Kabel hat die meisten „weißen Flecken“ in Europa

0
90

Kabel hat die meisten „weißen Flecken“ in Europa, Teil 2

Kabel: TV-Sender scheuen analoge Abschaltung

So fällt der Blick auf das Kabel, das mit der Digitalisierung im Spannungsfeld zwischen regulatorischen Vorgaben und ökonomischen Zwängen seine liebe Mühe hat. Damit sind wir in Deutschland allerdings nicht allein. Vergleicht man die Empfangsplattformen in Europa miteinander, wird deutlich, dass das Kabel in der digitalen Landschaft die meisten „weißen Flecken“ besitzt. So bezeichnete Dorothea von Wichert- Nick, Mitgeschäftsführerin der Solon Management Consulting GmbH, auf der Veranstaltung „Fernsehen 2011: Alles digital – außer Kabel?“ der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) den Anteil des analogen Kabels. Wo liegt also der Hase im Pfeffer? Sender, Produkte, Komfort Laut Wichert-Nick empfangen 38 Prozent der deutschen TV-Haushalte analoges Kabelfernsehen. Mit einem Digitalisierungsgrad von 47 Prozent befindet sich Deutschland im Mittelfeld. Führend ist Großbritannien vor Frankreich, die Schlusslichter bilden Dänemark und die Schweiz. Trotzdem sprach Wichert-Nick von einer zunehmenden Dynamik bei der Digitalisierung des Kabels, die nicht zuletzt durch das hochauflösende Fernsehen an Fahrt gewinnen werde. Fakt ist allerdings auch, dass der Grad der Digitalisierung im direkten Zusammenhang mit dem analogen Kabelangebot steht. Je größer dieses ist und je zufriedener die Kunden sind, desto geringer ist der Anteil an digitalen Anschlüssen. Das Argument einer größeren Programmauswahl zieht beim Zuschauer nicht, wenn ihm das analoge Angebot ausreicht, auch wenn Wichert-Nick zufolge die breitere Programmvielfalt das Hauptmerkmal für ein attraktives Digitalangebot ist.

Mehr Marketing

Was ist also zu tun? Christoph Clément, General Counsel bei Kabel Deutschland, setzte sich auf dem BLM-Forum für ein marktgetriebenes Vorgehen ein. Eine Vereinfachung der Technik erhofft sich Clément durch die Einführung von Common Interface Plus (CI Plus). Hierauf hoffen vor allem die Flachbildhersteller, die in ihre Geräte mehr und mehr digitale Tuner integrieren. Mit einer CI-Plus-Schnittstelle wären diese Fernseher dann auch für den digitalen Kabelempfang geeignet. Weiterhin forderte Clément die Programmanbieter auf, mehr Werbung für ihre eigenen digitalen Angebote zu machen. Ebenso favorisierte der KDG-Manager den Start einer Digitalisierungskampagne. Unitymedia hat’s vorgemacht: Dem Kabelnetzbetreiber in Nordrhein-Westfalen und Hessen gelang es durch die Marketing-Aktion „Jetzt digital“ mit Unterstützung der Landesanstalt für Medien aus Düsseldorf, den Anteil digitaler Kabelanschlüsse von zehn auf 20 Prozent zu steigern.

Reanalogisierung

Doch im Kabel scheuen die TV-Sender, vornehmlich die privaten, die analoge Abschaltung. In Zeiten eines schwierigen Werbemarktes kann es sich kein Sender erlauben, an Reichweite zu verlieren. So verlockend neue Einnahmequellen in der digitalen Welt auch sein mögen, die Zahl der Konkurrenten ist dort erheblich höher als im analogen Kabel, wobei der Werbekuchen allerdings seine Größe beibehält. So entstehen trotz aller Digitalisierungsbemühungen der Netzbetreiber Kapazitätsengpässe.
 
Die konkrete Folge: HDTV lässt auf sich warten, dem Kunden wird kein attraktiver Mehrwert für den Umstieg geboten, er bleibt beim analogen Kabel und die Privaten beim Konsumenten – ein Teufelskreis. Durch den Digitalisierungsvorsprung des Satelliten laufen die Kabelnetzbetreiber Gefahr, ihre Kopfstellen für eine Reanalogisierung umrüsten zu müssen, wenn aus dem All nur noch digitale Signale empfangen werden können, im Kabel aber immer noch analog ferngesehen wird.
 
Nach Aussage von Hans Hege, Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, haben die Kabelnetzbetreiber jedoch gar kein Interesse daran, diese Situation zu vermeiden. „Aus der Sicht der Kabelnetzbetreiber ist es wirtschaftlich sinnvoller zu reanalogisieren, als digital zu gehen“, sagte Hege auf dem BLM-Forum. Eines ist sicher: Wenn sich keiner bewegt, wird es im Kabel auch dann noch analoges Fernsehen geben, wenn ARD und ZDF das zehnjährige Jubiläum des hochauflösenden Fernsehens bei den Öffentlich-Rechtlichen feiern.

Einfachste Technik

Neben Vielfalt zählen insbesondere HDTV und Produkte wie PVR-Geräte oder ein VoD-Angebot zu den attraktivsten Anreizen für einen Umstieg. Und genau hier knirscht es im Gebälk des deutschen Kabelnetzes. Das HDTV-Angebot ist mäßig, einzig Kabel BW bietet eine Handvoll HD-Sender an. Immerhin: Unitymedia und Kabel Deutschland führen derzeit einen PVR ein und erste VoD-Dienste soll es dieses Jahr auch noch geben. Doch der Kabelkunde ist einfachste Technik gewohnt und kennt im Gegensatz zum Sat-Benutzer keine Set-Top-Boxen und Smartcards, ganz zu schweigen davon, dass an jede Antennendose im Haus eine solche Box angeschlossen werden muss. Wer ist schon bereit, dafür noch mal extra einen Kabelvertrag abzuschließen? Die Kabelnetzbetreiber kämpfen gegen ihr eigenes, gutes analoges TVProdukt. Ohnehin kommt für viele Vermieter mit dem Kabelnetzbetreiber ein völlig neuer Vertragspartner ins Haus, wenn die Kabelgebühren bislang über die Mietnebenkosten abgerechnet wurden. Die Kabelnetzbetreiber suchen den direkten Kundenkontakt. Lockangebote für den Empfang von Pay-TV, die nach Ablauf der Gratiszeit gekündigt werden müssen, erhöhen natürlich den Digitalisierungsgrad, tragen aber nicht gerade dazu bei, den Kabelnetzbetreiber bei seinen Kunden in ein positives Licht zu rücken.
(Marc Hankmann)

Kommentare im Forum