MPEG-4 setzt sich durch

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MPEG-4 setzt sich durch, Teil 2

Immer mehr Sender in MPEG-4

In Deutschland sind wir vom Trend, Kanäle in MPEG-4 auszustrahlen, bislang verschont geblieben. Doch auch auf dem „deutschen“ Astra auf 19,2 Grad Ost sind bereits erste Stationen zu finden, die auf diese Weise ausgestrahlt werden. Zu ihnen zählen ein Teil des französischen Orange-Pay- TV-Pakets sowie ein Transponder des Polnischen Fernsehens.
 
Auf anderen Satelliten findet man auch schon eine beachtliche Anzahl freier in MPEG-4 ausgestrahlter Sender. Das ist z. B. im C-Band auf 10 Grad Ost der Fall, wo derzeit circa 25 Kanäle für Afrika übertragen werden, oder im Ku-Band auf 40 Grad Ost, wo man zahlreiche Programme für Russland ausstrahlt. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Der direkte Vergleich

Teilweise werden dieselben Programme über einen Transponder im alten MPEG-2 und neuen MPEG-4 ausgestrahlt; so etwa auf 40,5 Grad West im C-Band, wo wir für unseren Vergleich mehrere Stationen aus Kolumbien heranziehen. Canal 1 wird in der MPEG-2-Variante als „Canal 1“ im Receiver eingelesen. Hier wird das Bild mit 704 × 480 Pixeln ausgestrahlt. In der MPEG-4-Variante findet sich die Station als „Canal 1 MPEG4“ mit nachgestelltem HD-Symbol in der Senderliste.
 
Wie die Systeminformationen verraten, wird auch dieser Kanal nur mit 704 × 480 Pixeln übertragen; die Bildqualität der beiden Kanäle ist vergleichbar. Ein weiteres Beispiel ist Señal Colombia, das in der Standardübertragung ebenfalls 704 × 480 Bildpunkte aufweist. In der MPEG-4-Variante, die als „Señal Colombia MPE“ eingelesen wird, setzt sich das Bild nur aus 544 × 480 Pixeln zusammen – von HDTV also keine Spur. Ganz im Gegenteil: Die im Receiver als HD gekennzeichnete Variante ist sogar etwas unschärfer als jene in MPEG-2.
 
Um zu untersuchen, wie viel sich durch MPEG-4 an Übertragungskapazität einsparen lässt, haben wir einen simplen Versuch gestartet und beide Versionen von Canal 1 für genau 60 Minuten auf die im HD-Receiver eingebaute Festplatte parallel aufgezeichnet. Da sich beim Digitalfernsehen die augenblicklich übertragene Datenrate stets an den Bildinhalt anpasst, ist nur so ein direkter Vergleich möglich.
 
In der MPEG-2-Ausführung werden für eine Stunde 1,355 Gigabyte (GB) auf der Festplatte beschrieben. In MPEG-4 zeigt sich Canal 1 mit nur 853 Megabyte (MB) weitaus bescheidener. Die Einsparung beträgt hier 37 Prozent. Ein absolut vergleichbares Bild gab es bei Señal Colombia mit 1 396 zu 852 MB. Noch größer wäre die Datenersparnis, wenn hier neben MPEG-4 auch DVB-S2 zum Einsatz käme.

Vorteile für den Zuschauer

Zunächst profitieren von der Übertragung von TV-Sendern in MPEG-4 die Veranstalter: Sie können so entweder merklich Übertragungskosten einsparen oder auf einem angemieteten Transponder mehrere Kanäle unterbringen, ohne die Bildqualität verringern zu müssen.
 
Für den TV-Kunden bedeutet dies, dass er Zugang zu noch mehr Sendern erhalten kann. Am meisten profitieren jedoch Nutzer von Festplattenreceivern. Da MPEG-4-Sendungen mit weniger Daten auskommen, beanspruchen sie auch weniger Speicherkapazität auf der Festplatte, womit sich auf ihr bis zu doppelt so viele Sendungen unterbringen lassen.

Nachteile

Mit fortschreitender Verbreitung von HDTV-Boxen steigt auch die Anzahl der in MPEG-4 und/oder DVB-S2 ausgestrahlten Programme. Mit herkömmlichen älteren Digitalreceivern kann man schließlich weder MPEG- 4- noch DVB-S2-Signale empfangen – auch dann nicht, wenn sie keine HDTV-Sender beinhalten. Vor allem Besitzer von Multifeed- und Drehanlagen kommen allmählich in Zugzwang.
 
Wollen sie weiterhin möglichst alle Stationen empfangen, führt kein Weg an einem modernen HD-Receiver vorbei, denn nur er kann alle in der neuen Norm ausgestrahlten Sender sichtbar machen. Je mehr Sender in MPEG-4 ausstrahlen, desto mehr verliert die HD-Markierung in den Senderlisten jedoch an Aussagekraft.
 Wenn damit auch Programme in Standardqualität gekennzeichnet werden, hat man es als Nutzer schwer, die in echtem HD ausgestrahlten Stationen ausfindig zu machen.
 
Einige wenige Receiver helfen dabei, indem sie in der Menüoberfläche über die Auflösung des gerade eingestellten Senders informieren. Noch ist das Ganze ein wenig Zukunftsmusik, der Trend zu MPEG-4 ist jedoch abzusehen und mittelfristig nicht aufzuhalten. Letztlich wird ein Wechsel auf die neue Norm von vielen unbemerkt vonstattengehen. Mit dem Erwerb einer HDTV-Box hat man nämlich zugleich die Voraussetzungen geschaffen, um alle in MPEG-4 ausgestrahlten Sender, also auch die in Standardauflösung, zu sehen.
(Thomas Riegler)

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