Die Heineken Entführung

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Anspruchsvolle Unterhaltung mit Rutger Hauer

Dass der inzwischen 71-Jährige Rutger Hauer inzwischen fast nur noch in Nebenrollen in B-Movies auftaucht, bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass jeder Film mit ihm auch ein B-Movie sein muss. Im Gegenteil: „Die Heineken Entführung“ bietet anspruchsvolle und spannende Unterhaltung, bei der der gebürtige Niederländer mal wieder seine Fähigkeiten als Charakterdarsteller beweisen kann.

1983 wurde der niederländische Unternehmer und Bierbrauer Alfred Heineken entführt und über mehrere Wochen gefangen gehalten. Diese Entführung gilt auch heute noch als eines der bekanntesten Verbrechen in den Niederlanden. Die vorliegende Verfilmung nutzt die Ereignisse dieses Vorfalls als grobe Handlungsgrundlage und erzählt die dramaturgisch veränderte und damit fiktive Geschichte der Entführer.

Die Arbeiterschicht

Rems (Reinout Scholten van Aschat) Leben war auch schon einmal leichter. Er selbst ist nicht der große Verdiener, weshalb er noch bei seinen Eltern lebt. Nachdem sein Vater den Job bei der Brauerei verlor, verschlechtert sich dessen Gesundheit aufgrund des bestehenden Alkoholismus und Rem muss regelmäßig Medikamente aus der Apotheke besorgen.
 
Auf dem Weg nach Hause gerät er in einen Unfall, der von der Limousine Alfred Heinekens (Rutger Hauer) verursacht wurde. Tags darauf belauscht er ein Gespräch seiner Kollegen  Cor (Gijs Naber), Frans (Teun Kuilboer) und Jan (Korneel Evers), die sich mit einer Entführung ein beträchtliches Zubrot verdienen wollten, jetzt jedoch vor einem gescheiterten Plan sitzen. Prompt kommt Rem der Gedanke, Heineken zu entführen und er beginnt, den Großindustriellen heimlich zu observieren.
 
Die Entführung findet statt und der alte Mann sowie sein Chauffeur finden sich in einer von den Entführern erbauten Zelle wieder, in der sie unter widrigen Umständen drei Wochen lang hausen müssen. Währenddessen fordern die vier 35 Millionen Gulden, die sie auch bekommen.

Der Bruch

Bis hierhin verläuft die Handlung relativ geradlinig und bis auf die Entführung selbst gibt es kaum Spannungsmomente. Jedoch wird der Film abstruserweise von Anfang an aus der Perspektive der Entführer erzählt und Heinekens Part erscheint eher als Nebenhandlung, die seine Beweggründe für die anschließende Hetzjagd erklären. Es folgt also noch ein folgenreiches Nachspiel für die gesuchten Verbrecher, das auch ein interessantes Licht auf das Entführungsopfer wirft. Nicht nur, dass Heinekens Chauffeur Rem zuvor mit einem 100-Gulden-Schein ruhig stellen wollte, damit dieser nicht die Polizei zum Unfallort ruft.
 
Es scheint auch so, als ob Heinekens Brauerei den Alkoholismus seiner Mitarbeiter fördert, was Rems Vater zum Verhängnis wurde. In diesem Horror-Szenario aus Recht und Unrecht, Arm und Reich, Rache und Vergebung ergreift der Film weder Partei für die Gewalttäter noch für das Entführungsopfer. Und dennoch gibt es zwei Spannungshöhepunkte, bei denen man automatisch mit der betroffenen Seite mitfiebert. Dies hat Regisseur Maarten Treurniet gut austachiert und sich daraus einen doppelten Vorteil für seinen Film erarbeitet. Ob Heineken und Rem am Ende ihren jeweiligen Frieden finden werden?
 
Im Gegensatz zu den tatsächlichen Ereignissen werden im Film übrigens nur vier statt fünf Entführer gezeigt. Der fünfte hieß Rem Hubrechts, während der junge Rädelsführer eigentlich den Namen Willem Holleeder trug. Aus rechtlichen Gründen wurden die Namen allerdings getauscht, sodass der immer noch lebende Holleeder nicht namentlich im Film erwähnt wurde.

Das Original

Das der niederländische Film aus dem Jahre 2011 gerade jetzt seinen Blu-ray-Release findet, ist natürlich kein Zufall, denn zeitgleich startet auch die amerikanische Neuverfilmung des Stoffes unter dem Namen „Kidnapping Mr. Heineken“ in den deutschen Kinos. Dieser hat zwar mit Anthony Hopkins, Sam Worthington und Jim Sturgess ein größeres Staraufgebot, wirkt dadurch aber auch weniger authentisch als das holländische Original und mehr Hollywood-esk.
 
Die Technik der vorliegenden Blu-ray braucht sich nicht zu verstecken. Ähnlich, aber nicht ganz so konsequent wie bei der Norwegischen Produktion „Pioneer“ wurde der Look auf die 1980er Jahre getrimmt. Dies betrifft hauptsächlich die nüchternen Farben. Auf diese Weise merkt der Zuschauer nicht nur an den unmöglichen Frisuren und der schlacksigen Mode, in welcher Zeit der Thriller spielt. Kontrast und Schwarzwert sind gut, die Schärfe bleibt im durchschnittlichen Bereich, Bildrauschen lässt sich kaum wahrnehmen.
 
Beim Ton fällt die gepresst klingende, deutsche Synchronspur auf, die zwar irgendwie zum 80er-Jahre Ambiente passt, jedoch auch die Klangqualität insgesamt nach unten zieht. Eine auffallende Räumlichkeit konnten wir leider nicht feststellen. Die Bonussektion enthält ein 12-Minütiges Featurette sowie 13 Minuten an gelöschten Szenen.

Trailer „Die Heineken Entführung“:

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(Falko Theuner)

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