Starke Bestseller-Verfilmung: „Love in the Big City“ jetzt als VoD

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Heung-soo und Jae-Hee in Love in the Big City
Foto: 2024 PLUS M ENTERTAINMENT AND SHOWBOX CORP. ALL RIGHTS RESERVED.

„Love in the Big City“ erzählt von einer ungewöhnlichen Freundschaft in Seoul. Jetzt kann man den Film in Deutschland streamen.

„Geh einfach zur Armee! Da bekommst du ordentlich zu essen“, rät die Mutter ihrem Sohn. Doch Heung-soo will vom Militär und überhaupt den geordneten Bahnen, denen ein Mann in seinem Alter angeblich zu folgen hat, wenig wissen. Steve Sanghyun Noh spielt diese Rolle herausragend, ganz reduziert, mit kleinen Gesten und Unsicherheiten. Sein Gesicht versucht, die aufgesetzte Stärke zu wahren. Zu einem Gefühlsausbruch, zum Weinen muss man ihn regelrecht überreden, bis irgendwann im Film die Tränen fließen.

Wie er Heung-soo verkörpert, ist auch deshalb beeindruckend, weil die Figur mit einem solchen Facettenreichtum davon erzählt, was es heißt, in einer erzkonservativen Gesellschaft einen Rest Eigensinn zu wahren. Auch wenn das vielleicht bedeutet, an manchen Stellen Zugeständnisse zu machen, sich zu fügen. Und die Erbarmungslosigkeit des Drucks, der mit genau dieser Fügung und Anpassung einhergeht, wird mit jeder Filmminute spürbarer.

„Love in the Big City“ holt damit unter seiner zunächst seicht anmutenden Oberfläche zu den großen, gewichtigen Themen aus. Sie drehen sich rund um die Handlungsmacht und Ohnmacht der einzelnen Person, die in Konflikt mit den Werten und Normen gerät, die über Generationen hinweg vorausgesetzt und mit Gewalt durchgesetzt werden. Der Film, der jetzt im Streaming zu sehen ist, mausert sich damit zum kleinen, sehenswerten Geheimtipp.

Heung-soo und sein Freund in Love in the Big City
Foto: 2024 PLUS M ENTERTAINMENT AND SHOWBOX CORP. ALL RIGHTS RESERVED.

Verfilmung eines „Kultbuches“

„Love in the Big City“ basiert auf dem gleichnamigen Großstadt-Roman von Sang Young Park, der in Deutschland 2022 bei Suhrkamp erschien. Ein Kultbuch, wie es der Verlag bezeichnet, das unter anderem auf der Longlist für den renommierten International Booker Prize landete. Die Regisseurin E.oni hat daraus Wohlfühlkino gemacht, das dennoch versteht, seinem Publikum an den richtigen Stellen schmerzhafte Stiche zu verpassen. Insofern trügt auch die ästhetische Aufmachung, die mit ihren makellos geschminkten Gesichtern, ihrem sauberen Glanz und Schimmer mitunter an die Cozy-Wellness-Oasen der sozialen Medien erinnert und etwas arg stil- und einfallslos geraten ist. Umso bedrückender erscheinen einige der biographischen Zäsuren und Erschütterungen, die im Laufe des Films über die Figuren hereinbrechen.

Heung-soo findet im Studium eine Seelenverwandte. Ihre Freundschaft begleitet „Love in the Big City“ über mehrere Jahre hinweg. Jae-hee ist ebenfalls eine Außenseiterin. Sie scheint nicht dem Rollentypus einer jungen Frau zu entsprechen, den die Gesellschaft von ihr verlangt. Sie ist die einzige Person, der Heung-soo seine Homosexualität anvertraut. Den Kampf mit dem eigenen Outing weiß diese Tragikomödie schmerzhaft einzufangen. Man möchte besonders all jenen Menschen diesen Film ans Herz legen, die gerade im Diskurs um die Christopher-Street-Day-Demonstrationen etwa immer noch darauf beharren, man müsse von der sogenannten Norm abweichende Orientierungen doch nicht so zur Schau stellen, man solle sie nicht so inszenieren oder als etwas Besonderes darzustellen.

Heung-soo und Jae-hee sitzen am Tisch
Foto: 2024 PLUS M ENTERTAINMENT AND SHOWBOX CORP. ALL RIGHTS RESERVED.

„Love in the Big City“ ist starkes queeres Kino

„Love in the Big City“ liefert letztlich das filmische Gegenargument dazu und führt das unterschwellige oder ganz offensive Mobbing vor, das Tuscheln hinter vorgehaltener Hand, die Scham, mit einem Partner etwa öffentlich die Hand zu halten, weil einem das heterosexuelle Gegenüber, das nie Diskriminierung erfahren musste, auch heute noch abschätzige oder verschämte Blicke zuwirft.

E.onis Film ist recht konventionell in den Bildern, die er wählt, um als New-Adult-Erzählung von all den Hürden des Lebens zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr zu erzählen. Das folgt manchmal einer gewissen Daily-Soap-Logik, wenn das Drehbuch von einem Auf und Ab zum nächsten schlingert und im Grunde noch ewig so weitergehen könnte. Interessant wird der Film aber dort, wo er abseits des Konflikts mit der Homosexualität überhaupt einen Begriff von Queerness erweitert. Wo er Verhaltensweisen zwischen Geschlechtern umwirft, Freundschaft und Liebe neu vermengt und davon auch eine andere Form des Zusammenlebens ableitet. Über alte Klischees und Vorurteile ist es erhaben – allem Gegenwind zum Trotz.

„Love in the Big City“ erscheint in Deutschland digital für das Heimkino und ist seit dem 17. Juli 2025 als Video-on-Demand auf den gängigen Plattformen erhältlich.

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