Der neue „Mädchen Mädchen“ übertrifft den Original-Film

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Inke auf dem Fahrrad
Foto: Constantin Film

In dieser Woche startet das Remake der deutschen Komödie „Mädchen Mädchen“. Ein selten gelungenes Update.

„Mädchen, Mädchen“ ist nicht sonderlich gut gealtert. Anfang der 2000er hat man mit damit vielleicht einen Zeitgeist getroffen und einige kultige Szenen haben sich bis heute in der deutschen Filmlandschaft gehalten. Aber sieht man sich diese Komödie heute an, dann erschöpft sie sich doch recht schnell in altbackenen Geschlechter-Kalauern und Blödeleien. Umso skeptischer kann man in den ersten Minuten der Neuverfilmung werden, die jetzt in den Kinos läuft. Katharina Kiesl (Drehbuch) und Martina Plura (Regie) haben „Mädchen Mädchen“ neu verfilmt und am Anfang vermittelt ihre Fassung noch den Eindruck, sich eng an markante Szenen der Vorlage zu halten.

Einzelne Dialoge werden nachgespielt und ikonische Momente wie der öffentliche Fahrrad-Orgasmus haben es auch in dieses Remake geschafft. Aber das sind zum Glück nur ausgewählte Zitate und Referenzen. Umso erfreulicher nämlich, dass „Mädchen Mädchen“ in der 2025er Version dann recht schnell eigene Wege bestreitet und das Vorhaben glückt erstaunlich gut. Hier kann man einen seltenen Fall erleben, in dem die Neuverfilmung ein überzeugendes Update präsentiert, das zwar eng mit der DNA des Originals verflochten ist, aber dennoch auf eigenen Beinen steht und den Klamauk von damals in ein zeitgemäßeres Gewand kleidet.

Inke, Vicky und Lena liegen auf dem Boden
Foto: Constantin Film

Die Hürden der Sexualität

Im Original von 2001 spielten Diana Anft, Karoline Herfurth und Felicitas Woll die Hauptrollen. Jetzt übernehmen Kya-Celina Barucki, Julia Novohradsky und Nhung Hong das Zepter. Inken, Vicky und Lena, so heißen ihre Rollen, sind drei Teenagerinnen, die mit ganz gewöhnlichen Problemen der Jugend zu kämpfen haben und gerade ihre Sexualität erkunden. Wie im Original geht es dabei vor allem um die Suche nach dem weiblichen Orgasmus, den die Herren der Schöpfung noch nicht so ganz begriffen haben.

Dazu gesellen sich Auseinandersetzungen mit Infektionen im Intimbereich, Masturbation, dem Umgang mit Sexualität in der Familie, für den vor allem Henning Baum, der schon in der Vorlage mitspielte, als Inkes Vater herhalten soll. Das klingt nach inhaltlicher Mottenkiste, weiß aber in der um sich greifenden Prüderie im heutigen Mainstream-Kino geschickt eine diskursive Leerstelle zu füllen. Gerade für ein junges Zielpublikum!

In der populären Literatur etwa, die über TikTok beziehunsweise über BookTok besprochen wird, sind sexuelle Inhalte enorm prominent vertreten. Sie haben zum Teil ganz neue Genre-Auswüchse hervorgebracht. Auch in Werken, die zunächst gar nicht den Anschein erwecken. Das kommerziell ausgerichtete Massenkino hat bislang allerdings oft einen Bogen um derlei erfolgreiche Stoffe und Aushandlungen gemacht. In diesem Film ist das anders! Insofern könnte man „Mädchen Mädchen“ flapsig und reduzierend als BookTok-Kino bezeichnen, so unverblümt und unterleibsorientiert wie hier vom Erwachsenwerden, der eigenen Identität und ersten romantischen Erfahrungen erzählt wird.

Vicky im Freibad

„Mädchen Mädchen“ verengt die Welt auf den Körper

Formal ist das vor allem deshalb provokant, weil hier ein Jugendporträt gezeichnet wird, das extrem auf den eigenen Körper und die Emotion im unmittelbaren Alltag fokussiert ist und im Grunde alles Politische dort draußen in der Welt ausblendet. Oder ist es dadurch umso treffender und ehrlicher erzählt?

Und, noch einmal BookTok: Auch die Frage der Fiktion spielt hier eine zentrale Rolle und da legt „Mädchen Mädchen“ durchaus einen Finger in die Wunde. Diese deutsche Komödie thematisiert auch ein weibliches Schreiben von erotischer Literatur, das dann plötzlich zum öffentlichen Skandal und zum Grund für Mobbing wird. Fantasie und Realität sollen plötzlich verschmelzen. Die Fiktion wird allein auf die Autorin projiziert. Das künstlerische Werk soll allein als autobiographisches Dokument gelesen werden. Das sind nur allzu vertraute Trugschlüsse. Mit wenigen Klicks auf TikTok oder YouTube ist man im Kaninchenbau der Sittenwächter und moralinsauren Diskussionen, die über Jugendschutz, Schreib- und Veröffentlichungsverbote nachdenken.

Mobbing in Mädchen Mädchen
Foto: Constantin Film

Fiktion und Realität

Auf grenzüberschreitende Stoffe etwa, wie man sie im Dark-Romance-Genre findet, in dem Autorinnen ambivalente Gefühle oder gar eine Lust gegenüber männlichen Sexualdelikten auf fiktionale Weise schildern, wird dort schnell eine Hexenjagd veranstaltet. Hype und Verteufelung liegen eng beieinander und „Mädchen Mädchen“ hat den Stellenwert und die Dringlichkeit solcher Kunst- und Moraldiskurse erkannt und spiegelt sie nun auf der Leinwand. Sie werden Teil einer zeitgenössischen Popkultur, mit der die drei jungen Frauen in diesem Film aufwachsen, und damit ist nur eine Facette von „Mädchen Mädchen“ beleuchtet.

Dieser Film ist hin und wieder recht hölzern geschrieben. Das Drehbuch ächzt alle paar Minuten, wenn hinter jeder Zote und jeder beschämenden, sentimentalen oder humorvollen Situation dann zugleich wieder andere Zwänge erkennbar werden. Hier muss noch eine Produktplatzierung und Werbung stattfinden. Dort muss man noch einen belehrenden Monolog aufsagen, damit auch ja jeder im Publikum versteht, wie diese oder jene Szene gemeint und zu verstehen ist. Insofern fehlt dieser Neuauflage hin und wieder das Unverkrampfte, das Lässige, auch das Coole, mit dem das deutsche Kino oftmals hadert. Ein herausragender Jugendfilm in diesem Jahr ist „Mädchen Mädchen“ dennoch.

„Mädchen Mädchen“ läuft seit dem 3. Juli 2025 in den deutschen Kinos.

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