
Helge Schneider nimmt in „The Klimperclown“ eine filmische Selbstbetrachtung vor. Nicht nur Fans des Komikers dürften damit ihre helle Freude haben.
Auf die Frage, was Helge Schneider an seinem 70. Geburtstag geplant habe, reagierte der Komiker verhalten. Er gehe dann schon auf die 80 zu, sagte er in Leipzig, wo er diese Woche seinen neuen Film präsentierte. Vor seinem großen Jubiläum am 30. August ist Schneider auf Kinotour in Deutschland unterwegs. „The Klimperclown“ heißt sein neuer Film, der irgendwo an der Schnittstelle zwischen Dokumentar- und Spielfilm auf die Biographie des Künstlers zurückblickt. Eindeutig klassifizieren und definieren lässt sich dieses Werk ohnehin nicht, das Schneider gemeinsam mit Sandro Giampietro quasi im Alleingang auf die Beine gestellt hat. Ab Donnerstag läuft der Film bundesweit in den deutschen Kinos. Gegen Ende August wird er dann bereits im Ersten und in der ARD Mediathek gezeigt.
„The Klimperclown“ ist ein Fest für die Fans, aber zugleich auch viel mehr als reine Anbiederung oder ein bloßer Insider Gag. Schneider und Giampietro haben hier altes Archivmaterial ausgegraben und montiert. Familienaufnahmen, vergangene Konzerte, Making-Of-Szenen früherer Filmproduktionen. Dazwischen folgen nachdenkliche Alltagsbetrachtungen, Reisereportagen, allerlei musikalische Improvisationen, skurrile Träumereien und Rekonstruktionen, bei denen die Frage nach Fakt und Fiktion sowieso nach wenigen Minuten hinfällig ist.
Schneider begegnet dabei unter anderem seiner grotesk hergerichteten Hebamme mit Brille und falscher Nase, die ihn einst zur Welt gebracht haben soll. Die Geburt selbst wird mit einer kleinen Puppe nachgestellt. Solche experimentellen Szenen sieht man sonst bei den Filmfestspielen von Cannes in einem Film wie Annette! Später prügelt er etwa ewig auf einen Boxsack in einer düsteren Halle ein. Er träumt davon, einmal gegen einen Schwergewichtsweltmeister zu kämpfen. In Spanien sehnt er sich derweil nach einer eigenen Behausung. Man könne dort Wohnungen kaufen, müsse aber nicht.

Helge Schneider blickt in „The Klimperclown“ auf sein Leben zurück
Persönliche Treffen mit alten Bekannten und Kollegen bleiben hier für das Publikum stumm bis rätselhaft. Gespräche laufen ins Nichts, sofern sie überhaupt hörbar werden. Besonderer Höhepunkt: eine Begegnung mit dem Philosophen und Künstler Alexander Kluge, einem der klügsten Köpfe des Landes, der immer noch höchst anregende Texte publiziert. Das Interview wird so abrupt abgeschnitten, wie es begonnen hat. Schon sagt man wieder Lebewohl.
Helge Schneider ist damit ein weiteres doppelbödiges Humor-Spektakel gelungen, wie es ihm kein zweiter Komiker nachmachen könnte. Erwartungen bricht und unterläuft er im Sekundentakt. Furioser Nonsens ist das, vorgetragen mit bedächtiger Langeweile. Die größten Pointen sind eigentlich keine. Das befreiende Lachen stellt sich, wie so oft bei Schneider, gerade in seinen Filmen, meist erst später ein, wenn einem plötzlich bewusst wird, welche Szenen und Bilder man da gerade bezeugt hat.
Immer wieder hat der Clown aus Mühlheim an der Ruhr damit alle Definitionen von gutem und schlechtem Geschmack, von sogenannter E- und U-Kultur durcheinandergewirbelt und in ihrer begrifflichen Leere enthüllt. Das bezog sich, betrachtet man seine Filmographie, mal ganz konkret auf die Spießigkeit und Tristesse der deutschen Konsumgesellschaft und die alltäglichen bürgerlichen Riten und mal auf künstlerische Konventionen. Hier nun betrachtet er damit das Erzählen der eigenen Persönlichkeit.

Einzigartiges Biopic
„The Klimperclown“ sprengt die Nummernrevue für Eingeweihte früh auf. Die Filmbranche hat in den letzten Jahren eine nicht abreißende Begeisterung für schnöde Biopics, also Filmbiographien über berühmte Stars, an den Tag gelegt. Man verkauft den Blick durchs Schlüsselloch, verkauft ein vermeintliches „So ist das gewesen“ und banalisiert damit jede Persona, bis davon nur noch reine Fantasiegespinste und klischeehafte, hanebüchene Narrative übrig bleiben. „The Klimperclown“ verunmöglicht ein solches Banalisieren. Der ultimative Streich des Clowns richtet sich gegen ihn selbst, entzieht ihn aber auch der Erklär- und Fassbarkeit. „The Klimperclown“ zeigt Szenen, die man so garantiert in keinem anderen Biopic finden würde. Methode hat hier das, was man gerade nicht verstehen kann.
Jedes Bild, jede Szene ist unzuverlässig, weil sie an einer Schnittstelle ansetzt, an der Kunstfigur und Leben nicht auseinanderzuhalten sind. Weil es dem Clown vorbehalten ist, zwischen den Ebenen und Welten zu wandeln, Zustände zu verkehren, die Ordnung ins Chaos zu stürzen und umgedreht. Dazu werden permanent Rollen und Persönlichkeiten getauscht. Dass Helge Schneider ein solches Biopic-Projekt lieber selbst an sich reißt, bevor womöglich andere, weniger kluge Künstler auf diese Idee kommen, ist nur folgerichtig. Und ein Ruhestand ist zum Glück nicht in Sicht. Schon jetzt ist die Rede von einem neuen Spielfilm, der gerade in Arbeit sein soll.
„The Klimperclown“ läuft ab dem 7. August 2025 in den deutschen Kinos. Am 20. August läuft der Film um 22.50 Uhr im Ersten. Bereits zwei Tage vorher erscheint er in der ARD Mediathek.
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