
Apples „F1 – Der Film“ kommt mit allerlei Vorschusslorbeeren in die Kinos. Dabei hat der Film massive Probleme. Eine Gegenrede.
Was kann das Kino, was die TV-Übertragung nicht kann? Es kann die Perspektiven, Zeit und Raum aufsprengen. Gewiss, auch der Schnitt und die Einstellungen im Fernsehen formen den Rennsport auf ihre ganz eigene Weise. Aber die Möglichkeiten, derart exzessiv mit den Perspektiven zu spielen und so nah an die Erfahrung heranzukommen, wie es sich anfühlen muss, mit Höchstgeschwindigkeit die Strecke entlangzurasen; das kann wahrscheinlich doch nur ein Blockbuster wie „F1“ auf der großen Leinwand. Diese Qualität kann man dem neuen Apple Original mit Brad Pitt, das nun in den Kinos läuft, kaum absprechen.
Gerade die ersten Rennszenen dieses über zweieinhalb Stunden langen Films reißen einen mit. Da werden verblüffende, teils schwindelerregende Kameraeinstellungen gewählt. Dann, wenn der Rennwagen zum stillen Fixpunkt auf der Leinwand wird, während die Umgebung als verschwommener Tunnel vorbeizieht. Regisseur Joseph Kosinski ist gut darin, mit der Schausituation im Kino zu spielen. Da gibt es schließlich ohnehin immer ein Spannungsverhältnis zwischen dem ruhenden Körper und den Illusionen der Bewegung. Die Musik von Star-Komponist Hans Zimmer steuert ihr Übriges dazu bei. Mal mit wummernden, tiefen Trommelschlägen, mal mit langsam streichenden Tonfolgen, dann mit schnellen Beats, die mitunter schon treffend mit dem Score des Tennisfilms „Challengers“ verglichen wurden.

Die Action ist in „F1“ Teil der Werbestrategie
„F1 – Der Film“ heimst jedenfalls mit seiner Rennfahrer-Action international allerlei Lob und Vorschusslorbeeren ein. Doch den Film allein für diese Szenen in den Himmel loben zu wollen, ist schlichtweg zu naiv, um dem Kalkül des Werks gerecht zu werden. Überraschend ist wohl kaum, dass „F1“ als großer Werbefilm für die Formel 1 und die Motorsport-Industrie angelegt ist. Die personellen Verstrickungen, die dafür notwendig und möglich waren (DIGITAL FERNSEHEN berichtete), haben dafür gesorgt, dass die ganze Produktion hautnah in die Formel-1-Welt eintauchen und in ihr drehen durfte.
Segen und Fluch zugleich also, könnte man sagen. Es gibt wenige Seitenhiebe in diesem Film. Etwa bezüglich der Machtkämpfe der Manager und Geldgeber sowie der Verantwortungslosigkeit im Umgang mit dem eigenen Leben und dem Leben anderer. Insgesamt fehlt „F1“ allerdings deutlich die kritische Distanz, um damit einen interessanten Stoff, eine interessante Geschichte abseits von Gemeinplätzen und Männerfilm-Klischees zu erzählen.
Wandelnde Werbeflächen
Werbung und Inhalte verstehen sich selten allzu gut miteinander. In der Werbung geht es genau darum: Manipulation, Verführung, um reine Gefühle und weniger um Reflexion, Ambivalenzen und Aufklärung. All diese Aspekte sind sicherlich auch im (Blockbuster-)Kino immer ein Stück weit anzutreffen, aber wie zahm und unkritisch „F1“ im Blick auf seine Welt bleibt, ernüchtert dann doch. Joseph Kosinski reproduziert allein die Spektakel- und Konsumästhetik, die dieser Sportwelt innewohnt. Glatte Oberflächen, teure Materialschlachten, Verschwendung, Feuerwerk, Markenlogos überall. In gefühlt jedem zweiten Filmbild hat sich ein anderer Konzern verewigt.
An den weiß gekleideten Körpern der Stars prangen weitere Logos. Der Mensch ist zur Werbefläche verkommen. Gute Punkte, um mit einer Kritik einzusteigen! Der Film bietet sich sowieso sehr gut an, um eine spätkapitalistische Ästhetik zu studieren. Aber dem Film liegt offenbar recht wenig daran, einen Schritt zurück zu treten. Er taucht diese sehr eindrucksvollen Studien in ein Narrativ der Alternativlosigkeit, des Heldentums und verschleiert so die eigenen Inszenierungen.
„Wir sind einfach irre“, sagt der Teamchef am Krankenbett. Wenig später wird der Verletzte auf die Rennstrecke zurückkehren können, als sei diese Welt des Kräftemessens nun einmal ein Naturell, das es eben auszuleben gilt. Und am Ende wähnt man sich als Könige der Welt. Na klar, rational ist am Profi-Sport meist generell wenig. „F1“ strickt daraus aber lediglich eine Erzählung über Anpassung und das Einfügen in die Nahrungskette eines komplexen Geschäftsmodells. Dazu arbeitet das Drehbuch von „F1“ mit ähnlich abgedroschenen Formeln wie Joseph Kosinskis vorheriger Film, der Militär-Werbespot „Top Gun: Maverick„. Dieses Mal ist nicht Tom Cruise, sondern Brad Pitt der alternde Star, der der Jugend zeigen soll, wo der Hammer hängt. Um einen produktiven Austausch geht es dabei weniger. Eher um ein Vorführen, Belehren und letztlich ein Beerben.

