
Leipzig – Über die derzeitige und zukünftige Entwicklung von Fernsehen über das Internet (IPTV) sprach DIGITAL FERNSEHEN mit Prof. Torsten Gerpott. Er ist Inhaber des Lehrstuhls Unternehmens- und Technologieplanung mit Schwerpunkt Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.
„Ein weiterer, vierter Verbreitungsweg für TV-Inhalte ist aus Zuschauersicht vorteilhaft, weil er zur Erhöhung der Angebotsvielfalt und zu besseren Leistungs-Preis-Relationen durch ein Mehr an Wettbewerb beitragen kann“, sagt Prof. Gerpott zum prognostizierten Nutzeranstieg von IP-Fernsehen.
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Prof. Gerpott, die Management-Beratung Detecon, ein Tochterunternehmen der T-Systems, der Geschäftskundenmarke der Deutschen Telekom (DT), prognostiziert bis zum Jahr 2013 mehr als fünf Millionen IPTV-Nutzer. Ist diese Prognose aus Ihrer Sicht berechtigt?
Prof. Torsten Gerpott: Die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens dieser Vorhersage hängt von zwei Faktoren ab. Erstens den Endkundenpreisen der DT für die TV-Angebote an ihre DSL-Kunden. Zweitens den Marketing-Aufwand, den der Bonner Konzern betreibt, um die Nutzer für die eigenen DSL-basierten TV-Angebote zu bekommen.
Je nachdem wie sich die DT hier verhält, kann sie bis Ende des Jahres 2013 die Zahl von fünf Millionen Kunden für ihr TV-Angebot erreichen oder nicht. In jedem Fall entsprechen diese fünf Millionen Kunden einem Anteil von etwa 14 Prozent der TV-Haushalte in Deutschland. Ein solcher Anteil nach acht Vermarktungsjahren ist nicht gerade ein Indiz dafür, dass die DT mit ihren TV-Angeboten über das Internet einen „Hero Service“ gestartet hat.
DF: Begrüßen Sie den prognostizierten Nutzeranstieg von IPTV? Wenn ja, warum?
Prof. Gerpott: Ein weiterer, vierter Verbreitungsweg für TV-Inhalte ist aus Zuschauersicht vorteilhaft, weil er zur Erhöhung der Angebotsvielfalt und zu besseren Leistungs-Preis-Relationen durch ein Mehr an Wettbewerb beitragen kann.
DF: Wo liegt aus Ihrer Sicht der Mehrwert von IPTV gegenüber digitalem Fernsehen über Kabel (DVB-C) oder Satellit (DVB-S)?
Prof. Gerpott: So lange wie erst eine Minderheit der Kabel-TV-Kunden an digitalisierte Netze angeschlossen ist (derzeit in Deutschland weniger als 25 Prozent der Kabel-TV-Haushalte), können mit DSL-basierten TV-Plattformen Differenzierungsvorteile durch Angebote wie zeitversetztes Fernsehen, Video-on-Demand oder Quasi-Videorecorder im Netz gegenüber dem Kabel erzielt werden. Wenn die Digitalisierungslücke im Kabel geschlossen ist, dann sind solche Angebote auch für Kabelkunden machbar und die Wettbewerbsvorteile von DSL-basiertem TV schwinden. Gegenüber der digitalen Satellitenverbreitung bleiben sie jedoch auch auf längere Sicht bestehen.
DF: Wenn es einen Mehrwert gibt, was können die Kabelnetzbetreiber und Anbieter von Satellitenfernsehen tun, um diesen zu kompensieren?
Prof. Gerpott: Die Kabelnetzbetreiber müssen die Digitalisierung ihrer Netze beschleunigen und neue digitale Angebote intelligenter als bislang ihren Bestandskunden schmackhaft machen. Anbieter von Satellitenfernsehen sollten andere Zielgruppen adressieren als die Telekom-Firmen mit ihren DSL-basierten Rundfunkdiensten.
DF: Zum 9. März will T-Home – vorerst befristet bis zum 30. Juni – die Preise für sein IPTV-Angebot „Entertain“ um zehn Prozent senken. Wie werden sich Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren die Kosten für IPTV entwickeln?
Prof. Gerpott: Sie werden weiter deutlich sinken. Zudem geht der Trend zur Preisbündelung, d.h. es werden Pakete aus schnellen Internet-Zugängen, Telefonanschlüssen und TV-Inhalten zu einem Gesamtpreis vermarktet, bei dem für den Endkunden letztlich nicht erkennbar ist, welche Leistung mit welchem Einzelpreis in das Bündel eingeht.
DF: Werden bei steigender Kundenanzahl die Kosten für das Produkt IPTV sinken?
Prof. Gerpott: Ja, natürlich gibt es Fixkostensenkungswirkungen, wenn die Kosten für gekaufte Rechte an Inhalten auf eine größere Kundenzahl verteilt werden können.
DF: Herr Prof. Gerpott, vielen Dank für das Gespräch. [ar]
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