Bayern: extra-radio gibt Verbreitung über UKW und DAB+ auf

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Nach fast vier Jahrzehnten im Äther gibt extra-radio seine Verbreitung auf UKW und DAB+ auf.

Seit Oktober 1987 sendet der unabhängige, bayerische Lokalender extra-radio aus Hof über Hochfranken. Damit soll aber bald Schluss sein, zumindest auf den klassischen, terrestrischen Wegen UKW und DAB+. Wie aus einem Statement des Lokalsenders hervorgeht, ließen die Rahmenbedingungen aktuell keinen wirtschaftlichen Sendebetrieb mehr zu.

Größtes Problem sei die technisch schwache UKW-Frequenzkette. Zu den zahlreichen Nachteilen gehörten exorbitante monatliche Leitungskosten. Im Vergleich dazu erreichten Radiosender, die vom Münchner Olympiaturm senden, ein Zehnfaches an Hörern, bei gleichzeitig einem Bruchteil der monatlichen Kosten. „Deshalb haben wir uns dazu entschieden nach fast vier Jahrzehnten die Sendetätigkeit zum 1. September einzustellen. Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen. Hinzu kommt für die gesamte Branche ein Bedeutungsverlust für das Medium Radio“, heißt es resignierend in dem Statement.

„Wir beenden einen jahrzehntelangen Kampf“

Bereits in den Anfangsjahren seien laut dem Lokalradio kleine Radiosender in Bayern gezwungen worden sich Betriebsgesellschaften (Funkhausmodell) unterzuordnen. Keiner dieser Sender habe diesen Schritt überlebt. extra-radio hatte sich erfolgreich dagegen gewehrt und 1998 Radiogeschichte geschrieben. Das Bundesverfassungsgericht hat im „11. Rundfunkurteil“ zugunsten von extra-radio entschieden, das normalerweise keine weitere Zulassung mehr bekommen sollte. Man teilte sich eine Frequenz mit dem Konkurrenten Radio Euroherz.

Trotz dieser widrigen Umstände erreichte extra-radio gute Hörerzahlen und Anerkennung für seine Arbeit. Mit dem Wechsel auf eine leistungsschwache, aber teure UKW-Frequenzkette war – obwohl man seither terrestrisch rund um die Uhr senden konnte – die wirtschaftliche Tragfähigkeit nicht mehr gegeben und damit sei laut extra-radio das Karlsruher Urteil ausgehebelt. „Dessen waren wir uns bewusst, aber wir konnten aus dem Vertrag nicht raus ohne den Sender aufzugeben. Aber jetzt müssen wir die Reißleine ziehen!“, so Gründer Gerhard Prokscha. Er ist mit seiner Frau Irmgard, der alleinigen Gesellschafterin des Senders, mittlerweile im Rentenalter. Tochter Sabine Hager übernahm 2024 die Geschäftsführung und hätte unter wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Anteile übernommen.

Eher unverständlich: Auch DAB+ wird abgeschaltet

extra-radio wird aber – anders als RSA Radio im Allgäu, das Ende 2024 aufgeben musste – nicht ganz im Äther verstummen: Man bleibe weiterhin online als Webradio präsent. Dies spart natürlich vieles an Verbreitungs-Kosten, aber die Bedeutung dürfte sich als einer von mehreren 100.000 Programmen im Netz in Grenzen halten.

Warum der Veranstalter auch die DAB+-Verbreitung aufgibt, wo vor allem die teure UKW-Kette als Hauptgrund für den Rückzug genannt wird, ist fraglich. Über das terrestrische Digitalradio ist das Lokalkradio im Multiplex des Bayerischen Rundfunks für Oberfranken (Kanal 10B) von Würzburg bis weit nach Sachsen hinein zu hören, und es fallen eben nicht die hohen Leitungskosten von UKW an. In Bayern liegt die Radionutzung von DAB+ und UKW laut der Funkanalyse Bayern inzwischen fast gleichauf.

