einen konsequenten Vollzug bereits bestehender gesetzlicher Regelungen.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Inwiefern könnte sich ein solches Verbot negativ auf private Rundfunkanbieter auswirken?
 
Jürgen Doetz: Die Mitgliedsunternehmen des VPRT, insbesondere die privaten Fernseh- und Radiosender, finanzieren sich zum überwiegenden Teil aus Werbung und Sponsoring. Die Hauptbasis der deutschen Medienvielfalt ist die Werbefinanzierung. Jede Intervention in den Werbemarkt stellt vor diesem Hintergrund – zumal in diesen wirtschaftlich ausgesprochen schwierigen Zeiten – einen Eingriff in das Geschäftsmodell der TV- und Radio-Sender und ihre wirtschaftliche Grundlage dar.
 
Zum anderen bedeutet sie vor allem einen unzulässigen und unverhältnismäßigen Eingriff in die verfassungsmäßig verbriefte Programm- und Rundfunkfreiheit. Die Vielzahl der privaten Programmanbieter, die Deutschlands Medienvielfalt mitgestalten, haben nicht die Möglichkeit, einen Werbeverlust ohne Weiteres durch andere Einnahmen zu kompensieren – zumal weitere Werbebeschränkungen parallel ja auch in anderen Bereichen, etwa der Ernährung und der Automobilindustrie, drohen.
 
Mit solch massiven Eingriffen in die Finanzierungsgrundlage der Rundfunkanbieter geht also insgesamt eine Gefährdung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit und -vielfalt einher, die politisch so nicht gewollt sein kann.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Der Alkoholkonsum von Jugendlichen in Deutschland sei dramatisch gestiegen. Laut Bätzing führe Alkohol-Werbung im TV zu einem „früheren Trinkbeginn“. Inwiefern beeinflusst Ihrer Meinung nach die TV-Werbung das Verhalten von Jugendlichen?
 
Jürgen Doetz: Auch hier sollten wir bei den Fakten bleiben: Dass der Alkoholkonsum von Jugendlichen in Deutschland dramatisch gestiegen ist, stimmt so nicht. So zeigen etwa neueste Untersuchungsergebnisse der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), dass der Anteil der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren, die regelmäßig Alkohol konsumieren, im vergangenen Jahr zurückgegangen ist.
 
Übrigens ist auch der Alkoholkonsum in Deutschland insgesamt seit zehn Jahren rückläufig – und das, obwohl der Wettbewerb um Marktanteile hierzulande stark ist und trotz steigender Investitionen auch in die Werbung. Eine Kausalität zwischen Werbung und dem Trend zum Gesamtkonsum von Alkohol bzw. dem Missbrauch alkoholhaltiger Getränke lässt sich wissenschaftlich folglich so nicht feststellen.
 
Wissenschaftlich belegt ist hingegen, dass die Ursachen für den Alkoholmissbrauch bei Minderjährigen ebenso komplex wie vielfältig sind und die Meinungsbildung von Jugendlichen in einem weit stärkeren Umfang durch die Eltern und das soziale Umfeld als durch die Medien beeinflusst wird.
 
Studien wie zum Beispiel „Ursachen jugendlichen Alkoholkonsums: Die Rolle der Eltern“ von Poppelreuther/Bergler weisen nach, dass Werbung Jugendlichen im Thema Alkohol nicht als Orientierungshilfe dient. Für diese Einschätzung spricht auch der Umstand, dass überall dort, wo Werbung für einzelne Produktgruppen verboten wurde, sich am Missbrauch erwiesenermaßen nichts geändert hat. Dies zeigen unter anderem Erfahrungen in den skandinavischen Ländern, wo es zum Teil drastische Beschränkungen der Alkoholwerbung gibt, der missbräuchliche Umgang mit Alkohol aber – gerade auch bei Jugendlichen – konstant geblieben oder gestiegen ist.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Gibt es bereits eine Beschränkung für die Ausstrahlung von TV-Werbung mit alkoholischen Getränken?
 
Jürgen Doetz: Mit der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, dem Rundfunkstaatsvertrag, den Landesmediengesetzen und dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag existieren sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene heute bereits eine Vielzahl von detaillierten gesetzlichen Werbevorschriften sowie Beschränkungen von Werbung und Werbeinhalten.
 
