„Bring Her Back“: Verstörender Film über Trauer startet diese Woche

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Szenenbild aus BRING HER BACK
Foto: 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

„Bring Her Back“ ist der neue Horrorfilm zweier Regisseure, die einst durch YouTube bekannt wurden. Das Werk ist heftiger als ihr Debüt.

Die Begeisterung um „Talk To Me“ war groß. 2022 feierte der Horrorfilm in Adelaide seine Weltpremiere. Kurz darauf wurde er auf der Berlinale vorgestellt und recht schnell entwickelte sich ein Hype um das Langfilmdebüt von Danny und Michael Philippou. Die beiden Australier wurden zuvor auf YouTube berühmt, wo sie ein Millionenpublikum erreichen. Ihr Name: RackaRacka. Im Netz produzierten die beiden Stunts, Pranks, Fanfiction, häufig versehen mit viel Action und derbem Humor. Mit Talk To Me gelang den Brüdern dann der Sprung auf die große Leinwand.

Ihr Gruselfilm erzählt von einer offenbar verfluchten Gipshand. Wer sie berührt und dabei ganz bestimmten Regeln folgt, kann Kontakt zu den Toten aufnehmen, die dann für kurze Zeit von der Person Besitz ergreifen. Das Problem ist nur: Wer das Ritual nicht rechtzeitig abbricht, wird die Toten nicht mehr los. Natürlich kommt es genau so in „Talk To Me“, der rund um eine Teenagerin kreist, die mit der Prozedur eine Gelegenheit erhält, mit ihrer verstorbenen Mutter in Kontakt zu treten.

„Bring Her Back“ knüpft thematisch an „Talk To Me“ an

„Bring Her Back“ ist nun nach „Talk To Me“ das mit Spannung erwartete Nachfolgeprojekt der Philippous. Thematisch sind beide Filme eng über das Thema der Trauer und der jugendlichen Traumata verbunden. Dieses Mal erzählen die Filmemacher von zwei Geschwistern, die nach dem verstörenden Tod ihres Vaters zu einer Pflegemutter gebracht werden. Für diese Rolle konnte man britische Schauspiel-Ikone Sally Hawkins („The Shape of Water“) gewinnen, die einen beachtlichen Kraftakt hinlegt.

Von nervöser, aufgekratzter Freundlichkeit bis zur Biestigkeit und letztlich der völligen mentalen Labilität deckt sie die ganze Bandbreite ab. Schnell wird deutlich, dass mit dieser Pflegemutter etwas nicht stimmt. Ein anderer Junge, der mit ihr im Haus lebt, ist verstummt. Er legt ein selbstverletzendes Verhalten an den Tag. Und die Fürsorgerin scheint Übles im Schilde zu führen.

Jonah Wren Phillips in BRING HER BACK
Foto: 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

Extremes Horrorkino

„Bring Her Back“ ist bedeutend härter und noch finsterer geworden als „Talk To Me“. Nicht umsonst gab es in Deutschland dafür eine höhere Altersfreigabe ab 18 Jahren. Es gab in den letzten Jahren unzählige Filme, die sich mit den Themen Trauma und Trauer beschäftigt haben. Aber wenige kreieren dabei eine so zermürbend hoffnungslose, erdrückende Stimmung, die wiederholt in extremen Gewaltszenen eskaliert. Gleich am Anfang werden alte VHS-Aufnahmen okkulter Rituale abgespielt.

Aber „This is not a cult“, heißt es in der ersten Texteinblendung. Dies ist keine Sektengeschichte, aber eine über ein Unvermögen, die Trauer über den Verlust von Angehörigen adäquat verarbeiten und in den Alltag integrieren zu können. Man verlässt das Kino niedergeschlagen nach dieser Geschichte über den Versuch, die Toten wiederzuerwecken und die Lebenden dafür leiden zu lassen.

„Bring Her Back“ ist schwächer als „Talk To Me“

Nur: In ihrer erkennbaren Lust daran, den Horror noch weiter nach oben zu schrauben, ist dennoch kein besserer Film dabei herausgekommen. „Bring Her Back“ ist schwächer als „Talk To Me“, weil die eigentliche Geschichte und deren Verweise bedeutend kleiner und austauschbarer gestrickt sind. Das liegt einerseits, wie bereits angedeutet, daran, dass das Sujet an sich in den letzten Jahren von der Filmbranche überstrapaziert wurde. Nur auf exzessive Drastik und Gewalt zu setzen, um sich abzuheben, funktioniert auf einer reinen Affektebene. Aber dabei entsteht nicht automatisch ein kluges Werk.

„Talk To Me“ versuchte sich an einem sehr gegenwärtigen, sehr treffend und einfühlsam beobachteten Jugendporträt in einer Zeit, in der das Mediale omnipräsent ist und die Räume der Ekstase und Weltflucht zu schwinden scheinen. Das war überhaupt eines der bislang besten Genre-Werke über das Aufwachsen der sogenannten Digital Natives.

Szene aus Bring Her Back
Foto: 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

„Bring Her Back“ bleibt thematisch zu berechnend gestrickt

„Bring Her Back“ folgt indes einer eher zeitlosen Märchenlogik, erhält dadurch aber weniger Fallhöhe und wirkt schlichtweg kalkulierter. Er bleibt sehr eng abgesteckt in seiner Konstruktion, als habe er selbst so einen magischen Bannkreis um die eigenen Gedanken gezogen, den der Schauplatz des Films früh offenbart. Der Mut dieses Werks bezieht sich auf die menschlichen Extreme. Aber abseits expliziter Gewalt und einiger Spukerscheinungen wird hier auch ästhetisch nur Gewohntes serviert.

Ein paar unheilvolle Zooms und Blicke durch verschmierte Glasscheiben. Ein paar bedeutungsschwere Kreissymbole gibt es obendrauf. Dazu die Unerbittlichkeit einiger Aufnahmen, die die Gewalt schlichtweg aushalten und erbarmungslos dokumentarisch ihr Auge darauf richten. Das hat man oft gesehen im Horrorkino. Die Haken, die dieser etwas zu lang gerate Film schlägt, reißen mit und sie führen immer weiter hinein in den Abgrund. Aber sie verpassen genau das: den Film auf neue erzählerische Ebenen zu heben. Sie bleiben bloßer Effekt und verbrennen damit ein Werk, das thematisch schnell auserzählt ist und wenig nachhaltige oder originelle Anregungen und Denkanstöße bereithält.

„Bring Her Back“ läuft ab dem 14. August in den deutschen Kinos. „Talk To Me“ ist aktuell im Streaming-Abo von Prime Video enthalten.

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