Pinewood Studios

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Londons Hollywood

Was haben „Star Wars: Episode VII“, der 24. Bond-Film und der nächste Superhelden-Clash „The Avengers 2“ gemeinsam? Alle Filme sollen 2015 in die Kinos kommen und einige Szenen werden aktuell in den Pinewood Studios in London gedreht. Trotz höchster Geheimhaltungsstufe durften wir in den heiligen Hallen selbst Hand an eine Filmkamera legen und mit Experten über die Filmentstehung plaudern.

Auch in Zeiten modernster Digitaltechnik sind an einer Filmkamera immer noch mehrere Personen gefragt. Das Ziel, einer Darstellerin mit einer Sony-Filmkamera zu folgen und dabei den Fokus nicht zu verlieren, erreichten wir bei unserem Drehversuch nur durch Teamplay: Eine Person schwenkt die Kamera, eine zweite dreht am Fokusrad. Zur Vorbereitung werden die Start- und Endpunkte der Aufnahme penibel in der Schärfe abgeglichen und die richtige Einstellung mit einem Stift am Drehrad markiert – somit weiß die zweite Person, von welcher Schärfeposition sie den Regler bis zur Endposition drehen muss. Auf unsere Nachfrage, weshalb man diese Arbeit nicht durch komplett motorisierte Kameras durchführt, verriet uns Richard Lewis, seines Zeichens Kameraexperte bei Sony, dass man am Set immer flexibel auf die Gegebenheiten reagieren muss und sich Darsteller nicht millimetergenau durch das Set bewegen.
 
Warum aber jeder Millimeter zwischen scharf und unscharf entscheidet, zeigte uns Richard Lewis am Sony-OLED-Kontrollmonitor: Der Schärfebereich ist derart eng gefasst, dass durch jede kleinste Drehung am Fokusrad die aufgenommene Darstellerin in bester 4K-Schärfe präsentiert wird oder gänzlich mit dem Hintergrund verschwimmt. Allein ein kurzer Gang der Darstellerin zum Schreibtisch des Sets trieb uns die Schweißperlen auf die Stirn: Kamera ruhig schwenken, Anfangsschärfe verändern, Gesicht immer im Fokus behalten und abschließend auf die Hand schwenken und die Finger fokussieren – da sehnen wir uns doch den Autofokus unserer Fotokamera herbei! Auch hinsichtlich der Daten sprengt eine Filmaufnahme sämtliche Grenzen: Eine Filmstunde belegt einen Terabyte an Speicher, was umgerechnet 20 Blu-ray Discs entspricht. Da aber jede Aufnahme aus Sicherheitsgründen bis zu sechsmal auf unterschiedliche Speichermedien und an unterschiedlichen Orten kopiert wird, ist schnell ersichtlich, dass auch nach der Abkehr vom Zelluloid von einer regelrechten Materialschlacht gesprochen werden kann, auch wenn die Daten nur noch aus Bits und Bytes bestehen.

Computer ersetzt Chemiebaukasten

Pablo Garcia Soriano, Experte auf dem Gebiet der Farbbearbeitung, legte gleich zu Beginn des Gesprächs die Karten auf den Tisch: Nichts hat beim Filmemachen mit Magie zu tun, alles muss hart erarbeitet werden und am Ende zählen immer die Zeit und das Geld. Wer seine Dienste in Anspruch nimmt, hat meistens von Ersterem zu wenig, sodass Pablo für ein effizientes Zeitmanagement sorgen muss, insbesondere wenn es um die Umsetzung des Filmlooks geht, der dem Regisseur im Kopf vorschwebt. Mehrere tausend Dollar pro Stunde kosten Pablo Garcia Sorianos Dienste, und wenn beim Dreh nicht alles optimal zuging und später am Computer umfangreiche Korrekturen vonnöten sind, dann kann es richtig teuer werden. In einer Demonstration führte der Meister seines Fachs vor, wie aus den Rohdaten einer 4K-Sony-Filmkamera ein filmreifes Gesamtergebnis wird. Wurden in der analogen Filmzeit sämtliche Korrekturen durch chemische Bearbeitungen des Filmstreifens vorgenommen, so entsteht die ganze Magie heute am Computer. Der Vorteil: Die Rohdaten der Kamera kennen kein festgelegtes Format, unterliegen keiner Komprimierung und weisen keine Qualitätsnachteile auf.

Das Geheimnis der Farben

Führt Pablo Garcia Soriano Korrekturen durch, so können diese jederzeit verändert oder zurückgenommen werden. Da seine Anpassungen im Datenstrom erkennbar sind, profitieren auch die Computergrafiker vom Workflow, denn diese müssen die Spezialeffekte penibel auf die Kameraaufnahmen abstimmen. Verläuft alles nach Pablos Vorstellungen, dann dürft e es Zuschauern am Ende schwerfallen, die Tricks und Kniffe der Nachbearbeitung zu erkennen. „Farbe ist eine Sprache, die zwar alle verstehen, aber nur wenige wissen, wie man sie richtig anwendet“, so Pablo Garcia Soriano. An seinem Schnittrechner zeigt er, wie sich die Wahrnehmung von der Farbwirklichkeit unterscheidet: „Bei Hautfarben denken viele, dass es sich um völlig verschiedene Farbtöne handelt, wir also grundverschieden voneinander sind. Wenn ich Hauttöne am Computer analysiere, um diese später nachzubearbeiten, dann sehe ich dagegen, dass alle Hautfarben auf nahezu der gleichen Farbachse liegen. Das Einzige, was sich entscheidend ändert, ist der Sättigungsgrad, also die Intensität dieses Farbtons.“
 
Während seiner Korrekturen wandelte sich das bleiche Gesicht einer Frau in eine gesunde Bräunung, dunkle Augenpartien hellten sich auf und Lippen erschienen satter. Damit der Blick des Kinopublikums ausschließlich auf die Frau und nicht auf den Raum gelenkt wird, lässt Pablo Garcia Soriano durch einen Filter die Randbereiche sanft im Schatten verschwinden – auch die finale Ausleuchtung des Bildes geschieht heutzutage also am Rechner. Am Ende lässt sich das finale Filmbild kaum noch mit der ersten Aufnahme vergleichen. Da Kinobilder aber nicht wie eine Fotografie stillstehen, müssen sämtliche Korrekturen zu den nachfolgenden Bildern passen. „Dank neuester Software sind die Tage der mühsamen Bearbeitung der Einzelbilder glücklicherweise vorbei“, verriet Pablo fast schon erleichtert, und demonstrierte anhand von Markern, wie die Korrekturen im Bereich der Gesichter fest verankert werden können und somit bei einem Kameraschwenk nicht mitwandern. Nach einem ähnlichen Prinzip lassen sich auch Hilfsmarkierungen eines Filmsets gekonnt retuschieren.

Filmvergnügen dank harter Arbeit

Wie die großen Maler im Kunstbereich so arbeiten die Koloristen beim Film an der bestmöglichen Umsetzung von Farben und Kontrasten. Da Kinofilme aber mit mindestens 24 Bildern pro Sekunde produziert werden, ist der Aufwand, sowohl beim Dreh als auch bei der Nachbearbeitung, schlichtweg gigantisch. Wirklich dankbar ist dieser Berufszweig nicht, denn haben Pablo Garcia Soriano und seine Kollegen ihren Job perfekt erledigt, werden Sie im Kino davon kaum etwas bewusst bemerken. Stattdessen sind Sie gefangen in der perfekten Illusion, wie sie auch heutzutage im digitalen Zeitalter nur das Kino bieten kann.
(Christian Trozinski)

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