Einschaltquoten

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Messung im Umbruch

Für Fernsehsender, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, sind Einschaltquoten das Maß aller Dinge. Dabei liegt ihr Schicksal gerade einmal in den Händen von 5640 zufällig ausgewählten Haushalten. Aber in Zeiten von Online-Videotheken und Digitalfernsehen kommen neue Messinstrumente hinzu.

Früher war alles anders. Da musste sich die Fernsehbranche noch nicht mit Streamingportalen und mobilem TV via Tablet und Smartphone auseinandersetzen. Der derzeitige Wandel betrifft Zuschauer, Senderchefs und Produzenten gleichermaßen, aber auch die AGF muss sich dem Umbruch stellen. Um sich dem veränderten Fernsehverhalten anzupassen, arbeitet die Arbeitsgemeinschaft auf Hochtouren daran, Internet in die Quoten zu integrieren. Dafür arbeitet sie eng mit dem Forschungsunternehmen Nielsen und dessen bereits existierenden Online-Panel zusammen.

Da sich an den ermittelten Einschaltquoten die Preise für Werbungorientieren, sind sie für Fernsehsender ausgesprochen wichtig. IchDeutschland gibt es rund 38 Mio. Fernsehhaushalte, aber nur 5640Testhaushalte entscheiden über Sieg und Niederlage in der TV-Welt. ImAuftrag der AGF stellte die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschungdieses Panel nach dem Zufallsprinzip zusammen. Obwohl sich Sender undWerbeindustrie darauf geeinigt haben diese Testhaushalte als Maßstabanzuerkennen, gibt es an vielen Stellen Probleme.
 
Zum Beispiel ist einausgewogenes Verhältnis der Zielgruppen nicht gewährleistet. Alter,Beruf, Familienstand, Wohnort spielen eine entscheidende Rolle, könnenaber nicht immer gleichmäßig aufgeteilt werden. Auch kleinere Senderhaben es schwer und finden kaum Beachtung. Natürlich klingt die Zahl von5640 Haushalten auf den ersten Blick sehr hoch, bedenkt man aber das inden letzten Jahren dutzende neue Spartensender gestartet sind undaktuell über 200 Sender in der Quotenermittlung liegen, wo es Anfang derNeunziger noch weniger als 20 waren, relativiert sich dieses Ergebnis.

Pay-TV inbegriffen

Erste Umbrüche bei der Quotenmessung gab es schon in den letzten Jahren. Die Zuschauerzahlen im Pay-TV waren viele Jahre ein gut gehütetes Geheimnis. Die Pay-TV-Provider, allen voran Sky ermitteln zwar schon einige Zeit ihre Quoten, die Zahlen wurden aber in der Vergangenheit nicht veröffentlicht. Seit April 2011 hat sich dies geändert und auch im Pay-TV werden die Quoten gemessen. Sky hat sich der normalen Quotenmessung der AGF angeschlossen, die Zuschauerzahlen sind seitdem öffentlich. In den vergangen Monaten haben sich auch viele kleinere Pay-TV-Sender dieser Messung angeschlossen. Nicht zuletzt an den guten Quoten einiger Pay-TV-Sender hat sich erst vor kurzen gezeigt, wie marktfähig Pay-TV in Deutschland ist.

Online-Konsum nicht einbezogen

Vollkommen ignoriert wurden bis jetzt alle Alternativen zum klassischen TV-Genuss. Das soll sich dieses Jahr ändern: Der immer mehr ansteigende Online-Konsum und damit besonders jüngere Zuschauer sollen stärker berücksichtigt werden. Internetfähige Smart-TV-Geräte erfreuen ich immer größerer Beliebtheit, aber auch unterwegs via Handy, Tablet oder Laptop werden die Lieblingsformate geschaut. Ermittelt werden die TV-Quoten aber eben nur in 5 640 Haushalten, die rund 13 000 Personen beherbergen. Sie haben sich bereiterklärt, ihre TV-Gewohnheiten über ein sogenanntes GfK-Meter messen und zur Auswertung nach Nürnberg schicken zu lassen.
 
Sie können sich also beruhigt zurücklehnen. Keiner wird erfahren, dass sie heimlich zum Dschungelcamp geschaltet haben. Sozusagen spielt es für die Einschaltquoten keine Rolle, was Sie gerade schauen. Aber genau hier liegt das Problem, denn auch der Online-Konsum findet in der bisherigen Quotenmessung überhaupt nicht statt. Das verfälscht die Ergebnisse und gibt Formaten, die zu unbeliebten Sendezeiten laufen keine Gelegenheit mit den Ausstrahlungen der Prime Time zu konkurrieren und das obwohl gerade diese Zielgruppe, die sich größtenteils aus jungen Menschen zusammensetzt, die Werbeindustrie verlocken sollte.

Optimierungen schon 2014

Noch in diesem Jahr sollen nun nach und nach neue Messmethoden ausprobiert, angewendet und somit erste Online-Quoten erhoben werden. Bisher konnten Sender ausschließlich ihre Klickzahlen, also wie häufig ein Stream aufgerufen wurde, überprüfen. Allerdings lässt sich so unmöglich feststellen, inwieweit die Sendung überhaupt angeschaut wurde. Um diese Zahlen mit den Fernseh-Quoten vergleichen zu können, muss die exakte Nutzungsdauer ermittelt werden. Gelöst wird dieses Problem, indem die Teilnehmer der 25 000 Personen umfassenden Panels eine spezielle Software installieren, wodurch eine sekundengenaue Erfassung der geschaute Streams ermöglicht wird.

Alternative Quotenmessung mit Enigma2

Das eine Quotenmessung auch ganz unkonventionell geht, zeigen einmal die Enigma2-Pluginentwickler. Für nahezu alle, mit Enigma2 nutzbaren Receiver, kann im Erweiterungsmenü das Plugin TV-Charts heruntergeladen und installiert werden. Diese kleine Erweiterung ermittelt die Sehgewohnheiten der Enigma2 Nutzer und stellt diese in Echtzeit allen Nutzern des Plugins bereit. Natürlich werden die Daten anonym an den Server von der Box übertragen. Niemand muss also fürchten, dass seine Sehgewohnheiten öffentlich unter Angabe seiner persönlichen Daten gemacht werden. Ein Aufruf den Plugins unter Erweiterungen zeigt zudem was andere Enigma-Nutzer aktuell schauen.
 
Wenn man sich am TV-Abend nicht entschließen kann, was man anschauen möchte, bietet ein Blick ins Plugin die ein oder andere Inspiration. Neben den Live-Inhalten werden auch die „Quoten“ für Timer und bereits aufgenommene Sendungen angezeigt. Interessant dabei: Die Enigma-Nutzer scheinen doch überwiegend Tatort Fans zu sein. Wer denkt, dass die TV-Charts Quoten gewiss nicht aussagekräftig sind, der irrt. Insgesamt 13 867 User sind aktuell angemeldet, Tendenz steigend. Während in den Morgenstunden zwischen 2000 und 3000 Meldungen eingehen, sind es in den Abendstunden oft mehr als am AGF-Projekt überhaupt teilnehmen.

(Maria Gregor, Ricardo Petzold)

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