Alt gegen Jung
Das F1-Nachwuchstalent Joshua malträtiert sich im Fitnessstudio zwischen Bluttests, Kabeln, Monitoren und sonstigen Maschinen. Aber der lässige Brad Pitt alias Sonny Hayes hat derlei Mätzchen nicht nötig. Er joggt an der frischen Luft. „F1“ will damit einen Charakterkonflikt etablieren. Hier: das reine Streben nach Profit, Optimierung und Ruhm. Dort: das Naturtalent, die scheinbar unverstellte, aufrichtige Leidenschaft. Man kann leicht vorhersagen, welche der beiden Seite hier schlussendlich bestärkt werden und gewinnen soll. Als sei es in der Branche überhaupt möglich, derartige Trennungen vorzunehmen!
Eine gänzlich kommerzialisierte, kapitalistische Spektakel-Industrie schmückt sich hier mit den künstlichen Federn einer vermeintlichen Authentizität, die unter all den künstlichen Oberflächlichkeiten schlummern soll. Man zeigt zwar, wie gewisse Attitüden sogleich wieder in ein Marken-Image und einen PR-Stunt verwandelt werden. Aber das Drehbuch und die Ästhetik des Films nehmen dieses Einhegen doch selbst vor! Nichts von alldem wird tatsächlich durchkreuzt oder zumindest konsequent misstrauisch vorgeführt. Alles folgt dem bloßen Affekt, den der Sport als Geschäft verkauft und nun auch noch das Kino als verlängerter Werbearm.

„Ferrari“ war klüger als „F1“
Teamgeist, Opfer, Märtyrertum und Biss werden hier als pathetische Tragödien aufgeführt. Ob man nun Sportler in der Umkleide oder Soldaten in der Kaserne sieht; man ist sich da mitunter kaum noch sicher. Die Truppe muss sich zu epischer Musik finden, um gegen die graue Masse an Gegnern in den Kampf zu ziehen. Auch das kennt man schon aus „Top Gun: Maverick“. Ein anderes Werk hat demonstriert, wie man es besser machen kann. Vor einiger Zeit erschien bei Prime Video das herausragende Biopic „Ferrari„. Dort ging es tatsächlich um einen brüchigen, beißenden Kommentar zum Spektakel-Kult des Rennsports. Auch dieser Film legte eine Lust am Rausch, dem Rausch der Geschwindigkeit an den Tag. An dieser zeitlosen Faszination ist an sich zunächst nichts verwerflich.
Aber „Ferrari“ versuchte sich ebenso an einer Kritik an den raubtierhaften Hierarchien und Mühlen der Industrie im Hintergrund. Menschen, die nach oben wollen, verwandelt diese in Wegwerfmaterial. (Todes)Opfer nimmt man schulterzuckend in Kauf. Am Ende siegt so oder so das Kapital und der reiche Unternehmer mit all seinen privaten Krisen verewigt sich in Monumenten. Man muss dieser Kritik nicht zustimmen, aber sie ist ein Angebot. Ein solches Angebot fehlt „F1“ bis auf wenige Randbeobachtungen. Hier geht es zuvorderst darum, ein paar verlogene Erfahrungen zu verkaufen. Reines Konsumkino ist das. Es will von einem Rebellen erzählen, dessen eigensinniger Kopf nur die Mythen und Verheißungen der Industrie aufwärmt und festigt.
„F1 – Der Film“ läuft seit dem 26. Juni 2025 in den deutschen Kinos und wird später bei Apple TV+ zu sehen sein.
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