Blu-ray der Woche: „Les Misérables“: Pompöses Musical-Experiment

0
31
Bild: © Auerbach Verlag
Bild: © Auerbach Verlag
Unter Musicalfans genießt die dramatische Lebensgeschichte des Sträflings Jean Valjean seit mittlerweile drei Jahrzehnten einen hervorragenden Ruf. Dank „The King’s Speech“-Regisseur Tom Hooper kann man das bewegende Epos nun auch auf dem heimischen Bildschirm genießen.

Den Weg, den man bei dieser überaus ambitionierten Kinoadaption gegangen ist, kann man nur als mutig beschreiben. In einem aufwändigen und langwierigen Casting-Prozess stellten die Produzenten Schritt für Schritt ihr Traum-Ensemble zusammen: Ziel war es, Schauspieler von Format zu finden, die nicht nur darstellerisch die große emotionale Bandbreite ihrer Figuren bewältigen konnten, sondern ihre Parts zu allem Überfluss auch noch live vor der Kamera einsingen sollten. Schaut und vor allem hört man sich das Ergebnis im fertigen Film nun an, kann man dem Kreativteam um Tom Hooper zu diesem nicht geringen Wagnis nur gratulieren.
 
Wenn man des Englischen auch nur halbwegs mächtig ist und die optionalen Untertitel ausblendet, vergisst man schon nach kurzer Zeit, dass bis auf kurze gesprochene Passagen die gesamte Handlung in musikalischer Form vorangetrieben wird. Diese Natürlichkeit des Vortrags und die Unmittelbarkeit, die aus der direkten Verbindung von Schauspiel und Gesang entsteht, wäre durch eine spätere Nachvertonung im Studio – womöglich noch durch professionelle Musical-Stimmen – einfach nicht zu erreichen gewesen.
 
Traumhaftes Ensemble
 
Dass der Film trotz seiner beachtlichen Laufzeit von über zweieinhalb Stunden nicht zur langatmigen Geduldsprobe wird, sondern einen im Gegenteil von der ersten bis zur letzten Szene voll in seinen Bann ziehen kann (wenn man sich denn bewusst auf solch einen Musical/Kino-Hybriden einlassen will!), verdankt sich zuallererst den fast ausnahmslos überragenden Leistungen der Ausführenden. Hugh Jackman als Jean Valjean erfüllt diese vor Widersprüchen nur so strotzende Figur (vor dem bedrückenden Hintergrund des revolutionär brodelnden Frankreichs des beginnenden 19. Jahrhunderts) mit purem Leben.
 
Seine lebenslange Flucht vor seiner Nemesis, dem Gefängnisaufseher Javert (nicht halb so stimmgewaltig, aber ebenfalls mitreißend und überzeugend: Russel Crowe), der ihn erbarmungslos verfolgt und ihn für seine eigentlich nichtigen Verbrechen bestrafen will, entwickelt trotz der episodenhaften Struktur, die wild durch die Jahre springt, eine enorme Sogwirkung und Kongruenz. Der Oscar als beste Nebendarstellerin für Anne Hathaway (als gebeutelte Mutter und Arbeiterin Fantine) war angesichts ihrer herzzerreißenden Szenen und der enorm leidenschaftlichen Darstellung nur noch Formsache: Muss man gesehen haben!

Hinzu kommen wunderbare Nebenrollen: Anarcho-Komiker Sacha Baron Cohen überrascht und überzeugt im Duett mit der exaltiert aufspielenden Helena Bonham Carter als herrlich verachtenswertes und geldgieriges Ehepaar Thénardier.
 
Amanda Seyfried und Eddie Redmayne sorgen schließlich mit viel Gefühl für den obligatorischen Hauch von Romantik, der in solch einer Geschichte natürlich auch nicht fehlen darf.

 



Glasklare Empfehlung
 
Vor dem Kinobesuch waren wir ehrlich gesagt etwas skeptisch, ob diese Übertragung von der Bühne auf die Leinwand überhaupt Sinn machen und wirklich reibungslos funktionieren würde. Doch die famose Ausstattung der Produktion (Sets und Kostüme wirken wie aus einem Guss), die passend-düstere Farbgestaltung der ambitionierten Bildwelten und die umwerfende akustische Präsentation des Ganzen macht „Les Misérables“ auch in dieser verfilmten Version zu einem aufwühlenden Erlebnis. Man sollte lediglich darauf achten, dass man die Blu-ray zu Hause auf einem angemessen großen Bildschirm bzw. gar per Projektor genießen kann, denn hier werden in keinem Bereich kleine Brötchen gebacken, und das ganze Ausmaß dieses bewusst auf (emotionalen) Effekt angelegten Überwältigungskinos lässt sich auf einem Laptop-Screen oder ähnlichem eben nicht mal ansatzweise nachempfinden.
 
Dass eine leistungsfähige und gut eingestellte Surroundanlage einem Musical ebenfalls enorm zugute kommt, versteht sich natürlich von selbst, obwohl die überwältigende Wirkung aus dem Kino trotz souveräner Surround-Umsetzung und glasklar zu verstehenden Vocals zuhause nicht ganz erreicht werden kann. Als willkommenes Trostpflaster bekommt man dafür ein enorm umfangreiches Making-of (über eine Stunde), einen Beitrag zur Romanvorlage von Victor Hugo sowie einen kompletten Audiokommentar von Regisseur Tom Hooper.
 
Für alle Musical-Fans und solche, die es noch werden möchten, gibt es die Blu-ray zum Film beim Online-Händler Amazon für derzeit 14,90 Euro zum Vorbestellen.
Die Wertung

 

 

FILMINHALT: 8 von 10


 
TECHNIK: 8 von 10
 
BILDQUALITÄT: 8,5 von 10
 
TONQUALITÄT: 8,5 von 10
 

Kurzfazit: Wer sich ganz auf dieses gigantische Musical/Film-Experiment einlässt, der wird mit einem akustisch-emotionalen Bildersturm der Extraklasse belohnt.


 
BONUSMATERIAL: 7,5 von 10

Infos zur Blu-ray


 
Genre: Musical, Drama | Originaltitel: Les Misérables | Land/Jahr: US, GB/2012 | Vertrieb: Universal Pictures Home | Bild: MPEG-4, 1.85:1 | Ton: DTS 5.1, DTS-HD MA 7.1 (engl.)| Regie: Tom Hooper | Darsteller: Hugh Jackman, Russell Crowe, Anne Hathaway | Laufzeit: 158min | Wendecover: k.A. | Anzahl Discs: 1 | FSK: ab 12 Jahre | Start: 27. Juni 2013
 
An dieser Stelle präsentiert Ihnen das BLU-RAY MAGAZIN immer dienstags die „Blu-ray der Woche“, die aus Sicht unserer Redakteure die  interessanteste Veröffentlichung der kommenden Tage darstellt. Zur Blu-ray-Vorstellung der vergangenen Woche „Escape – Vermächtnis der Wikinger“ geht es hier.
 
Mehr als 80 weitere Tests lesen Sie im aktuellen BLU-RAY Magazin 6/2013, das ab sofort überall am Kiosk, im Online-Shop und auch im Abo erhältlich ist.


 
Durchsuchen Sie unsere Online-Datenbank nach weiteren Blu-rays



 
 

 
 


 


 
[Tiemo Weisenseel]

Bildquelle:

  • Inhalte_Blu-ray_Artikelbild: © Auerbach Verlag

0 Kommentare im Forum

Alle Kommentare 0 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum