Vergessene SciFi-Perle: „Beyond The Infinite in Two Minutes“

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Bild: Busch Media Group

Eigentlich handelt es sich bei „Beyond the Infinite in Two Minutes“ nicht um eine vergessene, sondern eher um eine übersehene SciFi-Perle – denn der japanische Low-Budget-Film von 2020 ist vielen Fans des Genres wohl noch gar nicht bekannt.

Ganz schön mutig, dieses Handy-gefilmte Gedankenexperiment mit einem millionenschweren Blockbuster wie „Tenet“ zu vergleichen. Was der Autor des „Beyond The Infinite Two Minutes“-Mediabooks mit solch einem „David gegen Goliath“-Vergleich versucht, ist zu suggerieren, dass der angebliche One-Take-Science-Fiction-Streifen besser wäre und größeren Erfolg hätte als Christopher Nolans verkopfter Vorwärts-Rückwärts-Thriller. Dies ist freilich nicht der Fall. Es darf bezweifelt werden, dass die japanische Kleinst-Produktion mehr als 360 Millionen US-Dollar eingenommen hat. Ebenso gibt es weder groß angelegte Action noch visuell ansprechende Szenen zu bewundern, zumal der Film gerade mal in zwei bis drei Räumlichkeiten desselben Gebäudekomplexes spielt.

All das braucht Junta Yamaguchis 70 Minuten umfassende, minimalistische Komödie aber auch gar nicht. Hier wird ausschließlich die zweiminütige Zeitverzögerung bei einer Art Videotelefonie erforscht. Man kennt das ja z. B. von Skype. Wenn am anderen Ende der Welt jemand mit einer schlechten Internet-Leitung sitzt, kann es schon mal zu einer zeitversetzten Kommunikation kommen. In diesem Fall befindet sich der zweite Monitor – ein normaler TV mit Online-Anbindung und Kamera – jedoch lediglich ein Stockwerk unter Katos (Kazunari Tosa) Wohnung, genau genommen in seinem eigenen Café. Der noch viel wichtigere Unterschied ist zudem, dass die Zeitverzögerung anstatt in die Vergangenheit zwei Minuten in die Zukunft reicht. Kato ruft sich also selber vom Café aus an, um sich via Zukunfts-Standleitung zu informieren und nebenbei zu verraten, dass das von ihm gesuchte Gitarren-Plektrum unter dem Teppich zu finden sei. Woher er das weiß? Er hat es von sich selbst erfahren, vor genau zwei Minuten.

In der Endlosschleife

Kato begibt sich also schnurstracks ins Café und tätigt den selben Anruf noch einmal von der anderen Seite aus. Ursache und Wirkung werden zu einer Unendlichkeitsschleife verknüpft. Dieses Experiment wird dann noch zwei weitere Male mit unterschiedlichen, Neuankömmlingen aus Katos nerdigem Bekanntenkreis durchexerziert, was durch den Wiederholungscharakter beim Publikum schnell die Sorge weckt, dass es den ganzen Film über so weiter gehen könnte. Doch dann kommt die Variation und man kann sich beruhigt zurücklehnen, um mit noch viel abgefahreneren Ideen konfrontiert zu werden, die sich mit der Ausweitung des Zukunftsblickes über die zwei Minuten hinaus beschäftigen. Und das ist durchaus witzig anzuschauen, denn bis auf die scheinbar unendlichen Stromkabel des Rechners und des TVs sowie das ein oder andere vernachlässigte Paradox, wird das Gedankenexperiment in all seiner Konsequenz durchgespielt und für clevere Strategien z. B. gegen zwei bewaffnete Schmalspurganoven eingesetzt. Das Drama bleibt dabei im überschaubaren Rahmen, vielmehr heckt hier eine Art Olsenbande oder auch die „The Big Bang Theory“-Schar nicht ganz ernst zu nehmende Streiche aus, ohne auch nur zu ahnen, dass jede dieser Aktionen zur Auslöschung des Raum-Zeit-Kontinuums führen könnte. 

Beyond the Infinite in two Minutes
Bild: Busch Media Group

Zumindest im physikalischen Bereich sind die Teilnehmer des Experimentes fit wie ein Turnschuh. Munter werden der „Droste-Effekt“ (benannt nach einer historischen Kakao-Verpackung) oder auch die Wurmloch-Theorie zitiert, um das ganze glaubwürdiger zu machen. Auch Popkulturell wird einiges Wissen in die Waagschale geworfen und z. B. kurz erwägt, ob sie es nicht „Zurück in die Zukunft“ gleichtun und Sportwetten abzuschließen sollten? Oder es wird der eher in japanischen Gefilden bekannte Anime/Manga „Doraemon“ genutzt, um die Vervielfältigung seiner Selbst zu erklären. Am Ende der Laufzeit des scheinbar schnittlosen Films bekommt man als Zuschauer sogar selber Lust, mit dem Experiment, der Rekursion unter Selbstbezug, herumzuspielen. So spektakulär wie das grandiose „Tenet“ vermag „Beyond The Infinite Two Minutes“ zwar nicht zu unterhalten, dafür ist es aber ein sehr sympathischer 70-Minuten-„Kurzfilm“ mit Kultpotenzial. 

Text: Falko Theuner; Redaktion: Richard W. Schaber

Bildquelle:

  • beyond-infinite-two-minutes: Busch Media Group

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