Diese insgesamt weit reichenden Regelungen sind aus unserer Sicht vollkommen ausreichend. Sie betreffen – berechtigterweise – insbesondere den Kinder- und Jugendschutz. Werbung für alkoholische Getränke darf sich danach weder an Minderjährige richten, noch durch die Art der Darstellung Kinder und Jugendliche besonders ansprechen oder beim Genuss von Alkohol darstellen. Der VPRT hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Sender diese geltenden Vorschriften selbstverständlich einhalten und ihre Verantwortung gerade im Jugendschutz ernst nehmen.
 
Fakt ist zudem, dass die Sender mit dem gesamten Inhalt ihrer Programme unter der anerkannten und ständigen Kontrolle der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) sowie der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) stehen, was die Einhaltung der Bestimmungen des Jugendmedienschutzstaatsvertrages anbelangt. Darüber hinaus ahndet auch der Deutsche Werberat Verstöße gegen geltendes Recht und überwacht einen Katalog von detaillierten Regelungen, die einen effektiven Jugendschutz gewährleisten.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Inwiefern können private TV-Anbieter das Problem des übermäßigen Alkoholkonsums bei Jugendlichen angehen?
 
Jürgen Doetz: Die privaten Medien nehmen ihre redaktionelle Verantwortung in diesem Thema sehr ernst. Sie leisten im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Information und Aufklärung. So berichten private Medien regelmäßig über die Gefahren des Alkoholmissbrauchs, positionieren sich auch im Bereich ihrer fiktionalen Programmangebote erkennbar und schärfen so bei der Bevölkerung das Bewusstsein für die Gefahren von Alkoholmissbrauch.
 
Zudem beteiligt sich der VPRT an Medienkompetenzschulungen für Kinder und Jugendlich wie etwa der Initiative Media Smart, um sicherzustellen, dass Kinder und Jugendliche einen gesunden, differenzierten Umgang mit den Medien und der darin enthaltenen Werbung entwickeln und damit lernen, Werbebotschaften richtig einzuordnen. Darüber hinaus leistet auch die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) mit Seminaren in Schulen und anderen Angeboten einen wesentlichen Beitrag zur Medienkompetenzschulung.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Doetz, vielen Dank für das Interview. [mw]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

Bildquelle:

  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

12 Kommentare im Forum

  1. AW: VPRT: Private berichten regelmäßig über Gefahr des Alkoholmissbrauchs zum einen gibt es sicherlich verschiedene Abstufungen zwischen einem totalen Verbot und der aktuellen Situation. Z.B. ein deutlicher Hinweis bzgl. mögliche Gesundheitsrisiken, Werbung erst ab 23 Uhr oder was auch immer. zum zweiten hat auch das Verbot von Zigarettenwerbung die Werbeindustrie nicht einknicken lassen. zum dritten ist der Hinweis auf verfassungsmässige Rechte ("grundrechtlich garantierte Rundfunkfreiheit") etwas irritierend, schränken doch gerade Mitglieder des VPRT das Recht auf Informationsfreiheit bzw. Freiheit der Informationsbeschaffung ein. Damit mein ich nicht die Frage von Free-TV oder Pay-TV (Information darf ruhig Geld kosten), sondern die Koppelung der Informationsbeschaffung mit AGB, die weit über das Ziel hinausschießen (Laufzeit 12 oder 24 Monate, Vorschreiben bestimmter Empfangsgeräte, Nutzung der Daten z.B. für sog. individualisierte Werbung, Vorschreiben der Zahlungsform, sprich Bankeinzug, und, und und). Was sicher richtig ist, und von daher würde ein alleiniges Werbeverbot kaum was bringen: weder die Werbeindustrie noch die Getränkehersteller oder gar der VPRT können diese gesellschaftliche Probleme lösen; da sind wir alle gefragt...
  2. AW: VPRT: Private berichten regelmäßig über Gefahr des Alkoholmissbrauchs Genau. Private berichten regelmäßig über die Gefahr von Alkoholmissbrauch. Die Berichterstattung finanziert sich zum Teil durch die Spirituosenindustrie mit den dementsprechenden Werbespots. Ich lach mich kaputt...!!!
  3. AW: VPRT: Private berichten regelmäßig über Gefahr des Alkoholmissbrauchs Ich bin mir sogar sicher, wenn auf dem Alkohol wie auf den Zigarettenpackungen der Hinweis: "Suff kann einen Menschen töten". Oder "Trink nicht so viel Schnaps, sonst tragen Dich die Englein fort" draufstehen würde, und auch wenn die Werbung verboten würde wie bei den Zigaretten, würde der Alkoholumsatz sich kaum verändern. Es gibt sogar Alles-Sammler, die die Etiketten im Wasser ablösen und im Fotoalbum dann sammeln würden.
Alle Kommentare 12 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum