DAB+ über Satellit empfangen – Teil 2

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Satellit Astra 1P
©Thales Alenia Space

Immer mehr DAB+-Multiplexe werden von DXern entdeckt, die über Satellit die Signalzuführung zu terrestrischen Sendeanlagen vornehmen. Mit dem herkömmlichen Sat-Receiver ist ihr Empfang zwar nicht möglich, sehr wohl aber mit einem Linux-Rechner und einer Sat-Empfangskarte für den PC. Die benötigten Softwares sind gratis erhältlich und erlauben, DAB+-Muxe aus Nah und Fern am Rechner hörbar zu machen.

Erste Schritte

Spezialisten, die sich bereits seit vielen Jahren mit der Decodierung von über Satellit empfangenen DAB+-Signalzuführungen befassen, empfehlen dafür das Betriebssystem Linux. Alleine schon deswegen, weil verschiedene vollständig freie Softwares, durchweg Gemeinschaftsentwicklungen mehrerer Freaks, vonnöten sind, die nur auf Linux laufen.

Für eingefleischte Windows-Nutzer mögen diese Programme eine gravierende Umstellung bedeuten. Denn während Windows-Softwares ganz allgemein auf eine grafisch schön aufbereitete Benutzeroberfläche setzen, die auch Hinweise zu den erforderlichen oder möglichen Eingaben beinhaltet, beschränken sich Linux-Programme auf das absolut notwendige. Keine tolle Grafik, nichts fürs Auge. Stattdessen sind nur Befehle zu programmieren, die am Ende verschiedene Vorgänge starten.

Nicht jede Empfangskarte ist für alle über Satellit zugeführten DAB+-Multiplexe gleichermaßen geeignet. Recht gute Chancen hat man mit der bei DXern weit verbreiteten USB-Karte TBS 5927.

Als erstes empfiehlt sich, alle grundlegenden, vom Rechner durchzuführenden Aktionen in der so genannten „.bashrc“ zu programmieren. Sie ist nichts anderes als eine Konfigurationsdatei, die beim Start des Rechners geladen wird und den Digitalradioempfang im Alltagsbetrieb erheblich erleichtert.

Zunächst sind in der .bashrc für jeden DAB+-Datenstrom die Frequenz, Polarisation, Symbolrate, FEC, sowie das genutzte Modulationsverfahren, also QPSK oder 8PSK, und das Übertragungssystem DVB-S oder DVB-S2, einzugeben. Sind in einem Datenstrom mehrere Multiplexe enthalten, ist für sie nur ein gemeinsamer Eintrag erforderlich.

Zudem ist jeder Zeile ein Kurzbefehl zuzuordnen, der die spätere Bedienung erheblich vereinfacht. Für die Empfangsparameter der britischen Multiplexe auf 9 Grad Ost haben wir etwa „tune_uk“ zugewiesen. Durch die spätere Eingabe dieses Befehls weiß die Empfangskarte, wo sie zu tunen hat. Selbstverständlich sind die zu vergebenden Bezeichnungen zumindest nach dem Ausführungsbefehl „tune_“ individuell.

Weiter sind in der .bashrc die IP-Adressen aller im Multicast übertragenen DAB+-Pakete einzutragen. Damit wird dem Rechner mitgeteilt, welcher der zum Beispiel 15 Multiplexe des großen deutschen Pakets auf 7 Grad Ost gewünscht ist. Die benötigten IP-Adressen kann man unter https://github.com/piratfm/eti-tools nachlesen.

1- In der .bashrc sind alle Empfangsparameter einzutragen und mit einer Kurzbezeichnung zu versehen. Das erleichtert später die Bedienung

Empfangssoftware

Um mit der Sat-Tuner-Karte des PCs überhaupt arbeiten zu können, braucht es eine Empfangssoftware, wie tune-s2. Diese Software arbeitet im Hintergrund und kommt ohne eigene Benutzeroberfläche aus.

Weitere Softwares

DAB+-Signalzuführungen erfolgen über Satellit nach keinem einheitlichen Standard. Ähnlich wie beim digitalen Satelliten-TV, wo sich inzwischen neben DVB-S in MPEG-2, DVB-S2 in MPEG-4 und DVB-S2 in HEVC, etabliert haben, ist auch die Sat-Zuführung von DAB+ nicht vom technischen Fortschritt verschont geblieben.

Was nichts anderes heißt, als dass es für die Dekodierung der verschiedenen DAB+-Signalzuführungen jeweils eigene Programme braucht. Diese arbeiten nach der Installation unter Linux quasi im Hintergrund und treten nicht mit eigenen grafischen Benutzeroberflächen auf.

Für Datenströme im Format MPEG-TS, das etwa von den Briten genutzt wird, werden die Programme ts2na und na2ni benötigt, die den Datenstrom zuerst in einen ETI-NA- und in Folge in ein ETI-NI-Datenstrom umwandeln.

Für die deutschen Pakete auf 7 Grad Ost und die Franzosen auf 5 Grad West braucht man indes fedi2eti. Norwegisches DAB+ über Satellit erfordert pts2bbf und bbfedi2eti. Für die beiden italienischen Pakete auf 9 Grad Ost werden tsniv2ni benötigt.

2 – Zunächst ist in der Konsole der von uns in der .bashrc vergebene Kurzbefehl zum Empfang des gewünschten DAB+-Ensembles einzugeben

Noch mehr Softwares

Dann braucht es noch dvbstream. Es ist zwar ein altes, aber äußerst zuverlässiges Dienstprogramm, das den bereits von den anderen Programmen herausgefilterten und konvertierten ETI-Datenstrom an die Empfangssoftware dablin weitergibt.

Konsole

Die bereits installierten Komponenten kann man sich wie eine Reihe unsichtbarer Puzzleteile vorstellen, die erst über eine Kommunikationsoberfläche in der richtigen Reihenfolge angesprochen und zu einer funktionierenden Einheit zusammengefügt werden. Dazu dient die Konsole. Auch sie ist Linux-typisch grafisch auf ein absolutes Minimum reduziert und wirkt auf einen Windows-User in etwa so, wie ein leeres Word-Dokument. Mehr als ein Cursor, der zur Befehlseingabe einlädt, gibt es auf der Konsolen-Oberfläche nicht zu sehen.

Zunächst ist in der Konsole der von uns eingangs in der .bashrc festgelegte Kurzbefehl des von uns zu empfangenden Multiplexes einzugeben. Nachdem wir in unserem Beispiel den britischen Salisbury-Mux empfangen möchten, ist in der Konsole „tune_salisbury“ einzugeben. Alternativ hätten wir hier auch die Empfangsparameter für diesen Transponder eingeben können. So aber ist es bequemer.

Nach Bestätigen der Enter-Taste füllt sich der Bildschirm mit einer Reihe von Parametern, die unter anderem alle Empfangsparameter beinhalten. Wichtig ist die letzte Zeile. Ist in ihr „status locked“ zu lesen, ist die Sat-Karte auf Empfang. Daneben wird sogar die Signalstärke angegeben.

Damit ist die Aufgabe dieser Konsole erfüllt. Sie sorgt ausschließlich für den Empfang des Multiplexes.

3 – Zur weiteren Befehlseingabe wird eine zweite Konsole benötigt, die mit dem +-Zeichen links oben (Pfeil) zu starten ist

Zweite Konsole

Für den weiter einzugebenden Befehlssatz ist eine zweite Konsole zu starten. Zu ihr gelangt man über das Plus-Zeichen am linken Rand der Kopfzeile der Konsole. Womit wieder ein leeres Eingabefeld zu sehen ist. Bei genauerer Betrachtung stellt man aber fest, dass nun unter der Kopfzeile eine weitere graue Zeile eingefügt wurde. Sie enthält zwei Schaltflächen. Über die linke gelangen wir zurück zu Konsole 1, über die rechte wieder zur noch leeren Konsole 2.