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3 Kommentare im Forum
  1. Leider verschwindet wieder ein Sender in die Bedeutungslosigkeit der Internetradios. Zumindest haben die es selber in dem Artikel erwähnt, dass es nicht sehr ermutigend ist, dass man diesen Schritt geht. Terrestrisches Radio ist in den letzten Jahren ziemlich teurer geworden, so dass selbst kleinere Stationen ihren Betrieb aus Finanzellen gründen einstellen. So zumindest liest man das immer wieder in den verschiedenen Artikeln zur Sendereinstellung.
  2. Das Komische daran ist: Zuführungen zu Senderstandorten sind wesentlich kostengünstiger geworden. Man braucht da fast nix mehr dafür. Wenn es sich um nicht krisen- und systemrelevanten öffentlich-rechtlichen Rundfunk handelt, kann man da äußerst billig rangehen. Es gab voriges Jahr einen Fall, wo ein privates Kleinstprogramm den Senderbetreiber wechselte und aus Gründen, die ich hier nicht darstellen möchte, recht spontan eine neue Zuführung brauchte. Das wurde über einen schnell aufgesetzten hochwertigen MP3-Stream aus ohnehin vorhandener Studio-IT und einen anderswo für eigentlich völlig andere Zwecke angemieteten Server realisiert. Das war nicht teurer, als wenn eine Privatperson sich ein Internetradio einrichtet und über einen externen Serverdienstleister laufen lässt - nur dass hier nur ein "Hörer" saugte und Datenlast generierte: der Decoder beim Senderbetreiber. Es gibt auch die Möglichkeit, MPX-Signal komplett im Studio in Software zu erzeugen für kleines Geld und datenreduziert, aber funktionsfähig (also nicht "kaputt", sonst würde weder stereo noch RDS noch rekonstruierbar sein, direkt zum Sender zu schicken. MicroMPX - Thimeo Das ist in bestimmten Rundfunk-Soundprozessoren inzwischen sogar als Software-Option drin, die geben das via IP gleich so aus. Omnia.9 Broadcast Audio Processor | Telos Alliance Komplettes MPX-Signal auf 320 kBit/s. Es gibt Unternehmen, die sind auf den Sendernetzbetreib kleiner und kleinster Programme spezialisiert und kommen da halt nicht unbedingt mit der gleichen Technik, die die ARD hinstellen würde, sondern mit nach Preis-Leistung mit genau den benötigten Features ausgesuchten Komponenten. Einer von denen ist Christian Milling, und siehe da: Alternative technische Ansätze zur kosteneffizienten Produktion und Verbreitung von Hörfunkprogrammen "Weg mit teuren Standleitungen und her mit neuen Zuführungstechniken. Weg mit der großen Schlacht am Hardwarebuffet, hin zu schlanken softwarebasierten Lösungen. Weg mit überbordenden Verbreitungskosten und mehr Emanzipation im Sendenetzbetrieb. Denn jeder Euro, der nicht in die Programmverbreitung unnötig fließen muss, ist ein guter Euro fürs Programm." Podcast: Folge 155: „Wir müssen alte Zöpfe abschneiden“ – Christian Milling über die Zukunft von Lokalradio In Bayern ticken die Uhren aber bekanntlich anders. DAB macht der Lokalfunk über die BLM auf kapazitäten, die der BR zur Verfügung stellt. Welche Konditionen man da hat - keine Ahnung. Da kommt man wohl auch nicht raus, also eigenes Sendernetz (für ein Programm sowieso nicht) ist nicht möglich. UKW wäre interessant: das sind dort 5 Senderchen, die demnach derbe ins Geld gehen. Hof Labyrinthberg zusammen mit den vom BR betriebenen DAB-Sendern Naila zusammen mit Euroherz auf UKW Hof Konradsreuth Einzelstandort Selb Einzelstandort zusammen mit Mobilfunk und Wunsiedel, evtl. ist das hier Kösseinehaus – Wikipedia (UKW-Antennen sind dran) Wer das betreibt, wer da die Hand aufhält, ob man dem entrinnen könnte in Bayern mit seinen Privatfunkstrukturen - keine Ahnung. Aber vielleicht ist auch mehr im Argen als nur die Zuführungskosten. Als reines Internetradio ist so ein Programm so bedeutsam wie ein Hobby-Radiostream aus einem Kinderzimmer. Das geht unter, vor allem ohne UKW-Präsenz.
  3. Milling macht das. Genau aus diesem Grund sind sie jetzt Partner der NLM und haben die Ausschreibung zur Zuführung der niedersächsischen NKLs gewonnen und umgesetzt. Die Programme, die ich über verschiedene DAB+ Multiplexe empfange, sind zwar von Media Broadcast in Usingen anschließend auf 64 kbps Bruttodatenrate "totkomprimiert", klingen aber erstaunlicherweise besser, als die weiteren Programme im jeweils selben Multiplex, die über 72 kbps Datenrate verfügen. Der Klang ist weich, wenig dynamisch, klingt schon metallisch (ich höre sowas, wenn die Bitrate einfach zu gering ist), aber insgesamt sauberer und freier von Artefakten. Bedingung in der Ausschreibung war auch eine verlustfreie Signalzuführung. Das machen die zum kleinsten Preis. Nicht die Signalzuführung, sondern die eigentlichen Ausstrahlungskosten zum Schluss über die Funktürme und Sendemasten sind in den letzten Jahren explodiert.
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