
Vor gerade mal 15 Jahren brachte Dreamworks Pictures das animierte Original auf die große Leinwand. Nun tut das Studio es dem Disney-Konkurrenten gleich und verfilmt den Stoff noch mal als Realfilm. Kann das überhaupt gut sein? Oh ja, es kann …
Realverfilmungen vergangener Animations-Klassiker wohnt derzeit kein guter Ruf inne. Jüngst zeigte Disney mit „Schneewittchen“, wie man es besser nicht machen sollte. Und doch hält man am Konzept der realen Remakes fest. Nun kommt auch noch Dreamworks mit einer Realverfilmung ihres Drachenzähmer-Coming-Of-Age-Epos um die Ecke und adaptiert die CGI-Version zu einer besseren CGI-Version mit realen Schauspielern. Der visuelle Unterschied ist da also noch geringer als zwischen Zeichentrick und CGI-lastiger Realverfilmung.
Noch dazu wurde Drehbuchschreiber und Regisseur Dean DeBlois angeheuert, der bereits die drei animierten Abenteuer der Berk-Wikinger inszenierte. Die Drachendesigns blieben gleich. Gerard Butler spielt erneut den stoischen aber herzlichen Obermotz Haudrauf. Und so viel kann schon verraten werden – die Handlung deckt sich auch weitestgehend mit dem Original, ja man erkennt die meisten Szenen sogar 1:1 wieder, als wäre der Animationsfilm lediglich eine Animatic, also eine Vorstufe der Realfilm-Produktion gewesen.
Eine zeitlose Ästhetik
Was also ist überhaupt die Daseinsberechtigung der Neufassung? Es ist die Immersion sowie die zeitlose Ästhetik. Während das Original für heutige Verhältnisse wie die meisten CGI-Animationen der ersten Dekade dieses Jahrtausends sehr betagt aussieht, bietet die Neuauflage ein makelloses Fantasy-Abenteuer für eine neue Generation. Unglaublich wie sich die computeranimierten Drachen in die meist realen Kulissen eingliedern und mit den realen Schauspielern interagieren.
Wer sehnte sich nicht schon seit langem nach einem Kino-Abenteuer, in dem sich authentische, real erbaute Wikingerhütten, -Boote und -Arenen erkunden lassen? Endlich wieder ein bisschen „Ronja Räubertochter“-Atmosphäre (das 1984er-Original, nicht das 2024er-Remake) mit großartigen Kostümen, markanten Haudegen, dunklen Wäldern und den besten Drachen-Flugsequenzen, die das Kino je zu bieten hatte. Vergessen Sie Fuchurs Bluescreen-Ventilator-Sequenzen. Nutzen Sie „Harry Potters“ Hippogreif-Ausflug ruhig als Einschlaftablette. Hiccups (Mason Thames) schwindelerregende Achterbahnfahrten mit Toothless werden für Sie der neue Luft-Action-Standard sein. Die Glaubwürdigkeit erreichte man hier mit lebensgroßen, reitbaren Animatronic-Drachen-Oberkörpern, über die dann die CGI-Kreatur gelegt wurde.

Bekanntes und Neues
Und dann erst die Besetzung … Es ist schon beeindruckend wie treffend jeder einzelne Charakter gecastet wurde. Mason Thames und Nico Parker als Hicks und Astrid treffen es auf den Punkt. Die Chemie stimmt, sie sind witzig, agieren natürlich, beherrschen die Action und fügen selbst den ernsteren Passagen das nötige Drama hinzu. Thames und Butler wiederum spinnen pures Gold in den Vater-Sohn-Gesprächen. Obwohl nur ein Nebencharakter, stiehlt Nick Frost als bärbeißiger, liebenswürdiger Ausbilder Grobian allen die Show. Genau so stellt man sich einen betagten Räuber/Piraten/Wikinger vor, der eigentlich nur noch aus Prothesen besteht. Frosts ehemaliger „Spaced“-Kollege Peter Serafinowicz hat es immerhin als Rotzbackes desinteressierter Vater in den Film geschafft. Die vier zukünftigen Drachenreiter Rotzbacke, Fischbein, Raffnuss und Taffnuss erscheinen ebenfalls als Idealbesetzung.
Trotz inhaltlicher Gleichheit gibt es also viel zu entdecken und noch mehr zu bewundern. Wo Disney mit dem Vorschlaghammer Vielfalt, Offenheit und Inklusion kommuniziert, gelingt es dem neuen „Drachenzähmen leicht gemacht“-Film die gleichen wichtigen Botschaften viel organischer in das Gesamtbild zu verweben. Im Prinzip sind die Themen alle bereits im Original enthalten, denn dort geht es um nichts anderes, als offen zu sein für neue Sichtweisen, bestehende Schemen zu hinterfragen und durch das Zulassen von Vielfalt an Stärke zu gewinnen. Der Realfilm bevölkert Berk noch zusätzlich mit Bewohnern aus unterschiedlichen Erdteilen und lässt Ober-Wickinger Haudrauf sogar stolz von dieser Entwicklung sinnieren. Die ein oder andere Frau ist auch zu sehen, wobei es schon auffällt, dass Berks weibliche Bewohner bis auf Astrid nicht ganz so viel Bildschirmzeit erhalten.

Unglaubliche Optik
Technisch spielt die Blu-ray in der obersten Liga. Die Schärfe ist absolut gewaltig. Selten sieht man so kompromisslos klare und deutliche Strukturen bei den realen Umgebungen und Charakteren wie auch bei den computergenerierten Kreaturen. Intensive Farben erfreuen das Auge, die Sättigung wurde leicht angehoben, ohne dass zu viel Natürlichkeit verloren geht. Die Panoramen Irlands und Islands sehen wirklich fantastisch aus. Die optisch schwierige Nebel-Szene am Ende (ca. 109. Min.) weist keinerlei Banding auf, so gut ist die Portierung bzw. Komprimierung. Es ist einfach nur ein Traum!
Als Basis-Format dient 2.39:1. In dramatischeren (IMAX-)Szenen erhöht sich das Bild auf 1.85:1. John Powells kraftvoller, ergreifender, orchestraler Soundtrack wird von der Dolby Atmos Abmischung dynamisch ans Zuschauer-Ohr getragen. Gut ortbar grollen die Zipper-Köpfe durch die Rauchschwaden der Arena. Fliegende Drachenschwärme hüllen das Heimkino in eine dreidimensionale Atmosphäre.
An Extras wurde die Disc mit zwei unveröffentlichten Szenen (5 Min.), einem Gag Reel (3 Min.), einem umfangreichen Making-of (46 Min.), Featurettes zum Aufbau von Berk (8 Min.), den Drachen (8 Min.), den Wikinger-Hintergründen (5 Min.) sowie zwei Pre-Effekt-Vergleichen (7 & 4 Min.) versehen. Neben den standard-verpackten Blu-ray- und UHD-Versionen ist auch ein UHD-Steelbook angekündigt.
Text: Falko Theuner / Redaktion: Lars Zschoke
Das limitierte Steelbook gibt es als Sammlerstück zurzeit noch bei Amazon. Es beinhaltet die Blu-ray und die 4K UHD.

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