
Inzwischen sind fast alle Zeitzeugen der unglaublichen Schrecknisse des Zweiten Weltkrieges verstorben. Eine der berühmtesten war die polnische Krankenschwester Irene Gut Opdyke, deren Geschichte nun in der aufwendigen Kinoproduktion „Irenas Geheimnis“ erzählt wird, welche erstmals auf Blu-ray erscheint.
„Irenas Geheimnis“ zeigt düstere Ereignisse in Polen aus dem Jahr 1939: Als die polnische Krankenschwester in Ausbildung, Irene Gut Opdyke (Sophie Nélisse), im von den Nazis besetzten Polen beobachtet, wie ein SS-Offizier einen Säugling zertritt und dessen junge Mutter erschießt, traumatisiert sie das für den Rest ihres Lebens. Sie selbst wurde von den Deutschen zur Zwangsarbeit verpflichtet, serviert Essen im Offizierslokal und soll zukünftig als „Antreiberin“ von elf jüdischen Schneidern fungieren, die eigentlich aus ganz anderen Berufszweigen stammen und nun möglichst effizient Uniformen reparieren müssen.

Im Lokal belauscht Irene ein Gespräch zwischen dem alten Major Eduard Rügemer (Dougray Scott) und dem skrupellosen SS-Offizier Rokita (Maciej Nawrocki), welcher zuvor Kind und Mutter tötete. Darin wird deutlich, dass in wenigen Wochen sämtliche Juden umgebracht werden sollen. Irene warnt ihre jüdischen Mitarbeiter und gemeinsam überlegen sie, wie sie ihrem Todesurteil entgehen können. Wie es der Zufall will, verpflichtet Rügemer Irene als Haushälterin in seinen eigenen vier Wänden, samt großem Keller …
Halsbrecherisches Versteckspiel
Selbst wenn man von den wahren Ereignissen hinter diesem Film schon einmal gehört hat und möglicherweise den Ausgang kennt, entwickelt Louise Archambaults Weltkriegsdrama eine Thriller-gleiche Sogwirkung. Die Schilderung des Lebens von Irene und ihrer im Laufe der Handlung auf zwölf anwachsende Flüchtlingsgruppe präsentiert Momente der Spannung und des Schreckens in gleichem Maße wie winzige Freuden, während sie alle mitten in einem Haifisch-Becken zu schwimmen scheinen.

Dabei ist die Idee so genial wie verrückt: Direkt unter der Nase eines einflussreichen deutschen Militärs werden wohl die wenigsten jüdische Flüchtlinge vermuten. Zugleich ist die Situation brandgefährlich, da jeder noch so kleine Fehler zum Untergang führen könnte. Außerdem muss sich Irene erst noch als Haushaltshilfe etablieren, um ihre Stelle zu behalten. Gut, dass ihr geheimes Team im Keller so viele berufliche Spezialisierungen vorweisen kann und ihr tatkräftig unter die Arme greift, wenn Not am Mann ist. Man glaubt allerdings nicht, was da noch so alles in den Monaten des Versteckens passieren kann … besonders wenn es bald ein dreizehntes Leben zu retten gilt.
Eine unglaubliche Überlebensgeschichte
Die kanadisch-polnische Produktion überzeugt neben der Spannung und dem Drama auch in Sachen Ausstattung sowie Schauspiel. Sophie Nélisse („Die Bücherdiebin“, „Yellowjackets“) bietet ein authentisches Fenster zum Leben der von der staatlichen israelischen „Gedenkstätte des Holocausts und des Heldenmuts“ Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ anerkannten Lebensretterin, die nach dem Krieg von den Soviets als Kollaborateurin der Deutschen, aber auch als polnische Widerständlerin gefangen genommen wurde.

Nach ihrer Flucht nach Westdeutschland und ihrer anschließenden Emigration in die USA widmete sie sich ab den 1970er Jahren der Erinnerungsarbeit – um Holocaust-Leugnern entgegenzuwirken – und brachte Anfang der 1990er ihr Buch „Into The Flames“ heraus, gefolgt von „In My Hands“ (1999). Drehbuchautor Dan Gordon („Wyatt Earp – Das Leben einer Legende“) dramatisierte ihr Leben sogar für die Theaterbühne und lieferte ebenso das Skript für den vorliegenden Film. Einige Grausamkeiten, die Irene widerfahren sind oder die sie beobachten musste, wurden ein wenig entschärft. Dennoch wird absolut deutlich, welches Risiko sie auf sich nehmen und was sie durchmachen musste.
Auch der deutsche Koch Schulz (Andrzej Seweryn), welcher Irene die Überlebensweisheit gibt, „nur auf die eigenen Füße zu schauen“ und ihr dennoch immer wieder in entscheidenden Situationen beisteht, ist wirklich gut getroffen. Dougray Scott, den man aus Filmen wie „Mission: Impossible II“ (2000) und „My Week With Marilyn“ (2011) kennt, verleiht seinem Wehrmachtsoffizier wiederum eine gewisse Ambivalenz, ohne ihn zu vertrauenswürdig erscheinen zu lassen. Seinen Ekel vor Rokitas unmenschlichen Ansichten bringt er gekonnt über die Mimik zum Ausdruck. Zugleich stellt ihn Scott ausreichend widerwärtig dar.
„Irenas Geheimnis“ jetzt auf Blu-ray über Pandastorm

„Irenas Geheimnis“ ist inzwischen auf Blu-ray erhältlich, welche Bonusfeatures zur realen Person der Irene Gut Opdyke bietet und auch den Sohn von Ida und Lazar Haller, welche ebenfalls im Film dargestellt werden, zu Wort kommen lassen. Im Abspann des Films zeigen Fotos und Beschreibungen zum Leben der realen Personen, wie nahe Schauspieler und Handlung den Originalen kommen. Hier sieht man auch wie die echte Irene zum ersten mal dem von ihr geretteten und inzwischen ebenso recht betagten Roman Haller begegnet. Man hört sie freudig sagen „Das ist mein Junge!“. Den Grund dafür erfährt man beim Schauen des Films.
Text: Falko Theuner / Redaktion: Felix Ritter
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