Mit der nun einzugebenden Befehlszeile „dvbstream -o – 8192 -c 0 | fedi2eti 701 239.232.1.201 2048 | dablin_gtk“ werden gleich mehrere Aktionen ausgeführt. Der Anfang sagt etwa aus, dass der empfangene Datenstrom mit dem Programm dvbstream an die Software fedi2eti weitergereicht werden soll, die daraus einen ETI-Datenstrom generiert. Weiter enthält die Eingabezeile die IP-Adresse des britischen DAB+-Muxes. Zu beachten ist, dass vor dem 2048, nicht wie gewohnt ein Doppelpunkt, sondern ein Leerzeichen einzugeben ist. Mit dem dritten Teil der Befehlszeile wird die DAB+-Empfangssoftware dablin gestartet. Sie wird bei dieser Anwendung zur Live-Wiedergabe des DAB+-ETI-Datenstroms genutzt.

Nach Bestätigen der Enter-Taste werden in der Konsole blitzschnell eine große Anzahl an Zeilen gelistet. Sie sind das Resultat eines einmaligen Auslesens des gerade empfangenen DAB+-Datenstroms und enthalten unter anderem Informationen zum von den einzelnen Programmen, die selbstverständlich auch namentlich genannt werden, die verwendeten Datenraten und der von ihnen genutzte Fehlerschutz.

4 – In der zweiten Konsole ist der Befehlssatz zur Decodierung und Umwandlung in einen ETI-Datenstrom, sowie Wiedergabe des Salisbury-Muxes einzugeben

dablin

Gleichzeitig startet die Benutzeroberfläche von dablin, in der im Feld „Ensemble“ der Name des gerade empfangenen Muxes, also in unserem Beispiel Salisbury, zu lesen ist. All dies ist das Zeichen, dass alles geklappt hat und man nun auf Empfang ist. Nach Klicken auf das Feld „Service“ erscheint nun die Senderliste, aus der man nur noch ein Programm zur Wiedergabe auszuwählen braucht. Bietet der Sender eine Slideshow, wird diese ebenfalls angezeigt. Der aktuelle Radiotext wird in der dablin-Oberfläche unter „Dynamic Label“ angezeigt. Darunter findet man das im DAB+-Datenstrom mit übertragene Datum und die britische Lokalzeit.

Je nach Mux

Der in der zweiten Konsole einzugebende Befehlssatz variiert je nach dem zu empfangenden Multiplex. Dies bezieht sich zumindest auf den Mittelteil der Eingabe. dvbstream am Anfang und dablin_gtk am Ende bleiben jeweils gleich.

Für das italienische EuroDAB-Paket, das auf 11,727 GHz vertikal auf 9 Grad Ost ausgestrahlt wird, ist etwa: „dvbstream -o – 8192 -c 0 | eurodab | dablin_gtk“ einzugeben.

5 – Nun braucht in dablin unter Service nur noch ein Programm ausgewählt zu werden und schon startet die Wiedergabe inklusive Slideshow

Fazit

Der Aufwand für den Empfang von DAB+ über Satellit ist zwar nicht unerheblich, aber es ist beherrschbar und es zahlt sich aus. So man die DAB+-Signalzuführungen ausreichend stark bekommt, kann man hierzulande Digitalradio aus mehreren Teilen Europas hörbar machen. So erlangt man auch den Zugang zu Paketen, die in unseren Breiten terrestrisch nicht zu hören sind, wobei der besondere Reiz darin liegt, DAB+ genauso zu empfangen, wie es zum Beispiel in Großbritannien oder Griechenland ausgestrahlt wird.

1 Kommentare im Forum
  1. Angesichts des nicht unerheblichen technischen Aufwands werden sich in der kleinen Minderheit der Satdxer und der noch kleineren Minderheit der Radiofreaks unter ihnen die Fragen stellen: Lohnt sich das?Wo gibt es einen inhaltlichen programmlichen Mehrwert? Heißt: Welche und wieviele dieser Programme werden exklusiv via Dab+ verbreitet und sind herkömmlich mit Internetstreams und auf Dvb-S nicht zu bekommen? Dieser Frage sollte der Autor noch nachgehen.
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