Teuflisches Geschenk: „Vicious“ lehrt im Streaming das Fürchten

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Dakota Fanning in VICIOUS
Foto: Paramount

Bryan Bertino gruselte einst mit „The Strangers“. Sein neuer Film „Vicious – Ein teuflisches Geschenk“ läuft jetzt bei Paramount+.

Bryan Bertino hat 2008 mit „The Strangers“ einen Meilenstein des Home-Invasion-Horrors hingelegt. Damals erzählte der Amerikaner von einem Paar, das nachts in einem abgelegenen Haus von drei Maskierten terrorisiert wird. Bis heute übt der Film einen solchen Horror aus, dass wenig verwunderlich ist, dass „The Strangers“ inzwischen fortgesetzt und neu aufgelegt wurde. Doch auch die anderen Filme von Bertino, die weniger bekannt sind, zeugen davon, dass der Regisseur ein großes Talent für filmischen Schrecken besitzt. So schwankend die Drehbücher und Stoffe in ihrer Qualität ausfallen, so effektiv sind sie in Szene gesetzt. Sein letzter Film „The Dark and the Wicked“ gehört etwa zu den wahrscheinlich grausamsten Spukgeschichten der vergangenen Jahre und Bertinos neues Werk fällt nicht weniger finster aus.

Das Motiv der Heimsuchung und des Eindringlings, der den Terror in das Innere bringt, steht erneut am Beginn des Films. „Vicious – Ein teuflisches Geschenk“ erzählt von der Ankunft einer rätselhaften, verwirrten Dame, die in einer frostigen Nacht plötzlich vor der Tür steht. Kathryn Hunter spielt diese Frau, eine Wandlerin zwischen Film und Theater. In den letzten Jahren war sie etwa in der Groteske „Poor Things“ und in dem Apple Original „Macbeth“ zu sehen, in dem sie die drei Hexen im Alleingang verkörperte.

Kathryn Hunter in Vicious
Foto: Paramount

Darum geht es in „Vicious“

Am Anfang von „Vicious“ hat ihre Figur nun ein ganz besonderes Geschenk für die junge Polly (Dakota Fanning) im Gepäck, die allein in dem großen Reihenhaus lebt. Eine große, dunkle Box mit einer Sanduhr ist das Objekt, das den Horror in Gang setzt. Die ältere Dame prophezeit, dass Polly heute Nacht sterben wird. Und die Box, die sich fortan nicht mehr aus dem Haus entfernen lässt, fordert drei ganz besondere Opfer, um das Unheil womöglich doch noch abzuwenden. Polly soll drei Gaben entrichten. Sie soll etwas in der Box ablegen, das sie liebt, etwas, das sie braucht und etwas, das sie hasst.

„Vicious“ kreiert damit ein archetypisches Szenario, das auf den Resonanzboden einer Zeit fällt, in der permanent die Rede davon ist, welches Opfer das Individuum im Leben angeblich zu bringen, wie lange es auf welche Art und Weise durchzuhalten hat, damit sich die Lage eines Tages zum Besseren wenden möge. Egal, ob es um den Militarismus und um Kriege oder um ökonomische Fragen geht. Bryan Bertino zeigt hier die einzelne Person im aussichtslosen Kampf gegen auferlegte Regeln und Forderungen von außen und letztlich gegen die eigene Person und Körperlichkeit, um Einsicht und Resilienz zu beweisen.

Szenenbild aus Vicious - Ein teuflisches Geschenk
Foto: Paramount

Dakota Fanning absolviert einen Leidenstrip

Es ist nicht so, als sei das inszenatorische Programm dabei sonderlich originell. Aber es ist effektiv und es schockt in den richtigen Momenten. Zwischen all den aufgeblasenen Horror-Epen, die im Kinoprogramm in diesem Jahr gefeiert wurden, man denke nur an den episodisch erzählten „Weapons„, kommt ein Film wie „Vicious“ auf charmante Weise bescheiden und aufs Wesentliche konzentriert daher. Bertino inszeniert hier Dakota Fanning die meiste Zeit in einer One-Woman-Show. Sie hat den Film zu großen Teilen im Alleingang zu schultern und es ist erstaunlich, wie mitreißend das oft gelingt. Stück für Stück versinkt ihre Figur in den Strapazen und Qualen, während sie ihrer eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen kann.

Allzu viel inhaltlichen Stoff bietet „Vicious“ letztlich nicht an. Viele Beziehungen und Verweise auf die Vergangenheit der Protagonistin bleiben Andeutungen. Bertinos Film verrennt sich etwas in der Metaphorik und Rätselhaftigkeit seines Opferszenarios und der Selbstbespiegelung, die dieses provoziert, ohne ein sonderlich aufschlussreiches Fundament dafür zu legen. Zugleich fügt sich das Bruchstückhafte, unfertig Erscheinende und Verworrene, obwohl der Film mit so einer überschaubaren Prämisse und Figurenzahl auskommt, bestens in die psychotische Atmosphäre ein. Und in dieser Hinsicht entfaltet „Vicious“ vor allem seine Stärken, wenn Stimmungen plötzlich umschlagen, wenn nichts, was man auf dem Bildschirm sehen kann, zuverlässig erscheint.

Dakota Fanning in Vicious - Ein teuflisches Geschenk
Foto: Paramount

Klassischer, aber effektiver Horror

Bertinos Schauergeschichte interessiert sich etwa für das Unheimliche des Telefonierens. Stimmen und Vorstellungen, wer da am anderen Ende der Leitung sprechen soll, werden verkehrt. Distanzen werden aufgelöst. Das wohlige Gefühl, unerreichbar und unbeobachtet zu sein, kippt plötzlich in ein wahnhaftes Überwachungsszenario. „Vicious“ bespielt dabei wirkungsvoll die Formeln seines Genres, wenn in Spiegeln im Hintergrund plötzlich sichtbar wird, wie sich unbemerkt Gestalten in das Zimmer schleichen. Oder wenn die Kamera langsam den Blick auf den Raum erweitert und man sich vor einem einfachen Deckenventilator erschrecken kann.

Wie Bertino alltägliche Räume, auch einen begehbarer Kleiderschrank beispielsweise, beängstigend werden lässt, ist so klassisch wie gekonnt umgesetzt. Bertinos Horrorkino ist nicht einfach die wohlig gruselnde Geisterbahn, durch die sich Figuren und Publikum bewegen. Das Entsetzen greift bei ihm immer auch auf die Körper über und hier entsetzt „Vicious“ mitunter ganz unvermittelt in seinen expliziten Bildern. Die psychische Versehrung manifestiert sich immer auch in der Verstümmelung und im vergossenen Blut. Vielleicht sind diese Kompromisslosigkeit und fehlende Sicherheit, mit der Bertino seinen Stoffen, Figuren und seinem Publikum begegnet, sein ultimativer Trumpf.

„Vicious – Ein teuflisches Geschenk“ ist seit dem 10. Oktober 2025 bei Paramount+ verfügbar.

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